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Freigekommener Deutscher berichtet von Haft: „Russen sind unglaublich herzliche Menschen, Putin vermittelt ein falsches Bild“
Patrick Schöbel war einer derjenigen, die im Austausch mit Russland freikamen. Er berichtet von kargen Haftbedingungen, aber herzlichen Mithäftlingen.
Patrick Schöbel wurde bei seiner Einreise nach Russland festgenommen, weil er sechs Cannabis-Gummibärchen im Gepäck hatte. Dafür drohten ihm bis zu sieben Jahre Haft. Dann wurde er allerdings im Zuge des Gefangenenaustausches mit Russland freigelassen. Im Interview mit dem „Stern“ berichtet er von den Verhältnissen in russischen Gefängnissen.
Morgens werde man dort mit der russischen Nationalhymne geweckt und müsse mit freiem Oberkörper zur Inspektion antreten. Zu Sechst seien sie in einem fünf mal fünf Meter großen, videoüberwachten Raum mit Stahlbetten eingesperrt gewesen. „Die Matratze war kaum mehr als eine Decke, unbequem ist gar kein Ausdruck“, so Schöbel.
Zum Frühstück habe es jeden Tag Porridge gegeben, Mittags „warme Pampe aus Nudeln oder Kartoffeln“ und abends Kohl. Das Essen sei stets so durchgekocht gewesen, dass man dafür keine Zähne brauche, denn viele hätten keine mehr gehabt.
Den ersten Harry-Potter-Band las er 35 Mal
Einmal die Woche hätten sie duschen dürfen. Kartenspielen war verboten. Zu lesen hatte er nur zwei Bücher: Den ersten Band von Harry Potter habe er 35 Mal durchgelesen, erinnert sich der Ex-Häftling, der von seinen Mithäftlingen nur „Gummibärchen-Mann“ genannt wurde.
Mehrfach hätten Anwerber des Militärs den Gefangenen einen Deal angeboten: Erlassung der Haftstrafe gegen ein Jahr Frontdienst. Schöbel habe mehrfach abgelehnt.
Genommen habe man dabei jeden, auch Drogenabhängige, die kaum mehr laufen konnten: „Russland holt Junkies aus dem Gefängnis und schickt sie als Kanonenfutter an die Front“, berichtet Schöbel.
„Russen sind unglaublich tolle, herzliche Menschen“
Allerdings weiß er auch Positives zu berichten. „Die anderen Häftlinge waren unglaublich nett zu mir. Sie gaben mir direkt eine Zahnbürste und Klopapier. Denn vom Gefängnis selbst bekommt man gar nichts“, berichtet Schöbel.
Die meisten russischen Häftlinge würden von ihren Familien mit Pakete mit Essen, Hygieneartikel und anderen Utensilien versorgt. „Bald wussten alle, dass ich in Russland keine Familie habe, die mir Pakete schicken kann, und haben mich immer mitversorgt“, so Schöbel.
Russen seien „unglaublich tolle, herzliche Menschen“, doch Putin vermittle „der Welt gerade ein Bild, das ihnen nicht gerecht wird“. Aber das „System in Russland ist ‘pisdez’. Beschissen“ sagt Schöbel.
„Moin Herr Scholz. Danke für Ihre Hilfe!“
Von dem Austausch erfuhr Schöbel erst in letzter Minute. Noch im Flugzeug befürchtete er, in eine Strafkolonie verlegt zu werden. Obwohl er für den Austausch natürlich sehr dankbar sei, könne er auch die Kritik daran verstehen.
Putins Botschaft dabei sei klar geworden, so Schöbel: „Ich kriege euch überall. Und wenn ich meine Auftragskiller danach wiederhaben will, schnappe ich mir eben ein paar Deutsche“.
Wieder auf deutschem Boden begrüßte er den Kanzler auf dem Rollfeld lapidar mit den Worten: „Moin, Herr Scholz. Danke für Ihre Hilfe!“ Schließlich sei dieser ja, wie auch er selbst, Hamburger. (Trf)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de