Gotische Gegenwart: Die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

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Gotische Gegenwart: Die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Die Altstadt ist Weltkulturerbe, ihre Händler auf internationalen Messen vertreten. In Bamberg zeigen sie Spitzenstücke, aber auch Objekte zum Einstieg.

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Die Verwandlung beginnt langsam. Erst taucht man ein in die Stadt, schlendert über ihre steinernen Brücken, hört die Regnitz rauschen und fühlt sich barock. So viele erhaltene Häuser erzählen in Bamberg die Geschichte einer Epoche, in der das Dekorative seine Funktion besaß. Als Anspielung, Verweis, lustvolle Symbolik. Es geht aber noch weiter, über die Gotik ins Mittelalter: Bambergs Altstadt, seit 1993 Weltkulturerbe, hat seinen Domberg, den Bamberger Reiter, eine romanische Kathedrale. Und ein dichtes Feld erstklassiger Kunsthändler.

Sakrale Skulpturen, Turiner Rokoko

Auf internationalen Antiquitätenmessen wie der Tefaf oder der Brafa sind sie ebenso vertreten wie in den kleinen, schmucken Häusern ihrer Heimat. Die Immobilien hat meist hat schon eine frühere Generation erworben: Ein Glück für die alte Kunst, die in München und anderswo längst aus den Einkaufsstraßen verdrängt wurde. In Bamberg bildet sie das Herzstück einer authentischen Geschichte, füllen die historischen Fassaden mit Inhalt. Sakrale Skulpturen, Braunschweiger Schränke, Turiner Rokoko – und beim Kunsthandel Schmidt-Felderhoff sogar ein ganzes Haus von 1307, das detailverliebt restauriert wurde und nun als adäquater Hintergrund der Präsentation dient.

Die Objekte sind rar und in ihrer Bedeutung oft nur mit dem Wissen der Händler erschließbar. Bei Christian Eduard Franke-Landwers begegnet man museumsreifem Interieur. Einer höfischen Kommode aus Paris, entstanden um 1750 und mit einem Stempel von Jean-Charles Saunier. Dessen Familie stand für exklusive Möbelkunst, doch das muss man nicht wissen, um die ausdrucksstarken Wölbungen, die Blumengravur und Furniere aus Rosenholz, Amarant oder Palisander jener Kommode zu bewundern.

Die Händler wollen für das Alte begeistern

Dann aber kommt der Kunsthändler in Fahrt. Erzählt von seinen Schätzen, ihrer Herkunft und den teils abenteuerlichen Geschichten des Interieurs durch die Jahrhunderte. Auch das macht die Anziehungskraft der inzwischen 29. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen aus: Es geht nicht allein um den Verkauf.

Spitzenstücke wie bei Franke-Landwers haben ihren Preis. Manchmal braucht es Jahre, bis ein aufwändig gestaltetes Prunkkabinett oder seine jüngste Erwerbung – ein Paar französische Lackschränke aus dem 18. Jahrhundert mit feinst gemalten, erzählerischen Motiven auf ihren gerundeten Oberflächen – einen neuen Besitzer finden. Doch die Wochen dienen auch dem Gespräch. Aus der Vermittlung von Wissen kann Begeisterung erwachsen, die den Zuhörer irgendwann zum Kunden, zur Kundin werden lässt.

Es gibt noch andere Strategien im Bamberger Antiquitätenhandel. Julia Heiss vom Silberkontor Heiss ist auf dänisches Design spezialisiert, ihr Prunkstück ein puristischer, von Hans Hansen 1938 gestalteter Silberkrug. 3200 Euro kostet das ebenso minimalistische wie makellose Objekt, doch in das kleine Geschäft voller Silberbesteck und Vintage-Teeservices locken ungleich preiswerte Ketten mit Medaillons im Schaufenster.

Ein Panorama der Epochen und Preise

Es senkt die Hemmschwelle, genau wie die großen Fenster von Matthias Wenzel. Dessen weitläufige Kunsthandlung entfaltet vom kleinen geflügelten Engel aus Lindenholz, entstanden um 1740 in Süddeutschland, bis zur gotischen Skulptur aus dem 14. Jahrhundert für 300.000 Euro ein Panorama der Epochen und Preise. Auch Wenzel erklärt versiert, seine Begeisterung ist fast greifbar. Dass sich in jüngster Zeit gleich mehrere Besucher für jene kunstvollen Geweihlüster entschieden, die mit je einer geschnitzten Halbfigur verziert sind, glaubt man sofort. Der Betriebswirt und Kunsthistoriker, Jahrgang 1964, glaubt fest an den ästhetischen Gewinn eines kombinierten Mobiliars aus Antiquität und Aktuellem. Dass sich Sammler noch streng in einer vergangenen Epoche einrichten, denkt hier kaum noch jemand.

Thomas Herzog, der den renommierten Kunsthandel Senger als nächste Generation führt, macht es gleich vor. An der alten Adresse, wo sich unter dem Geschäft ein Skulpturenkeller wölbt, hat sich kaum etwas geändert, der Fokus liegt auf gotischer Plastik, Gemälden von Lucas Cranach dem Älteren oder Madonnenbildern. In der Dependance um die Ecke verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart auf mehreren Etagen. Hier hängt Herzog Gemälde von Marc Taschowsky oder die fließend abstrahierenden Landschaften von Susanne Maurer neben antike Objekte und mächtige Schränke, deren Aura des Ewigen wohltuend unterlaufen wird. Der zarte Sprung funktioniert überraschend gut.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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