Heiße TV-Debatte? Höcke und Voigt liefern sich verrücktes Duell bei Thüringer Wahl

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Wahldebatte mit Thüringer Spitzenkandidaten: Höcke gegen Voigt – so chaotisch verlief das TV-Duell

Sendezeit überzogen, Akustik teils unverständlich – und viele rechte Parolen: Beim Wahlduell zwischen Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) geht vieles schief. Eine Analyse.

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Die einen fanden das Format mutig, andere warnten massiv vor einer Werbeshow für AfD-Politiker Björn Höcke, der die Spitzenposition seiner Partei in den Umfragen weiter ausbauen würde. Zur besten Sendezeit liefert er sich bei „Welt TV“ am Donnerstagabend gegen den Thüringer CDU-Politiker Mario Voigt einen heftigen Schlagabtausch.

Voigt hatte sich vorgenommen, den Rechtsaußen „inhaltlich zu stellen“. Hat das Format funktioniert? Das Wesentliche zum Duell hier im Überblick:

Worum ging es in diesem Duell eigentlich? Eine Bundestagswahl? Das EU-Parlament? Gerade in der ersten Hälfte ist kaum nachzuvollziehen, warum hier zwei thüringische Kandidaten vor der Kamera stehen. Beide Spitzenkandidaten spulen Statements pro und kontra EU ab. Höcke spricht von Zentralismus, bezeichnet Voigt mehrfach als „Wohlstandsvernichter“. Gemeinsamer Markt ja, EU nein, so Höckes Position.

Sicher, das ist der Themensetzung der Moderatoren und der Vorgeschichte des Duells geschuldet: Die EU ist als Thema angekündigt. Aber beide Kandidaten scheinen vergessen zu haben, für welches Land sie eigentlich gerade Wahlkampf betreiben. Thüringische Wirtschaft, Infrastruktur, Bildung – all das kommt wenig bis gar nicht vor an diesem Abend.

So plädiert Höcke dafür, deutsche Entwicklungshilfe „massiv zusammenstreichen“. Nicht überraschend, aber eben auch außerhalb jeder Zuständigkeit eines thüringischen Politikers. Voigt kontert mit Parolen, etwa: „Jeder, der arbeiten kann, muss arbeiten.“ Und: „Leistung muss sich lohnen.“

Eine Waffe beider Politiker: das Wort „Faktencheck“. Davon stehen bald drei im Raum. Einer der „Welt“ und jeweils einer in jedem Politiker-Lager. Allein das zeigt: Hier geht es weniger um Argumente, als um die Deutungshoheit über Wahrheit und Realität.

Björn Höcke (AfD, 2. v. r) und Mario Voigt (CDU, r,), Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen.

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Aufschlussreicher wird es in der zweiten Hälfte. Da plädiert Voigt für gut qualifizierte Fachkräfte, Höcke für mehr deutsche Kinder und dafür, ausgewanderte Deutsche aus dem Ausland zurückzuholen. Der AfD-Politiker nennt das „Remigration“, ein Begriff, der im Zusammenhang mit einem Strategietreffen Rechtsextremer in Potsdam steht. Dabei ging es laut Recherche-Netzwerk „Correctiv“ um die millionenfache Ausweisung von Menschen, auch solcher mit deutschem Pass.

Höcke tut nun so, als meine er lediglich ausgewanderte Deutsche. Als Moderator Jan Philipp Burgard nachhakt und Höcke mit inhaltlich korrespondierenden Aussagen in dessen eigenem Buch konfrontiert, will sich der AfD-Kandidat nicht erinnern können, was er geschrieben hat.

Wie haben sich die Moderatoren geschlagen?

Freundlich formuliert: Das Konzept Doppelmoderation ist nicht aufgegangen. Allzu häufig reden beide Moderatoren gleichzeitig, sodass niemand mehr zu verstehen ist. Das Team wirkte unabgestimmt, schafft es wiederholt nicht, sich durchzusetzen, wenn sich Höcke in Rage geredet hat.

Ein Moment illustriert das Chaos besonders gut: Eigentlich sollte das Format eine Dreiviertelstunde dauern. Letztlich überzogen die Moderatoren um eine weitere halbe Stunde, also um zwei Drittel der Sendezeit, und kommentieren am Ende lapidar, nun sei man schon so lange drüber, jetzt sei es auch egal. Professionell wirkt das nicht.

Tatjana Ohm, Welt-TV-Chefmoderatorin und Jan Philipp Burgard, Welt-TV Chefredakteur, moderierten die Debatte.

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Welches Bild hat Björn Höcke abgegeben?

Als Höcke seinen Kontrahenten gerade zu Beginn viel unterbricht, kontert Voigt: „Sie müssen nicht nervös sein.“ Der CDU-Mann hat einen Punkt. Höcke wirkt fahriger als der Christdemokrat, sein Mienenspiel wechselt sekündlich, immer wieder stützt Höcke seinen Kopf.

