Kontakt zu Italiens Amtskollege: Lindner warnt offenbar vor feindlicher Übernahme der Commerzbank

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Kontakt zu Italiens Amtskollege: Lindner warnt offenbar vor feindlicher Übernahme der Commerzbank

Italiens Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte die Commerzbank und ihren Großaktionär, den Bund, mit einem Einstieg überrumpelt. Nun soll sich Christian Lindner eingeschaltet haben.

Bundesfinanzminister Christian Lindner schaltet sich Insidern zufolge in den Streit um einen möglichen Verkauf der Commerzbank durch die italienische Unicredit ein. Der FDP-Politiker habe in Gesprächen mit dem italienischen Finanzministerium in den vergangenen Tagen vor einer feindlichen Übernahme der zweitgrößten börsennotierten Bank in Deutschland gewarnt, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Lindners Sprecher sagte am Freitag, der Minister sei in ständigem Kontakt mit seinen europäischen Kollegen, es gebe aber keine einzelnen Gespräche, die man kommentieren wolle.

Unterdessen haben sich hochrangige Manager von Commerzbank und Unicredit Insidern zufolge am Freitagmorgen zu einer Videokonferenz zusammengeschaltet – dem ersten Gespräch seit dem Einstieg der Italiener. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte die Commerzbank und ihren Großaktionär, den Bund, mit dem Einstieg überrumpelt. Unicredit hatte bei einer Platzierung 4,5 Prozent der Anteile vom Bund gekauft und sich weitere 4,5 Prozent bereits im Vorfeld gesichert.

Scholz missfällt das Vorgehen von Orcles

Mittlerweile hat Unicredit über Finanzderivate nach eigenen Angaben Zugriff auf bis zu 21 Prozent der Anteile an dem Geldhaus. Der Bund hält noch zwölf Prozent an der Commerzbank und hat weitere Verkäufe aus dem in der Finanzkrise erworbenen Paket auf Eis gelegt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Commerzbank bei einem Telefonat mit der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni am Donnerstag nicht angesprochen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: „Das Thema Commerzbank hat bei dem Gespräch meines Wissens keine Rolle gespielt.“

Der Kanzler hatte allerdings bereits am Montag sein Missfallen über das Vorgehen Orcels ausgedrückt: „Mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen“, halte die Bundesregierung nicht für angemessen. Die Commerzbank könne den Mittelstand auch unabhängig mit Krediten versorgen.

Commerzbank in der Zwickmühle

Orcel hatte in den vergangenen Tagen unterschiedliche Signale in Richtung der Commerzbank ausgesendet, aber klargemacht, dass Unicredit Interesse an einer Übernahme hätte. Die designierte Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp hatte das Gespräch am Donnerstag angekündigt: Es sei üblich, dass man seine Ansichten austausche. Man werde alles bewerten, was auf den Tisch komme. „Wir werden keine dummen Dinge tun.“

Manchmal ergebe etwas Sinn, manchmal nicht, und das müsse man gemeinsam herausfinden. Sie ist in einer Zwickmühle: Zum einen will die Bank grundsätzlich unabhängig bleiben, zum anderen ist sie ihren Aktionären verpflichtet, das Beste für sie herauszuholen, und kann sich Gesprächen daher nicht verweigern. Die Commerzbank-Aktie hat 30 Prozent zugelegt, seit Unicredit seinen Einstieg publik gemacht hat.

Um sich schlagkräftiger zu verteidigen, hat die Commerzbank den Führungswechsel von Manfred Knof auf Orlopp vorgezogen. Die derzeitige Finanzchefin übernimmt bereits am kommenden Donnerstag offiziell das Ruder. Bei einem Verkauf nach Italien fürchten Kunden und Politiker, dass die Bank den Mittelstand nicht wie bisher mit Krediten versorgt.

Liberale Stimmen in der FDP gegen politische Einmischung

Orcel verweist jedoch auf das Beispiel der HypoVereinsbank, die seit mehr als einem Jahrzehnt zu Unicredit gehört: Deren Umbau könne eine Blaupause für die Commerzbank sein. Bei der HVB sind allerdings seit der Übernahme Tausende Stellen weggefallen. Das befürchten Belegschaftsvertreter auch bei der Commerzbank, wenn diese in Unicredit aufgehen würde.

Lindners Ministerium war in die Kritik geraten, weshalb es den Einstieg der Italiener im Zuge der Über-Nacht-Platzierung nicht verhindert habe. Das Finanzministerium hatte auf einen „diskriminierungsfreien“ Verkauf verwiesen, der den Ausschluss einzelner Interessenten verbiete.

In der liberalen FDP gibt es auch Stimmen, die darauf pochen, dass die Aktionäre und nicht die Politik über eine Übernahme entscheiden sollten. Lindner sieht Insidern zufolge aber das Vorpreschen von Unicredit kritisch, das andere mögliche Käufer abschrecken könnte. (Reuters)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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