Von „Kaputtsparen“ kann keine Rede sein: Warum die Schuldenbremse bleiben muss

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Von „Kaputtsparen“ kann keine Rede sein: Warum die Schuldenbremse bleiben muss

Der Ökonom Niklas Potrafke kritisiert die Rhetorik in der Debatte um die Fiskalpolitik: Nichts werde in Deutschland „kaputt gespart“ – und „Sondervermögen“ seien nichts Positives.

Ein Gastbeitrag von Niklas Potrafke

Über die deutsche Finanzpolitik wird gegenwärtig munter diskutiert. Es geht drunter und drüber: Schuldenbremse, Sondervermögen, vermeintliches Kaputtsparen und so weiter. Der Debatte würde etwas Struktur guttun.

Die Schuldenbremse ist eine kluge Institution. Sie hält Politiker an, sorgfältig zu prüfen, wofür Geld ausgegeben werden soll und wofür nicht. Die Schuldenbremse sorgt dafür, dass die Politiker Prioritäten setzen müssen. Fiskalregeln wie die deutsche Schuldenbremse gibt es, weil die Politiker einen großen Drang zum Gegenwartskonsum und ein Selbstbindungsproblem haben.

Für Regierungen ist es bequem, heute kräftig Geld auszugeben, um bei den Wählern durch Transferzahlungen und attraktive öffentliche Leistungen zu punkten. Noch bequemer ist, diese Transferzahlungen und öffentliche Leistungen durch Schulden zu finanzieren.

Die Scherben müssen zukünftige Regierungen zusammenkehren

Das Versprechen, in der Zukunft Entbehrungen in Kauf zu nehmen und die Schulden zurückzuzahlen, ist für heute regierende Politiker leicht gemacht. Doch ist dieses Versprechen oft nichts wert, denn wenn getilgt werden soll, sind die heute regierenden Politiker kaum noch im Amt.

Die politischen Scherben müssen zukünftige Regierungen zusammenkehren. Bezahlt werden die heute angenehmen Vorhaben von zukünftigen Generationen. Damit das nicht in einem ausufernden Maße passiert, gibt es Fiskalregeln wie die Schuldenbremse.

In wirtschaftswissenschaftlichen Studien wird die Wirkung von Fiskalregeln wie der deutschen Schuldenbremse untersucht. Diese Studien zeigen beispielsweise, dass Länder mit in der Verfassung verankerten Fiskalregeln ein höheres Wirtschaftswachstum haben als Länder ohne in der Verfassung verankerte Fiskalregeln.

Es gibt auch gute Gründe für Schulden

Außerdem reduzieren Fiskalregeln die Risikoprämien auf Staatsanleihen. Das bedeutet: Staaten mit Fiskalregeln können sich für geringere Kosten verschulden als Staaten ohne Fiskalregeln.

Es gibt gute Gründe für Schulden. Beispielsweise in außergewöhnlichen Notsituationen, wie wir es während der Corona-Pandemie erlebt hatten. In solchen außergewöhnlichen Notsituationen sollte der Staat mit durch Schulden finanzierten Ausgaben Wirtschaft und Gesellschaft helfen können.

Für Schulden muss der Staat Zinsen zahlen. Auch das vergessen die Gegner der Schuldenbremse oft. 

Niklas Potrafke, ifo-Ökonom

Eine gern von den Gegnern der Fiskalregeln vorgetragene Behauptung ist, dass Fiskalregeln wie die Schuldenbremse öffentliche Investitionen verdrängen würden. Die empirische Evidenz legt das nicht nahe. Wenn Deutschland weiter von den vielen positiven Wirkungen von Fiskalregeln profitieren möchte, dann sollte die Schuldenbremse dringend erhalten und eingehalten werden – so wie sie ist.

Für Schulden muss der Staat Zinsen zahlen. Auch das vergessen die Gegner der Schuldenbremse oft. Der Bund zahlt gegenwärtig rund 40 Milliarden Euro an Zinsen pro Jahr. Dieses Geld für Zinsen ist weg, es fehlt für andere Vorhaben. Anstatt Zinsen zu zahlen, könnte der Staat beispielsweise in Schulen, Straßen und die Landesverteidigung investieren.

Absurd ist die Debatte über das „Kaputtsparen“. Unter Sparen wird in der Bevölkerung verstanden, dass man weniger ausgibt, als man einnimmt. Dass also Geld übrigbleibt, das gespart werden kann. Das macht der deutsche Staat aber überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Der Staat – der Bund wie die Bundesländer – gibt Jahr für Jahr etwas mehr aus, als er einnimmt.

Auch „Sondervermögen“ sind nichts anderes als Schulden

Die Rhetorik vom vermeintlichen Kaputtsparen ist gefährlich: So fangen die Leute noch an zu glauben, dass wir tatsächlich mehr einnehmen würden, als wir ausgeben, oder einzelne Budgetkomponenten absolut reduzieren würden.

In Mode gekommen ist, die Schuldenbremse durch sogenannte Sondervermögen umgehen zu wollen. Auch der Begriff „Sondervermögen“ ist irreführend: Mit Vermögen verbindet die Bevölkerung etwas Positives. Dabei sind die diskutierten Sondervermögen nichts weiter als Schulden.

Wir stellen nicht ausreichend Mittel für Infrastruktur, Bildung und Landesverteidigung bereit.

Niklas Potrafke, ifo-Ökonom

Im Gegensatz zu Schulden im Kernhaushalt führen die über Sondervermögen gebildeten Schulden zu Intransparenz. Die Bevölkerung durchschaut die Schulden durch Sondervermögen kaum, die Schulden des Staates werden so verschleiert. Ausgaben und Einnahmen inklusive Schulden gehören in den Kernhaushalt.

Sondervermögen auf Bundesebene müssen mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag beschlossen werden, weil sie Verfassungsänderungen erfordern. Die Ampel hat aber keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und würde für Sondervermögen deshalb Unterstützung von der Union benötigen.

Ist Deutschland in der Finanzpolitik also bestens aufgestellt um die zukünftigen Herausforderungen rund um Klimawandel, demografischen Wandel, Digitalisierung et cetera zu bewerkstelligen? Nein, weil wir nicht ausreichend Mittel für Infrastruktur, Bildung, Landesverteidigung und so weiter bereitstellen.

Diese Mittel hätten wir. Schulden brauchen wir dafür nicht. Stoppen müssten wir den massiven Anstieg der konsumtiven Ausgaben – Subventionen an Unternehmen und die erdrückend wachsenden Zuschüsse in die Sozialversicherungssysteme.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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