Schon nach zehn Minuten fällt der erste problematische Begriff: Höcke spricht mit Blick auf die EU von „Gleichschaltung“, ein Begriff, der im Nationalsozialismus für die Unterdrückung von Andersdenkenden, etwa von Opposition und Vereinen, bezeichnet wurde.

Immer wieder nehmen die Moderatoren Höcke in die Zange, pochen auf Antworten wenn Höcke ausweicht. Dadurch wirkt es allerdings bisweilen so, als stünden hier drei gegen einen. Ein Bild, mit dem der ein oder andere AfD-Wähler sympathisieren dürfte, egal, wie unsouverän Höcke dabei wirkt.

Wie trat Mario Voigt auf?

Man muss dem CDU-Spitzenkandidaten lassen, dass er ruhiger und sachlicher rüberkommt als sein politischer Gegner. Hier und da lässt er geschickt Charakterisierungen fallen, etwa, er müsse Höcke keinen Faschisten nennen, das habe ja schon ein Gericht getan. Gerade zum Ende hin hat Voigt Oberwasser.

Allerdings bringt der CDU-Politiker regelmäßig Phrasen, die bisweilen hölzern klingen und manchmal Höcke wohl rechts überholen sollen, etwa wenn Voigt für „Null illegale Migration in Deutschland“ plädiert oder behauptet, er wisse von Kindergartenplätzen, die für „Ausländer“ reserviert seien, sodass deutsche Kinder keinen Platz bekämen.

Zwischendurch attackiert Voigt Höcke verbal, nennt ihn „Reichskanzler“ und spricht von einem „Nazischloss in Schnellroda“. Dort, in Sachsen-Anhalt, befindet sich das sogenannte „Institut für Staatspolitik“, das als Denkfabrik der Neuen Rechten gilt.

Fazit: Einiges geht im Chaos unter, aber: Nach diesem Duell kann niemand ernsthaft behaupten, er wisse nicht, wofür der AfD-Kandidat stehe. Besonders deutlich wird das beim Punkt Erinnerungskultur. Höcke versucht – ein Klassiker – seine Herabwürdigung „Denkmal der Schande“ mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin als Missverständnis darzustellen, ebenso wie seine Forderung nach einer 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur.

Zwar spricht Höcke mit Blick auf die Shoah vom „Zivilisationsbruch“, um dann aber umgehend zu betonen, es brauche eine positive, deutsche Identität. „Mit einer negativen Identität kann man die Zukunft nicht gewinnen“, so Höcke. Er wolle die „Lichtseiten der deutschen Geschichte“ in den Mittelpunkt rücken, eine „gesunde Identität“, einen „vitalen Patriotismus“. Der Holocaust rückt in dieser Vorstellung an den Rand. Höcke macht klar, wes Geistes Kind er ist.

Und nein, so beteuert der AfD-Kandidat, er habe nicht gewusst, dass die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland“ hierzulande verboten sei. Moderator Burgard kontert: „Es war die zentrale Losung der SA und Sie sind Geschichtslehrer, Herr Höcke.“ Der behauptet: „Das ist ein Allerweltsspruch.“ Das mag glauben, wer will.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Comments (6)
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  • Franziska123

    Warum diskutieren sie über die EU, wenn sie eigentlich für Thüringen werben sollten? Hat das Format versagt?

    • Thomas92

      Vielen Dank für Ihren Kommentar, Franziska123. Die Diskussion über die EU in einer Thüringer Wahldebatte wirkt tatsächlich unpassend. Das Format hat definitiv seine Schwächen gezeigt und die Fokussierung auf Thüringer Angelegenheiten wäre wohl angebrachter gewesen.

  • AndreaMüller

    Das TV-Duell zwischen Höcke und Voigt war ein chaotisches Durcheinander. Die Akustik war unverständlich, die rechten Parolen überwogen. Es bleibt fraglich, ob das Format tatsächlich zur politischen Diskussion beigetragen hat.

  • Anna Mueller

    Das TV-Duell zwischen Höcke und Voigt war eine Enttäuschung. Die Sendezeit wurde überzogen, die Akustik war unverständlich und rechte Parolen dominierten. Höcke sprach von Zentralismus und bezeichnete Voigt als „Wohlstandsvernichter“. Es wirkte eher wie eine Werbeshow für die AfD als eine ernsthafte politische Diskussion.

  • Lena92

    Warum diskutieren die Kandidaten über die EU und nicht über Thüringen? Ist das wirklich relevant für die anstehende Wahl?

  • FranziskaMüller

    Die Wahldebatte zwischen Höcke und Voigt war wirklich chaotisch. Es ist bedauerlich, dass das Duell hauptsächlich von rechten Parolen geprägt war. Es scheint, als hätten beide Kandidaten den Fokus auf die eigentlichen Themen verloren. Eine verpasste Chance für konstruktive Diskussionen.