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Hurrikane in den Tropen: Wenn das Wetter zur tödlichen Gefahr wird
Hurrikan Beryl fegte ungewöhnlich früh und heftig über die Karibik und die USA. Doch vielleicht ist der Wirbelsturm nur der Auftakt zu einer noch nicht da gewesenen Hurrikansaison.
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Ende Juni bildete sich im Südosten der Karibik Hurrikan Beryl. Er rauschte über mehrere Inseln der Antillen hinweg und traf an der mexikanischen Halbinsel Yucatán auf Festland. Noch nie hatte sich die Keimzelle solcher Stürme so weit östlich gebildet, nie zuvor ist ein Hurrikan dieser Wucht so früh in der Saison registriert worden.
1 Der Rekordbrecher
Man kann einen Hurrikan erkennen, lange bevor er seine volle Stärke erreicht. Da gibt es keine Überraschungen, so gut ist das Informationsnetz ausgebaut, das die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zum Schutz der US-Küsten seit mehr als hundert Jahren betreibt. Deshalb löste es kaum Verwunderung aus, als am 27. Juni eine der üblichen tropischen Wetterlagen weit draußen auf dem Atlantik die eigentümliche Spiralbewegung eines Hurrikans zu zeigen begann.
Was die Meteorologen jedoch stutzig machte: Noch nie hatte sich die Keimzelle solcher Stürme so weit östlich gebildet. Erstaunlich war auch die Rasanz der Entwicklung. „Beryl“ wuchs in wenigen Tagen zu einem Hurrikan der stärksten Kategorie 5 heran. Als er am 1. Juli über die Antillen hinwegfegte – noch mit Kategorie 4 –, hinterließ er schwere Verwüstungen: riss Häuser auseinander und warf Schiffe aufs Trockene – und brach den nächsten Rekord: Nie zuvor ist ein Hurrikan dieser Wucht so früh in der Saison registriert worden.
Ein in Freeport, Texas, durch Hurrikan Beryl zerstörter Steg. Experten erwarten noch mehr verheerende Hurrikane für diesen Sommer.
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2 Es brodelt
Als Ursache für Beryls Auftakt zur Hurrikan-Saison, die am 1. Juni beginnt und Mitte September ihren Höhepunkt erreicht, machen Experten die überdurchschnittlich hohe Wassertemperatur im östlichen Atlantik sowie in der Karibik verantwortlich. Der Klimawandel „bringt einen Sturm wie Beryl nicht hervor“, sagt Brian McNoldy von der University of Miami, „aber er unterstützt ihn.“
Will sagen: Die vom Menschen verursachte Erderwärmung führt zu Anomalien in der Statistik solcher Wetterphänomene, die es weder so früh im Jahr noch so heftig noch an diesem Ort geben sollte. Der Ozean wirkt wie ein Kochtopf auf einer Herdplatte. Seit mehr als einem Jahr brodelt er ungewöhnlich intensiv vor sich hin, die Luft nimmt enorme Mengen an Feuchtigkeit auf, so dass es nur eine Frage physikalischer Notwendigkeit ist, dass das System die Energie wieder abgibt. Im Mai warnte das NOAA vor einer besonders aktiven Saison mit bis zu sieben Hurrikanen der höchsten Kategorie. Üblich sind höchstens drei solcher Wirbelstürme pro Jahr.
Hurrikan Katrina ist eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der US-Geschichte. Besonders die Stadt New Orleans wurde verwüstet, insgesamt mehr als 1800 Menschen kamen ums Leben.
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3 270 Stundenkilometer
Als Beryl sich am 14. Tag im Osten von Texas in mehrere Gewitterzellen auflöste, hatte er Schäden in Höhe von geschätzten 6,2 Milliarden US-Dollar verursacht und etwa 50 Menschen getötet. Auch danach sorgte die Unwetterlage noch für zahlreiche Überflutungen und initiierte mehr als hundert Tornados bis hinauf nach Kentucky. Annähernd Vergleichbares hat sich zuletzt 2005 zugetragen, das Jahr von Katrina, das als eines der schlimmsten überhaupt in Erinnerung ist mit drei Mega-Hurrikanen.
„Ich sehe keinen Grund“, wird McNoldy im „Atlantic“-Magazin zitiert, „warum wir diesmal nicht mehr solcher High-End-Ereignisse erleben sollten.“ Die Daten sind unerbittlich. Man sollte eine Reisewarnung für die Karibik und den Süden der USA aussprechen. Während uns Blockbuster wie „Twister“ glauben machen, man könne das Innere solcher Energiebomben irgendwie heroisch überstehen, hört der Spaß bei realen Windgeschwindigkeiten von 270 Stundenkilometer auf.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de