Antidepressiva, Therapie und Panikattacken: So enttabuisieren die Profis bei Olympia psychische Erkrankungen

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Antidepressiva, Therapie und Panikattacken: So enttabuisieren die Profis bei Olympia psychische Erkrankungen

Lange Zeit wurde über psychische Probleme im Leistungssport nicht gesprochen. Doch in Paris brechen mehrere Medaillenträger mit dem Stigma – und ebnen den Weg für andere.

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Den Tag, an dem sie mit dem US-amerikanischen Team Gold holte, begann Kunstturnerin Simone Biles mit einer Therapiesitzung. „Ich habe meiner Therapeutin gesagt, dass ich mich ruhig und bereit fühle“, sagte Biles. Das zeigte sich auch später auf der Matte, als Biles einmal mehr brillierte und ihr fünftes olympisches Gold gewann.

Seit ihrem Zusammenbruch bei den Spielen in Tokio 2021 geht die US-Amerikanerin offen mit dem Thema mentale Gesundheit um, spricht in einer neuen Netflix-Serie über den Druck bei Wettbewerben und Herausforderungen im Leistungssport. Mit ihrer Offenheit hat sie anderen Mut gemacht, bei den Spielen in Paris sprechen immer mehr Athleten und Athletinnen über das Thema.

So etwa die britische Wasserspringerin Andrea Spendolini-Sirieix, die im Synchronspringen Bronze holte und im Einzelspringen auf dem sechsten Platz landete. „Vor drei Jahren wollte ich noch nicht einmal am Leben sein. Heute bin ich einfach nur froh, dass ich lebe, dass ich atme und dass ich meine Familie habe, die mich unterstützt“, sagte sie gegenüber dem „Guardian“.

Andrea Spendolini-Sirieix gewann im Synchronspringen Bronze.

© REUTERS/Gonzalo Fuentes

Die Zeit nach den Olympischen Spielen in Tokio 2021 sei beängstigend gewesen, sagte die Britin. „Deshalb wertschätze ich jeden Morgen.“ Sie hat den Eindruck, dass viele Athleten und Athletinnen mit psychischen Problemen zu kämpfen hätten, auch bei Olympia. „Aber diese sieht keiner und wir kämpfen uns stillschweigend durch.“

Jemand, der nicht mehr schweigt, ist Noah Lyles. Vor drei Jahren berichtete er, unter Depressionen zu leiden, nun gewann der US-Amerikaner auf der Königsstrecke 100 Meter die Goldmedaille. „Irgendwann konnte ich nicht mehr ich selbst sein. Ich redete nicht mehr mit Leuten, ich zog mich zurück, ich hatte keine Freude mehr an dem, was ich tat“, sagte er im vergangenen Jahr der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Insbesondere die Coronapandemie und der gewaltsame Tod von George Floyd hätten ihn sehr belastet und zu einer Angststörung geführt, die später in einer Depression gemündet sei. Er entschied sich dazu, eine Therapie zu beginnen und Antidepressiva zu nehmen. Rückblickend nannte er das „eine der besten Entscheidungen seines Lebens“ – der Erfolg in Paris gab ihm recht.

Schendekehl verlor die Freude am Rudern

Wie es sich anfühlt, mit einer Angststörung an Wettkämpfen teilzunehmen, weiß auch die deutsche Ruderin Tabea Schendekehl, die im Doppelvierer Bronze in Tokio holte. Wenn sie über ihre Sportart spricht, gerät sie schnell ins Schwärmen, ihre Leidenschaft ist Schendekehl anzumerken.

Tabea Schendekehl holte mit dem Doppelvierer Bronze.

© imago/Sven Simon

Doch das war nicht immer so: Aufgrund einer Angststörung verlor sie zwischenzeitlich die Freude am Rudern und litt an Panikattacken. Das änderte sich erst, als sie eine Therapie anfing und Medikamente einnahm. „Meine psychische Gesundheit ist jetzt deutlich besser“, schrieb sie auf Instagram. „Das bedeutet nicht, dass die Angststörung und die Depressionen weg sind, ich habe immer noch schlechte Tage und Panikattacken. Aber zum Glück kommen diese deutlich unregelmäßiger vor.“

Antidepressiva, Therapie und Panikattacken – das alles sind Themen, die im Leistungssport vor einigen Jahren noch stillgeschwiegen wurden. Die Athleten und Athletinnen bei Olympia tragen dazu bei, diese zu enttabuisieren und zu normalisieren.

„Das Stigma wird gebrochen“, sagte auch der britische Schwimmer Adam Peaty einmal im Interview mit dieser Zeitung. Es sei wichtig, eine Balance zu finden zwischen dem Sport und dem Leben darüber hinaus. Es braucht Bewusstsein für das Thema im Profisport, auch global gesehen.“ 

Bei Olympia sind es Athleten und Athletinnen aus ganz verschiedenen Ländern, die über das Thema sprechen. Die Spiele dürften daher auch langfristig dazu beitragen, dass das globale Bewusstsein wächst, so wie Peaty es sich erhofft.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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