Der neue Trinkgeld-Druck

Trinkgeld war bislang ein Zeichen der Anerkennung für guten Service. Doch inzwischen wird auch nach Trinkgeld gefragt, wenn es gar keinen Service gab Foto: picture alliance / Wolf Lux / B.Z.-Montage

Von Larissa Hoppe

Trinkgeld. Ursprünglich mal ein Zeichen der Anerkennung für guten Service. Doch das war einmal. Mittlerweile wird gezielt nach Trinkgeld gefragt. Der neue Trinkgeld-Druck in Berliner Lokalen.

Ein Restaurant nahe Checkpoint Charlie. Das gesamte Konzept ist auf Selbstbedienung ausgelegt. Der Kunde bestellt am jeweiligen Tresen oder fancy per App. Bestellt man Essen, bekommt man einen Buzzer, damit man das Gericht am jeweiligen Tresen abholen kann, wenn fertig. Ich gehe zur Bar, hole ein Glas Wein. Kartenzahlung. Doch bevor es losgeht, die Aufforderung, Trinkgeld zu geben. „Äh, nein. Wofür jetzt“, schießt es mir durch den Kopf. Ich zögere kurz, lehne dann ab.

Ein Café in Berlin-Mitte. Eine Freundin kauft dort eine Packung Kaffeebohnen am Tresen. Wieder wird bei der Kartenzahlung nach Trinkgeld gefragt: „5 Prozent, 10 Prozent, 15 Prozent“, steht groß und blau unterlegt auf dem Display, dann die Möglichkeit zur eigenen Eingabe und erst darunter ein Button für „kein Trinkgeld“.

Bis zu 15 Prozent Trinkgeld sind laut Vorauswahl möglich. Erst ganz am Ende gibt es die Möglichkeit, kein Trinkgeld zu geben Foto: Isabel Herwig

► Ein Café am Flughafen BER. Hier werden Getränke gekauft, wieder mit Selbstbedienung – auch hier wird bei der Kartenzahlung nach Trinkgeld gefragt.

„7 %, 10 % und 20 %“ oder „0 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %“ – das sind die Werte, die einem aktuell immer häufiger vorgeschlagen werden, wenn man in Restaurants mit EC-Karte zahlen möchte.

10 Prozent extra für einen Service, den es nur in sehr schwacher Ausprägung (Wein in ein Glas gekippt oder Kaffeebohnen über den Tresen gereicht) gab – wie viel soll ich denn geben, wenn eine Kellnerin besonders schnell am Tisch und freundlich war?

Andererseits, das Personal hinter dem Tresen bedient mich schließlich auch. Irgendwie. Wieder draußen habe ich kurz ein schlechtes Gewissen. Hätte ich doch etwas geben müssen? Demzufolge müsste ich aber auch dem Geschenke-Einpack-Service in der Buchhandlung ein Trinkgeld geben. Oder der Kassiererin bei Zara, die die Klamotten faltet und in eine Tüte legt. Wo endet es dann?

So oder so – man macht sich Gedanken. Und empfindet ein „Nein“ als rebellischen bis unhöflichen Akt. Eigentlich albern, oder?

Das steckt hinter der Trinkgeld-Frage

Erklärungshilfe gibt es von Wirtschaftswissenschaftler Christian Traxler von der Berliner Hertie School. Er nennt die Trinkgeld-Bitte „Nudging“ (englisch für „anstupsen“). Das Verhalten der Kunden werde gelenkt, gar manipuliert, sagte der Verhaltensökonom jüngst der Deutschen Presse Agentur (dpa). „Es wird oft nicht nur kommuniziert, dass ein Trinkgeld erwartet wird, sondern auch, in welchem Rahmen es als angemessen angesehen würde“, sagt Traxler.

Jammert diese Grüne nur auf hohem Niveau?

Wirtschaftswissenschaftler Sascha Hoffmann von der Hochschule Fresenius erklärte, der technische Kniff, beim Bezahlvorgang am Kartenlesegerät an die Gabe eines Trinkgelds zu erinnern, sei für Servicekräfte und Gastronomen extrem hilfreich. „Studien zeigen, dass bei Kartenzahlung im Großen und Ganzen weniger Trinkgeld gegeben wird. Das wirkt sich unmittelbar negativ auf die Verdienstmöglichkeiten von Mitarbeitenden in der Gastronomie und anderen Dienstleistungsberufen aus.“

Er sagt aber auch, dass sich Kunden im Nachhinein ärgern könnten, zu viel Trinkgeld gegeben zu haben.

Diesen Punkt sehe ich vor allem in den Restaurants und Cafés, in denen explizit Selbstbedienung angesagt ist – weshalb der „Nudging“-Trend vor allem hier so schnell und geräuschlos wieder verschwinden sollte, wie er untergejubelt wurde.

In der Regel gebe ich die üblichen 10 Prozent, bei Kleinigkeiten wird aufgerundet. Und gab es tatsächlich guten Service, so wie letztes Mal bei diesem süßen Italiener in Kreuzberg, achte ich von allein darauf, dass das Trinkgeld entsprechend ausfällt und im Zweifel auch in bar gegeben wird.

Eine Quelle: www.bz-berlin.de

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