Rätsel um Nord-Stream-Anschlag gelöst?: Was wir über die drei verdächtigen Taucher wissen

© dpa/Danish Defence Command, Facebook, freepik/ Gestaltung: Tagesspiegel

Rätsel um Nord-Stream-Anschlag gelöst?: Was wir über die drei verdächtigen Taucher wissen

Deutsche Ermittler suchen nach einem Ukrainer, der die Nord-Stream-Pipelines gesprengt haben soll. Er soll Teil eines Trios sein, das die Meerestiefe ganz genau kannte.

Von

Am 26. September 2022 wurden drei von vier Röhren der Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 in rund 80 Metern Tiefe am Grund der Ostsee zerstört. Durch die beiden Stränge von Nord Stream 1 war lange ein großer Teil des russischen Erdgases für Deutschland geliefert worden.

Fast zwei Jahre später hat der Generalbundesanwalt Jens Rommel jetzt einen Haftbefehl gegen einen Ukrainer erwirkt. Nach Recherchen von ARD, „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Zeit“ handelt es sich dabei um Wolodymyr Z., der sich zuletzt in Polen aufgehalten haben soll und inzwischen untergetaucht ist.

Zwei weitere ukrainische Staatsangehörige gelten den Recherchen nach ebenfalls als verdächtig. Möglicherweise brachten sie die Sprengladungen als Taucher an den Pipelines an. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft könnte das Trio Teil einer fünf- oder sechsköpfigen Jachtbesatzung gewesen sein, die den Unterwasseranschlag verübt haben soll.

1 Der Hauptverdächtige Wolodymyr Z.

Der ukrainische Tauchlehrer Wolodymyr Z. gilt laut den investigativen Medienrecherchen als Hauptverdächtiger im Ermittlungsverfahren, das der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage führt. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf eine Anfrage nicht äußern. Z. selbst streitet eine Beteiligung ab.

Wie die Ermittler auf ihn kamen? Laut den Recherchen saß Z. in einem weißen Citroën, der in der Nacht des 8. September 2022 bei Rügen geblitzt wurde und offenbar die Besatzung und das Tauchmaterial zur Jacht brachte. Das Blitzerfoto soll einen Mann zeigen, der Z. sein könnte.

Ein Facebook-Foto vom untergetauchten Tauchlehrer Wolodymyr Z.

© Facebook/ Bearbeitung: Tagesspiegel

Erhärtet wird der Verdacht durch Aussagen von Zeugen, die beschreiben, wie ein privater Fahrdienst eine Gruppe Ukrainer über Polen nach Deutschland brachte; auf einer Lichtbildvorlage soll Z. als Mitfahrer erkannt worden sein. Diese Indizien reichten für einen Haftbefehl.  

In den Recherchen wird Wolodymyr Z. als bulliger Mann mit Kinnbart beschrieben. Er stamme aus Kiew, wo er in der ukrainischen Armee diente, sei 44, verheiratet, habe eine Familie und wohne in einer ruhigen Wohngegend in Pruszków, einer Vorstadt südwestlich von Warschau. Er soll eine Ausbildung zum „Servicetechniker“ für Tauchausrüstungen absolviert haben und arbeitete in Pruszków als Partner in einem Betrieb, der Heizungen, Wärmepumpen und Klimaanlagen installiert.

Z. sei außerdem Tauchprofi mit zahlreichen Qualifikationen, etwa als Langstreckentaucher und Experte für die besonderen Atemgemische Nitrox und Trimix, die Erschöpfung reduzieren und besondere Tiefen ermöglichen. Ob er sich momentan wieder in der Ukraine aufhält? Ob er gewarnt wurde? All das ist momentan unklar.

2 Die Patriotin Switlana U.

Den Recherchen zufolge gehört zu dem Trio neben Wolodymyr Z. ein Ehepaar, das die Tauchschule „Scuba Family“ in der Ukraine betreibt, bei der Z. in der Vergangenheit als Tauchlehrer gearbeitet haben soll.

Das Paar selbst tauchte laut der Internetseite seiner Firma schon im Schwarzen und im Roten Meer, im Indischen Ozean, vor der Küste der Türkei, in Mexiko und Thailand. Die Firma bietet regelmäßig Tauchtouren ins Ausland an.

Die Karte zeigt den Verlauf von Nord Stream 1 und 2 in der südlichen Ostsee und die Lokalisierung der Lecks.

© AFP / NADINE EHRENBERG

Switlana U., 40, wird in den Recherchen als „kleine Frau mit dunklen Haaren“ beschrieben. Angesichts ihrer Social-Media-Aktivitäten wirkt sie wie eine ukrainische Patriotin. Kurz nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte, warb sie auf ihrem Facebook-Profil für Hilfsaktionen für die ukrainische Armee. Sie sammelte Geld für ein Wärmebildfernglas für die Soldaten.

Aktuell befindet sich die Ukrainerin in Kiew. Dem Journalistenteam sagte sie: „Im September 2022 war ich in Bulgarien im Urlaub.“ Über den Angriff auf Nord Stream wisse sie nichts. Einen Wolodymyr Z. kenne sie nicht.

3 Der Tauchprofi Jewhen U.

Ihr Mann Jewhen U. wird in den Medienberichten als 44-Jähriger „mit blasser Haut und schütterem Haar“ beschrieben. Schon in seiner Kindheit, so schreibt er auf der Internetseite der Tauchschule, habe er vor der Küste der Krim getaucht.

Auf der Seite listet er außerdem seine 24 Spezialqualifikationen auf: Er darf sich unter anderem „Open Water Scuba Instructor“ nennen, „Deep Diver Instructor“ und „Tec Trimix Diver“, eine Qualifikation für Extremtaucher, die mit einem besonderen Atemgemisch aus Sauerstoff, Helium und Stickstoff bis zu 90 Meter tief kommen. Zweifellos ist er ein Profi.

Kurz nach Beginn des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine veröffentlichte die Tauchschule einen Post auf Facebook: „Wir, die gesamte @scuba_family, tun alles Mögliche und Unmögliche für unseren Sieg. Wir kämpfen gegen den Feind, sammeln Geld (…), melden uns freiwillig (…), kämpfen online und offline.“ Und zum Schluss: „Ruhm der Ukraine! Heil den Helden! Tod den Feinden!“

Jewhen U. sammelte ebenfalls Spenden für „Ausrüstung und Munition“. Er antwortete nicht auf die schriftliche Medienanfrage, ob er etwas mit dem Anschlag zu tun habe.

Zur Startseite

  • Energiekrise
  • Unsere Themenseite zum russischen Angriffskrieg

showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:falseshowPaywallPiano:false

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Comments (0)
Add Comment