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Abtreibungsfrage als Klassenfrage: Kamala Harris intoniert das Frauenthema klug
Ob die Demokratin Kamala Harris erste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird, entscheidet sich nicht allein am Frauenbild der Kandidaten. Aber es spielt im Wahlkampf eine größere Rolle denn je.
Eine Kolumne von
Nicht, dass der US-Wahlkampf sich an der Abtreibungsfrage entscheiden wird. Ausschlaggebend wird ebenso sein, wie Kamala Harris sich als Kandidatin der Demokraten etwa bei der Einwanderung oder im Kampf gegen die Inflation positioniert.
Trotzdem, die Zahlen sprechen für sich: Laut Umfragen ist eine Mehrheit in den Swing States für legale Abtreibungen, etwa zwei Drittel der Amerikaner befürworten das sogenannte Reproduktionsrecht der Frauen. Der Staat soll sich nicht einmischen bei Schwangerschaft, Verhütung und Abtreibung.
Als Frauenrechtlerin genießt Harris mehr Glaubwürdigkeit als Biden
Staatliche Bevormundung ist den Amerikanern ohnehin ein Graus. Hier die Selbstbestimmung, da das gängelnde Establishment – auf dem Ticket fährt auch Donald Trump.
Deshalb intonierte Harris das Frauenthema sehr klug, als sie in ihrer ersten Rede nach Joe Bidens Rückzug sagte: „Wir Demokraten vertrauen darauf, dass Frauen über ihren eigenen Körper entscheiden können.“
Schon 2018 hatte sie den Abtreibungsgegner Brett Kavanaugh bei dessen Anhörung fürs Richteramt im Supreme Court mit der Frage verunsichert, ob er sich vorstellen könne, dass die Regierung per Gesetz befugt sei, „Entscheidungen über den männlichen Körper zu treffen“.
Als dezidierte Frauenrechtlerin genießt die 59-Jährige hier mehr Glaubwürdigkeit als Joe Biden: Der gläubige Katholik vermeidet das gerade bei religiösen Gruppen heikle Thema lieber.
Frauen der Schwarzen Studierendenverbindung Sigma Gamma Rho Sorority jubeln Kamala Harris zu.
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Zur Erinnerung: 2022 hatten die in Trumps Amtszeit eingesetzten Supreme-Court-Richter das liberale Urteil „Roe vs. Wade“ kassiert, das landesweit garantierte Recht auf Abtreibung.
Seitdem entscheiden die Bundesstaaten. In 14 von ihnen ist Abtreibung verboten, sogar bei Vergewaltigung oder Gesundheitsgefährdung der Mutter, in weit über 20 erheblich eingeschränkt. Harris diskutierte darüber im ganzen Land mit Abgeordneten, Geistlichen, Juristen, Frauenrechtlern.
Die Abtreibungsfrage ist immer auch eine Klassenfrage. Immer noch schwer zu verstehen, dass auch viele sozial Diskriminierte – Frauen in den Suburbs, Schwarze, Indigene, Latino-Amerikaner – 2016 den Sexisten und Rassisten Trump gewählt haben. Aber vielleicht halten dessen jüngste verunglimpfende Sprüche über Harris’ ethnische Identität einige davon ab, es wieder zu tun.
Auch die Tiraden seines Vize J. D. Vance gegen kinderlose Frauen als unglückliche „Katzenladies“ und „egoistische“ Frauen, die sich bloß wegen etwas Gewalt in der Ehe scheiden ließen, sind nicht vergessen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de