Neues Album des Berliner Rappers Apsilon: „Meine Brüder wollen nur Frieden am Block“

© Rob Luethje

Neues Album des Berliner Rappers Apsilon: „Meine Brüder wollen nur Frieden am Block“

Zwischen harten Trap-Songs und erschütternden Balladen verhandelt der Rapper aus Moabit auf seinem Debütalbum „Haut wie Pelz“ Themen wie Rassismus, Migration und seine eigene Familiengeschichte.

Von Jan-Malte Wortmann

Wie soll man unbeschwert leben, wenn man sich bereits in dritter Generation in Deutschland befindet und trotzdem nicht willkommen fühlt? Wenn einem permanent Vorurteile und skeptische Blicke entgegenschlagen, während rechte Politik langsam in der Mitte ankommt – und „blaue Hunde bellen im Bundestag“?

Man legt sich eine dicke Haut zu, eine „Haut wie Pelz“. Einen Pelz aus Wut, Hass und Trotz, der warmhält in eisigen Berliner Nächten. Von genau diesem Gefühl erzählt der Moabiter Rapper Apsilon auf seinem Debütalbum: von Rassismus, Depressionen, Klassenkampf, Polizeigewalt – und der Sehnsucht nach einem friedlichen Leben.

Vor knapp drei Jahren veröffentlichte Apsilon, der zu dieser Zeit noch Medizin an der Charité studierte, seine erste Doppelsingle „Sport/Ich leb“. Seitdem feiern ihn Fans und Kritiker:innen gleichermaßen für seine nuancierten Texte, seine klare politische Haltung und seine charakteristische Art zu rappen, bei der er sich wie stolpernd über den Beat bewegt. Soli-Konzerte, Reden und Auftritte bei Demos komplettieren das Bild eines Musikers, für den linker Aktivismus zum Künstlerdasein dazugehört.

Ohnmacht und Einsamkeit

Diese Leitmotive setzen sich auf „Haut wie Pelz“ fort, auf dem sich Apsilon auch mehr und mehr zu singen traut. Die ersten drei Songs führen die Kernthemen ein, die sich wie eine lose narrative Struktur durch das Album ziehen. Die Ballade „Koffer“ handelt von einem Fremdheitsgefühl, das entsteht, „wenn dein Nachbar keine Menschen, sondern nur sein Land liebt“. Bis dieser Eindruck in die Überlegung umschlägt, auszureisen – Problem nur: „In einen Koffer passt kein Leben, in einen Koffer passt nicht meine Welt“.

Daran anschließend handelt „Lost in Berlin“ vom nächtlichen Durch-die-Straßen-Streifen, von Ohnmachtsgefühlen, während anderswo die Bomben fallen, und von dem Sehnen nach ein bisschen Zweisamkeit. „Kopf im Nacken“ beschreibt hingegen einen Moment, der den ganzen Frust kurzzeitig vergessen lässt: mit den Jungs in einem geliehenen Wagen durch die Stadt zu rasen und sich in der Community stark zu fühlen. Hier präsentiert sich Apsilon erstmals von seiner härteren Seite. Er will nicht „als ‘ne scheiß Statistik auf Zeitungspapier enden“, aber er will auch auf keinen Fall eine weiße Weste.

Mein Baba hat ein’ starken Rücken/ Der schleppt viel mit sich rum bei Nacht/ Ich wünscht, er wär ein bisschen schwächer/ Dann hätt’s ihn nicht kaputtgemacht.

Apsilon im Song „Baba“

Sich im einen Momenten wütend und stark, in anderen allein und verletzlich zu fühlen, diese Dualität zieht sich auch durch die restlichen der 14 Songs. Nach den Singles „Grau“ – mit einem großartigen Part von Paula Hartmann – und „So leicht“ folgt der Titeltrack mit dem Kerngedanken des Albums: Wenn Deutschland uns wie Raubtiere ansieht, müssen wir uns eben einen Pelz zulegen – ob wir das gut finden oder nicht.

Während populistische Debatten über Migration immer lauter und menschenverachtender werden, liefert Apsilon hier mit seinen teils sehr drastischen Schilderungen eine dringend benötigte Gegenperspektive.

Zwischen den derberen Stücken stehen immer wieder auch die ruhigen, schwermütigen Momente, etwa das wunderschöne „BSR“. Und wenn Rayan von Blumengarten auf „Augen in der Nacht“ singt „Ich hab doch auch ein bisschen Angst da draußen“, können diese Augen auch mal feucht werden.

Kollektive Erfahrungen

Losheulen möchte man dann spätestens bei „Baba“, mit dem Apsilon seinen Vater ehrt. Dessen starker Rücken hätte auch ein wenig Schwäche zulassen sollen, „dann hätt’s ihn nicht kaputt gemacht“. Doch blieb ihm als Sohn sogenannter Gastarbeiter:innen nie eine Wahl. „Ich hab das auch, Baba. Ich kenn das auch, Baba“, singt schließlich ein ganzer Chor, dass es einem das Herz bricht.

Nach „Brustumfang“, dem härtesten Song auf dem Album, fasst der Refrain in „Friedensnobelpreis“ den zugrundeliegenden Schmerz von „Haut wie Pelz“ hymnenartig zusammen: „Meine Brüder wollen keinen Friedensnobelpreis, meine Brüder wollen nur Frieden am Block. Paar Blocks, paar Hektar, unsere Welt klein. Meine Schwestern wollen nur Frieden im Kopf“. Ein ergreifendes Resümee, auf das wie ein Epilog nur das Outro folgt.

Darin dröselt Apsilon noch einmal seine Familiengeschichte auf und zeigt, wie sich die Widerstände und Vorurteile, mit denen er zu kämpfen hat, seit Jahrzehnten durchziehen. Seine Großeltern seien „gekommen um zu gehen, nicht gekommen um zu leben“ – und dennoch gehört ihr Enkel heute zu den schärfsten Beobachtern und talentiertesten Textern im Land.

Apsilon legt mit „Haut wie Pelz“ den Finger tief in Deutschlands Wunden, aber er formuliert auch ein Bedürfnis, in dem sich letztlich alle einig sind: Frieden am Block, Frieden im Kopf.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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