Elternkolumne „Anonym und abgekämpft“: Nach dem Papa-Wochenende ist mein Kind wie ausgewechselt

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Elternkolumne „Anonym und abgekämpft“: Nach dem Papa-Wochenende ist mein Kind wie ausgewechselt

Unsere Autorin und ihr Ex-Partner kümmern sich abwechselnd um ihr Kind. Doch immer, wenn ihre Tochter vom Vater zurückkommt, ist sie ganz anders. Schadet ihr das Wechselmodell?

Von Sofia Schlaube

Gerade waren meine Tochter und ich noch ein eingespieltes Team. Unsere Beziehung war nah, der Alltag lief einigermaßen entspannt. So liebe ich unser Leben zu zweit. Doch dann kommt der Donnerstag. Der Papa-Donnerstag. Nach zehn Tagen, an denen ich alleine die Betreuung übernommen habe, wird meine Vierjährige nun ein langes Wochenende bei ihrer zweiten Familie verbringen. Danach? Ist alles anders.

Dabei finde ich eigentlich, dass mehrere Tage am Stück kindfrei zu haben, zu den Vorteilen des Getrennterziehens gehört. Für mich heißt das nämlich: Mama-Auszeit und Luxus-Tage!

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Am ersten Tag befinde ich mich meist noch in einem emotionalen Vakuum. Ich vermisse meine Tochter und mein Gehirn füttert mich mit irrationalen Ängsten: „Was ist, wenn es ihr nicht gut geht?“ „Kriegt der Papa das hin?“ „Was ist, wenn ihr was passiert?“

Es folgt der Prozess des Loslassens. Darin bin ich mittlerweile ziemlich gut: Ich verbiete mir die Angstgedanken, sage mir, dass ich dem Vater meines Kindes vertrauen kann. Dann endlich: Me-Time.

Die restlichen Tage verbringe ich aber dann meist doch damit, Dinge zu erledigen, die ich sonst nicht schaffe. Die Wohnung aufräumen und putzen zum Beispiel, Sachen reparieren oder die Klamotten meiner Tochter loswerden, aus denen sie herausgewachsen ist. Spätestens gegen Sonntagmittag werde ich unruhig, mein System macht sich bereit, wieder in den Mama-Modus umzuschalten.

Wenn der Moment gekommen ist, an dem mein kleines Überraschungspaket nach Hause geliefert wird, höre ich sie schon gut gelaunt durch den Hof laufen. Darüber bin ich froh, denn früher kam sie auch mal weinend nach Hause. Manchmal werde ich mit einem Lied und einem kleinem selbst gepflückten Blumensträußchen überrascht. Während ich sie begrüße, drückt mir der Papa einen Sack mit Wechselklamotten in die Hand. Das alles passiert noch auf der Türschwelle.

Wie hat meine Tochter die letzten Tage verbracht?

Irgendwie versuchen mein Ex und ich ein paar Sätze zu wechseln, in diesen einzigen drei Minuten, in denen wir uns noch sehen. Dann muss er los. Er hat es oft eilig, muss zu seiner Frau und der zweiten Tochter. Ich habe es auch irgendwie eilig, denn für mich ist die Situation immer noch emotional angespannt.

Sobald er aus der Tür ist, möchte ich erfahren, was mein Kind erlebt hat. Aber so eine „Hey, wie war dein Wochenende, erzähl mal“-Unterhaltung, wie ich sie mir wünsche, ist selten möglich. Dazu ist meine Tochter noch zu klein.

Es fühlt sich komisch an, nicht zu wissen, wie sie die letzten Tage verbracht hat. Irgendwie sind wir uns auch ein bisschen fremd. Am liebsten möchte ich schnell an unsere Innigkeit von vor vier Tagen anknüpfen. Aber stattdessen steckt mir meine Tochter ihre Haarspange in die Nase und sagt „Du sollst mir gehorchen!“

Am späten Abend explodiert sie

Im Turbomodus möchte sie alles Mögliche nachholen: mit mir malen, auf mir rumklettern, Katze spielen. Dabei hüpft sie überdreht umher und kommandiert mich herum. Manchmal rennt sie in die Küche, klettert auf die Arbeitsplatte und will mit den Utensilien in unseren Schränken fragwürdige Experimente durchführen. Wenn sie nicht bekommt, was sie will, explodiert sie: Erst kommt der Wutanfall, dann die Tränen.

