© Frederik Hanssen
Die Pläne der Deutschen Oper Berlin: Wenn Tränen fließen in der Bismarckstraße
Wie mache ich Menschen neugierig auf das, was ich künstlerisch vorhabe? Die Saison-Vorschau der Deutschen Oper für 2024/25 zeigt mustergültig, wie es geht.
Eine Kolumne von
Die Opernhäuser landauf, landab geben sich ja eine wahnsinnige Mühe bei der Gestaltung ihrer Vorschau-Hefte. Viele sind wahre Designkunstwerke, einige erreichen fast schon den Umfang von Folianten. Und dennoch haben sie immer auch diesen Telefonbuch-Touch: schließlich wollen die Namen der Komponisten und Librettisten genannt sein, sowie all jene, die inszenieren und dirigieren, die das Bühnenbild entwerfen und die Kostüme, die für das rechte Licht zuständig sind, den Chor vorbereiten, und abends auf der Bühne singen. Um uns zu Tränen zu rühren.
Namedropping allein nützt nichts
Der Kenner blättert Seite für Seite durch, nickt hier anerkennend, schüttelt dort verwundert mit dem Kopf – und hat immer einen Stift zur Hand, um sich Produktionen anzustreichen, die er in der kommenden Spielzeit auf keinen Fall verpassen will. Die Sopranistin X in der Rolle der Y! Der A dirigiert endlich wieder die Oper B oder erstmals das Musikdrama C!
Für Menschen, die sich zwar generell für die Kunstform interessieren, aber keine Spezialisten sind, bringt das geballte Namedropping natürlich wenig. Sie brauchen erst einmal Basisinformationen über die Stücke, die gespielt werden. Und da ist die Saison-Vorschau der Deutschen Oper für 2024/25 ein Paradebeispiel, wie man ein Heft im vollen Wortsinn einladend gestalten kann.
Da ist zum Beispiel der historische Hintergrundbericht zu Ottorino Respighis „La Fiamma“, die 1934 bei der Uraufführung in Rom auch den Beifall des Duce fand, dann in Vergessenheit geriet und jetzt an der Bismarckstraße wiederentdeckt wird. Oder der Artikel über die Vorbereitungen zu Benedikt von Peters Inszenierung von Kurt Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, bei der das komplette Haus bespielt werden soll.
Außerdem kommen der scheidende Intendant Dietmar Schwarz und Generalmusikdirektor Donald Runnicles in sehr persönlichen Interviews zu Wort. Mein Favorit aber ist der Artikel von Chefdramaturg Jörg Königsdorf zum Thema Weinen in der Oper. „Das Schauspiel scheint ja den Versuch aufgegeben zu haben, die Herzen des Publikums zu erreichen“, konstatiert er. „Die Oper jedoch zielt nach wie vor darauf, Menschen in ihrer Gesamtheit anzusprechen.“
Wenn auf der Bühne gesungen wird, so Königsdorf, gelte eben die Regel: „Weghören geht nicht, wegfühlen schon gar nicht.“ Und dann dürfen gerne auch Tränen fließen. So formt sich im Dunkel des Zuschauerraums im Idealfall einer Ansammlung wildfremder Menschen zur emotionalen Gemeinschaft: „Es entsteht ein Wir-Gefühl – zärtlich, emphatisch, flüchtig.“
Pack‘ die Taschentücher ein, nimmt dein kleines Schwesterlein und dann nichts wie rein in die Oper!
Zur Startseite
- Der Klassiker
- Klassik
showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de