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Arroganz und Ignoranz: Die Legende vom Ponyhof

Arroganz und Ignoranz: Die Legende vom Ponyhof

© dpa/Arne Dedert

Arroganz und Ignoranz: Die Legende vom Ponyhof

Unsere Kolumnistin fühlte sich als Jüdin in Berlin oft bedroht. Umso weniger kann sie verstehen, dass die Stadt als jüdischer Ponyhof Deutschlands gilt.

Eine Kolumne von

Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich von jüdischen Expats aus den USA gehört habe: „Deutschland ist der sicherste Ort für Jüd*innen“ Gelegentlich betonen auch israelische Jüd*innen, dass für sie kaum ein Ort so sicher sei wie Deutschland. Es endet immer mit der Behauptung: „Hier hat man seine Vergangenheit aufgearbeitet“.

Fast immer höre ich dies von Menschen, die gerade in Berlin leben. Und da fängt es schon an: Berlin ist nicht Deutschland, und Berlin nicht gleich Berlin. Mein Leben in Lichtenberg war die antisemitische Hölle. Was mich am Satz über das angeblich so sichere Deutschland aber vor allem zur Weißglut bringt: Er bildet die Essenz Berliner Expat-Bubbles, die in ihrer Arroganz einfach ignorieren, was Jüd*innen, die hier aufgewachsen sind, dazu zu sagen haben.

Sie erklären damit die Stimmen von Jüd*innen, die hier aufgewachsen sind, die die Kultur und den spezifischen Subtext verstehen, für irrelevant. Sie erzählen ein Märchen von Sicherheit und Aufarbeitung weiter, das den Zu- und Missständen widerspricht, auf die Jüd*innen, die hier aufgewachsen sind, nachdrücklich und manchmal verzweifelt aufmerksam machen.

Der Soziologe Michal Bodemann nennt diese „Aufarbeitung“ nicht ohne Grund „Gedächtnistheater“ und der Autor Max Czollek „Versöhnungstheater“. Sie führt dazu führt, dass alle, wirklich alle meiner erwachsenen, nicht-jüdischen Workshop-Teilnehmer auf die Frage „Wo habt ihr etwas über das Judentum gelernt?“ die Schule angeben und das Gelernte mit der Anzahl jüdischer Holocaust-Opfer, KZs und antijüdischer Gesetzte wiedergeben. Sie sehen sich außerstande, zu erkennen, dass es sich dabei vor allem um ein Wissen von den Verbrechen der Deutschen handelt.

Und wie verhält es sich mit der Sicherheit? Soll damit die Sicherheit gemeint sein, dass wir bereits in der Grundschule mit antisemitischen Beleidigungen aufgewachsen sind? Die Sicherheit, mit der permanent jüdische Friedhöfe geschändet und Synagogen angegriffen werden? Und die Gewissheit, dass wir rotzdem um jedes bisschen Polizeischutz betteln müssen, der in anderen europäischen Ländern selbstverständlich ist? Es hilft alles nichts: Der Mythos von Berlin als jüdischem Ponyhof Deutschlands hält sich hartnäckig.

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  • Schlamasseltov

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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