Irgendwann, meist so gegen 22.30 Uhr, nachdem ich ihr noch Fingerfarbe vom Körper geschrubbt und einen halben Sandkasten von ihrem Kopf entfernt habe, schläft sie endlich ein – völlig erschöpft. Und ich? Falls ich mich an meinem freien Wochenende etwas erholt haben sollte, ist dieser Effekt spätestens jetzt schon wieder verschwunden.

Je mehr wir die Erwartungshaltung loslassen, dass das Ankommen unserer Kinder auf Knopfdruck harmonisch ablaufen muss, umso einfacher wird es“,

Franziska Karl, psychologische Beraterin

Mittlerweile weiß ich, dass es ein paar Tage dauern wird, bis wir wieder ganz beieinander angekommen sind. Sie hat ja auch viel zu verarbeiten und das kann ziemlich anstrengend werden. Wir werden Machtkämpfe haben. Grenzen und Regeln werden jedes Mal neu ausgelotet werden müssen. Häppchenweise werde ich vielleicht hier und da etwas vom Wochenende hören, wenn meine Tochter doch etwas erzählt oder mit ihren Puppen Situationen nachspielt, die sie erlebt hat.

Aber sie ist jedes Mal auch etwas verändert, wächst an den neuen Erfahrungen.

Gefühlschaos auf der Türschwelle

Dieses ständige Aus- und Eintunen rund um die Papa-Tage gehört jedenfalls zu den anstrengenden Seiten meines Single-Mama-Lebens. Ich frage mich, ob das Ganze nicht doch entspannter geht und frage Franziska Karl. Sie berät alleinerziehende Mütter und betreibt den Podcast „Happy Single Mum“.

Franziska Karl erklärt mir, wie wichtig es ist, die Kinder in Ruhe und ohne viel Fragerei zu Hause ankommen zu lassen. „Je mehr wir die Erwartungshaltung loslassen, dass das Ankommen unserer Kinder auf Knopfdruck harmonisch ablaufen muss, umso einfacher wird es“, sagt die psychologische Beraterin. Ideal sei es, wenn wir versuchten, abzuwarten, bis das Kind selber etwas vom Wochenende erzählen möchte.

Oft seien es auch die Eltern selbst, die mit Gefühlschaos an der Türschwelle stehen und dieses auf die Kinder übertragen. Ohja, das kann ich wohl bestätigen. „Kinder sind feinfühlig und merken sofort, wenn es Spannungen gibt. Das ist total belastend für sie“, sagt Karl. Manche würden sogar die nicht verarbeiteten Gefühle – wie zum Beispiel Wut – der Eltern kompensieren.

Ablenkung hilft

Wie gut oder schlecht die Übergabe funktioniere, hänge deshalb auch mit den eigenen Bewertungen zusammen. „Je mehr wir die Situation der Trennung annehmen und Frieden mit dem Ex-Partner finden, desto leichter fällt es den Kindern, sich in beiden Welten zurechtzufinden“, erklärt Karl, die selbst geschieden und Mutter ist. Natürlich hänge das auch immer von der Situation, dem Alter und dem Charakter des Kindes ab.

Ganz praktisch helfe auch ein bisschen Ablenkung nach dem Wechsel, rät die Expertin. Wenn Kinder gerade in einer Trauerphase sind, könne es auch sinnvoll sein, ein paar Bücher zum Thema Trennung griffbereit zu haben und einfach für die Kinder da zu sein, wenn sie Gefühlsausbrüche haben.

Organisatorische Dinge sollten besser nicht an der Tür besprochen werden. Besonders wenn das Verhältnis noch angespannt sei, gebe es dabei oft Konfliktpotenzial.

Wie immer bin ich also selbst der Dreh- und Angelpunkt für die Situation. Ich werde daran arbeiten. Ausfragen werde ich meine Tochter ab jetzt jedenfalls nicht mehr.

Bald geht es mit Papa in den Urlaub, mal sehen wie lange es dann dauert, bis danach wieder alles läuft.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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