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Der Frust des FDP-Chefs mit der SPD: Was hinter Lindners Etat-Provokation steckt
Im ZDF-Sommerinterview arbeitet sich der Bundesfinanzminister an den Sozialdemokraten ab. Und zieht eine rote Linie im Haushaltsstreit.
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Streit um den Bundeshaushalt 2025 – und kein Ende. Das Sommertheater der Ampel bestimmt auch das Sommerinterview mit dem Bundesfinanzminister im ZDF. Wobei sich der Eindruck verfestigt, dass es ein Streit vor allem zwischen FDP und SPD ist. Denn Christian Lindner arbeitet sich vor allem an den Sozialdemokraten ab.
Lindner und die Seinen positionieren sich seit Tagen gegen das Kanzleramt, wenn es um das Füllen der Etatlücke in Höhe von 17 Milliarden Euro geht. Oder gegen Entwicklungsministerin Svenja Schulze, weil die FDP dort ein hohes Sparpotenzial ausgemacht hat. Und gegen die Sozialdemokraten insgesamt, indem sie mit Vorliebe Kürzungen im Sozialen fordert, also in dem Bereich, den die SPD als Herzstück ihrer Politik empfindet.
Lindner hatte am vorigen Donnerstag die beiden Gutachten vorgelegt, welche klären sollten, ob die vor allem vom Kanzleramt vorgeschlagenen Maßnahmen zum Füllen der Etatlücke verfassungsrechtlich und ökonomisch in Ordnung sind. Linder sieht seine Zweifel bestätigt, dass die Ampel sich nicht viel Luft verschaffen kann, indem sie Zuschüsse aus dem Haushalt an die Deutsche Bahn und die Autobahngesellschaft des Bundes in kreditfinanzierte Darlehen umwandelt.
Zwar ist das juristische Gutachten hier offener, das des Wissenschaftler-Beirats des Finanzministeriums dagegen strenger. Klar ist nur, dass das Zurückholen von Geld, das der Bund für die Auszahlung der Gaspreissubventionen im vorigen Jahr an die Kreditanstalt für Wiederaufbau gegeben hat und das nicht benötigt wurde, wohl unmöglich ist.
Und zwar wegen des Karlsruher Schuldenbremsen-Urteils vom vorigen November, das damals die Koalition in ihren Grundfesten erschüttert hat. Den Nachtragsetat für 2021, den das Urteil betraf, hatte Lindner von seinem Vorgänger im Amt, also Olaf Scholz, quasi geerbt. Aber er hatte mitgemacht.
Am Sonntag wird Lindner hier sehr deutlich: „Das passiert mir kein zweites Mal.“ Er habe sich einmal auf einen Koalitionskompromiss eingelassen, „der wacklig war und der von Karlsruhe verworfen worden ist“, sagt er im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.
Will heißen: Lindner will sich als Minister darstellen, der aus Schaden klug geworden ist. Im Gegensatz zu SPD und Grünen, die weiter mit Maßnahmen hantieren, die in Karlsruhe scheitern könnten.
Konflikt mit Mützenich
Andererseits nimmt Lindner auch ein bisschen Schärfe aus dem Streit. Die SPD hatte er zuletzt vor allem mit seinem Versuch gegen sich aufgebracht, den Streit in den Bundestag zu ziehen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte Lindner daraufhin unverantwortlich. Es sei im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative einmalig, wenn ein Mitglied der Bundesregierung „die alleinige Verantwortung“ bei der Haushaltsaufstellung an das Parlament delegiere, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich erwarte, dass die Regierung beim neuen Haushalt zu einer kompetenten und einvernehmlichen Entscheidung kommt.“
Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte in unserem Land.
Christian Lindner, Bundesfinanzminister, auf die Frage, wo die FDP eine rote Linie zieht.
Nun sagt Lindner, man werde erst einmal innerhalb der Bundesregierung darüber sprechen, bevor der Etatentwurf in den Bundestag gehe. So war es auch immer vorgesehen. Das Kabinett sollte auf der Grundlage der Gutachten entscheiden, ob und wie die Etatlücke um acht bis neun Milliarden Euro verringert werden kann. Dann sollte der Regierungsentwurf dem Bundestag zugeleitet werden. Als Tag wurde der 14. August genannt.
Und die Summe, um die es geht? Lindner nennt nun fünf Milliarden Euro, die noch strittig seien. Was die Finanzierung betrifft, zieht er eine rote Linie: „Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte in unserem Land.“ Und stichelt dann doch noch einmal gegen den Kanzler. Mit dem Verweis auf den in Karlsruhe gescheiterten Etat, „wo sozialdemokratische Finanzpolitik umgesetzt worden ist“.
Wie er Olaf Scholz heute sehe, wird Lindner gefragt. Er habe ihn in den vergangenen zweieinhalb Jahren sicher einschätzen gelernt, lautet die Antwort. „Er ist auch Sozialdemokrat und kein Freier Demokrat.“ Sollte der FDP-Chef sich tatsächlich einmal in der Einschätzung von Scholz geirrt haben?
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de