1. FC Union und das Gosens-Chaos: „Tom Rothe gehört die Zukunft“

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1. FC Union und das Gosens-Chaos: „Tom Rothe gehört die Zukunft“

Das Timing des Abgangs von Robin Gosens sei „eine Katastrophe“, kritisiert der 1. FC Union Berlin die Bundesliga-Verantwortlichen. Die Lücke auf links soll der 19-jährige Rothe füllen.

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Tom Rothe spazierte mit zerzausten Haaren durch die Katakomben des Stadions An der Alten Försterei. Sein Startelfdebüt für den 1. FC Union war gelungen, die Berliner hatten den FC St. Pauli knapp mit 1:0 besiegt. Wie turbulent der Freitag für den 19 Jahre jungen Linksverteidiger gewesen war, ließ er sich nicht ansehen.

Kürzlich hatte er in einer Medienrunde noch gesagt, dass er den großen Konkurrenzkampf bei Union positiv sehe. „Wenn du einen wie Robin vor dir hast, kannst du viel mitnehmen“, sagte Rothe. Am Freitagabend hatte er Robin, mit vollem Namen Robin Everardus Gosens, plötzlich nicht mehr vor sich und stand in der Startelf.

Damit war wenige Stunden vor Spielbeginn noch nicht zu rechnen gewesen. Nachdem monatelang über einen Wechsel von Gosens spekuliert worden war, sah es kurz vor Schließung des Transferfensters so aus, als bliebe der 20-fache Nationalspieler doch bei Union – und Rothe damit vorerst in der zweiten Reihe. Doch am Freitagnachmittag überschlugen sich die Ereignisse.

„Da muss ich ehrlich sagen: Es ist eine Katastrophe“, sagte Rani Khedira nach dem Spiel bei „Dazn“ über das Timing des Transfers von Gosens, der leihweise zu Conference-League-Teilnehmer AC Florenz wechselt. Bis 16 Uhr gingen alle bei Union davon aus, dass Gosens den Klub nicht verlassen und am Abend in der Startelf stehen würde.

Tom Rothe absolvierte am Freitagabend sein erstes Pflichtspiel für Union.

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Am Morgen hatte er noch ein leichtes Training absolviert, machte anschließend einen Mittagsschlaf und als die Mannschaft auf dem Weg zu einer Besprechung war, ging es plötzlich ganz schnell.

„Robin ist dann auf mich zugegangen, dann auch zu den Trainern und hat uns mitgeteilt, dass er das gerne machen möchte“, erklärte Unions Manager Horst Heldt. Dass er aus persönlichen Gründen gerne nach Italien, wo er von 2017 bis 2023 für Atalanta Bergamo und Inter Mailand gespielt hat, zurückkehren würde, hatte er dem Verein schon früh kommuniziert.

Trotz mehrerer Angebote war ein Wechsel zuvor aber nicht zustande gekommen. Nun passte es für beide Seiten. „Am Ende macht es keinen Sinn für uns, einen Spieler hierzubehalten, der nicht richtig bei der Sache ist. Damit einer alles geben kann bei Union, müssen auch alle in seinem Umfeld sich mit der Sache identifizieren“, sagte Heldt.

Von seinen Kollegen habe sich Gosens völlig aufgelöst und „fast schon mit Tränen in den Augen“ verabschiedet, sagte Khedira. Dass so etwas wenige Stunden vor einem Spiel nicht spurlos an einer Mannschaft vorbeigeht, ist klar.

Da sollten sich die schlauen Menschen auch mal irgendwie Gedanken drüber machen, dass wir zwar Fußballspieler sind, aber auch Menschen.

Rani Khedira über das vorprogrammierte Transferchaos am Freitag

Während bei Union viel Verständnis für Gosens Entscheidung herauszuhören war, gab es reihenweise Kritik an den Verantwortlichen der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Bei einer Ansetzung am Freitagabend um 20.30 Uhr, nur 30 Minuten nach Schließung des Transferfensters, war Chaos vorprogrammiert – und so kam es schließlich auch.

Um 19 Uhr verkündete Union die Verpflichtung von Stürmer Andrej Ilic, der leihweise aus Lille kommt. Als um 19.30 Uhr dann die Mannschaftsaufstellungen veröffentlicht wurden, war auch dem Letzten klar: Gosens ist auf dem Weg nach Italien.

Union kritisiert die DFL

„Wer ein Bundesligaspiel ansetzt am letzten Tag des Transferfensters, muss damit rechnen, dass so was passiert“, sagte Unions Trainer Bo Svensson. Damit müsse man umgehen, denn so sei die Fußballwelt. So kurz vor dem Spiel sei es aber heftig gewesen. Ähnlich äußerte sich Khedira. „Da sollten sich die schlauen Menschen auch mal irgendwie Gedanken drüber machen, dass wir zwar Fußballspieler sind, aber auch Menschen.“

Ob die Mannschaft gegen den Aufsteiger wegen der schwierigen Vorbereitung eine sehr durchwachsene Leistung zeigte, ist spekulativ. Svensson war jedenfalls gar nicht zufrieden. Gerade in der Anfangsphase habe das Team „sehr zögerlich und mit Angst“ gespielt – und das, obwohl die vergangene Trainingswoche die beste seit seiner Ankunft in Berlin gewesen sei.

Wir haben mit Tom einen super Ersatz, der auch den Anspruch hat, Startelfspieler zu sein.

Benedict Hollerbach über Tom Rothe

Auch Rothe brauchte eine Weile, um im Spiel anzukommen. Seine Passquote war mit 61 Prozent eher dürftig, seinen Flanken, die in der Aufstiegssaison mit Holstein Kiel noch zehn Tore vorbereitet hatten, fehlte die Präzision. „Er hat sich schwergetan in der ersten halben Stunde, aber in der zweiten Halbzeit fand ich ihn gut“, sagte Svensson und betonte die schwierige Situation für den jungen Sommerzugang.

Das Vertrauen in den 19-Jährigen, für den Union fünf Millionen Euro an Borussia Dortmund überwiesen hat, ist groß. „Wir werden viel Freude mit ihm haben, ihm gehört die Zukunft“, sagte Svensson und auch wenn mit Gosens’ Wechsel viel Erfahrung verloren geht, könnte es dem Trainer die Arbeit auch erleichtern. Denn mit Gosens, Rothe und Jerome Roussillon standen drei Spieler für die linke Seite im Kader – ohne Europapokal definitiv einer zu viel.

Nun ist Rothe erst mal gesetzt und kann die für einen so jungen Profi wichtige Spielpraxis sammeln. „Wir haben mit Tom einen super Ersatz, der auch den Anspruch hat, Startelfspieler zu sein“, sagte Siegtorschütze Benedict Hollerbach. „Und er hat direkt gezeigt, dass er hungrig ist“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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