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Antisemitismus beim Dyke* March-Soliabend: Manche Traditionen gehören abgeschafft
Jüdische Sichtbarkeit als „Provokation“ zu beschreiben und Jüd*innen deshalb anzugreifen, ist in Berlin nichts Neues. Leider auch nicht in der lesbisch-queeren Szene.
Eine Kolumne von
Lesbenwoche 1985: Die Luft brennt. Jüd*innen sind in diesem Jahr Teil der Veranstaltung. Sichtbar mit ihren eigenen Themen. Wie es auch andere Lesben mit „Mehrfachzugehörigkeit“ sind. Die Proll-Lesben, die Krüppel-Lesben oder migrantische Lesben: Sie alle gestalten die Lesbenwoche mit ihren Themen mit.
Aber es sind die jüdischen Frauen – der lesbisch feministische Schabbeskreis – die für Aufruhr sorgt. Allein ihre Anwesenheit wird als aggressive Provokation wahrgenommen. Die ehemaligen Mitglieder beschreiben eine Explosion: Teilnehmer*innen seien über sie hergefallen, begegneten ihnen mit Feindseligkeit und Empörung, Rage, brutalen Worten und dann Vorwürfen.
Sie würden die Lesbenwoche mit ihrer vermeintlichen Provokation für alle zerstören oder die Lesbenbewegung als ganzes oder sind für das Leid in der Welt verantwortlich.
Dyke* March 2024: Bei der Soli-Party in der Möbel Olfe wird eine Gruppe jüdischer Menschen sichtbar. Sie haben eine Regenbogenfahne mit Davidstern – das Symbol für queere Jüd*innen. Sie haben ein Schild: „Safe Table for Jews and Israelis“. Die Situation eskaliert. Sie werden beschimpft und beleidigt. Der Abend muss aufgelöst werden.
Ihnen wird vorgeworfen, mit ihrer „Provokation“ – sprich ihrer Anwesenheit – den Abend für alle ruiniert zu haben. Die Dyke* March-Orga distanziert sich nicht von den zutiefst antisemitischen Beleidigungen oder bedauert die bedrohliche Situation, in der viele über wenige herfallen. Stattdessen sprechen sie von „Manipulation“ und meinen damit die Jüd*innen. Sie sprechen davon, dass diese Jüd*innen den Dyke* March spalten und schaden wollen.
Sie verurteilen die „politische Aktion“, die von den Jüd*innen ausging, die angeblich den Abend für sich beansprucht hätten. Mit einem einzigen Tisch in der großen Möbel Olfe wohlgemerkt.
Der Dyke March, eine politische Demo für lesbische Sichtbarkeit, verurteilt die Sichtbarkeit jüdischer Lesben. Verurteilt politische Aktionen, nachdem mit Flyern für den Abend geworben worden war, auf denen die Dreiecke am Möbel Olfe-Schild rot eingefärbt waren.
Antisemitische Eskalationen in lesbenbewegten Kontexten: Manche Traditionen sollte man wirklich nicht beibehalten.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de