© dpa/Sebastian Gollnow
Update Exklusiv Kai Wegner kritisiert Kurs der eigenen Partei scharf: „Die Ergebnisse der CDU bieten keinerlei Anlass zur Beschönigung“
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen muss die CDU aus Sicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner ihren Kurs überdenken. Auch Politiker anderer Parteien reagierten auf die Ergebnisse.
Von
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kritisiert angesichts der Ergebnisse der CDU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen den Kurs seiner eigenen Partei. „Die Ergebnisse der CDU bieten keinerlei Anlass zur Beschönigung. Wir müssen uns ehrlich fragen, warum es uns nicht gelungen ist, mehr Menschen von unserer Politik zu überzeugen“, sagte Wegner dem Tagesspiegel.
Diese Wahlergebnisse zeigen auf erschütternde Weise, dass sich viele Menschen in unserem Land nicht mehr von den demokratischen Parteien der Mitte vertreten fühlen.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU)
Mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD sprach der Berliner Regierungschef von Sorgen um die Zukunft der Demokratie. „Diese Wahlergebnisse zeigen auf erschütternde Weise, dass sich viele Menschen in unserem Land nicht mehr von den demokratischen Parteien der Mitte vertreten fühlen. Dies ist ein Weckruf, den wir nicht ignorieren dürfen. Vielleicht der letzte.“
Wegner sprach von einer klaren Niederlage der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP. „Dieses Ergebnis ist ein absolutes Desaster für die Bundesregierung.“ Die Menschen hätten der Koalition „klar das Vertrauen entzogen“.
Der Regierende Bürgermeister, der auch Berliner CDU-Chef ist, rief angesichts dessen alle demokratischen Parteien auf, ihre bisherige Politik zu ändern.
„Alle demokratischen Kräfte einschließlich meiner eigenen Partei müssen überdenken, ob der Kurs der letzten Jahre der richtige war; ob die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen wurden“, sagte Wegner. Es müsse jedem klar sein, dass es um die Zukunft der Demokratie gehe.
Kaum etwas funktioniert noch so, wie es sollte – das ist ja nicht nur in Thüringen und Sachsen so, sondern überall in Deutschland und auch in Berlin.
Berliner BSW-Landesvorsitzender Alexander King
Positiv blickte der BSW-Landesvorsitzende Alexander King auf den Ausgang der Wahlen in Thüringen und Sachsen. Es seien „hervorragende Ergebnisse“, die die junge Partei bei den Landtagswahlen erzielt habe.
Gemeinsam mit dem schlechten Abschneiden der Ampelparteien zeige dies, dass die Menschen eine andere Politik wollten. „Kaum etwas funktioniert noch so, wie es sollte – das ist ja nicht nur in Thüringen und Sachsen so, sondern überall in Deutschland und auch in Berlin“, sagte King. Dies sei auch motivierend für den Parteiaufbau in der Hauptstadt.
Berliner AfD-Chefin Brinker: CDU soll Brandmauer aufgeben
Die Berliner Landesvorsitzende der rechtsextremen AfD, Kristin Brinker, freute sich über den Wahlerfolg ihrer Partei. „Die Bürger in den beiden Bundesländern haben heute klargemacht, dass sie von Linksgrün in jeder Schattierung die Nase endgültig voll haben. Das sollte auch die CDU anerkennen und endlich von den Zinnen ihrer unsinnigen Brandmauer herunterkommen“, sagte Brinker.
Mehrere Demonstrationen fanden in Berlin am Sonntag gegen die AfD statt. Unter andere protestierten mehrere hundert Menschen im Ortsteil Blankenburg gegen eine private Wahlfeier von Unterstützern der Partei.
Berliner Linke-Chef sieht „Zäsur“ für seine Partei
Für den Landesvorsitzenden der Berliner Linken Maximilian Schirmer sind die Ergebnisse „eine Zäsur“ für seine Partei. Während in Thüringen der einzige Ministerpräsident der Partei, Bodo Ramelow, abgewählt wurde, droht die Partei in Sachsen, ganz aus dem Landtag zu fliegen.
Schuld daran sei auch, dass es im Wahlkampf vor allem um „politische Scheinlösungen“ gegangen sei im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik. „Von den wahren Problemen, der größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich und der schreienden Verteilungsungerechtigkeit in unserem Land wird damit abgelenkt“, sagte Schirmer.
Bei diesen Themen wolle die Partei in Berlin den Finger in die Wunde legen. „In Berlin sind das an erster Stelle die stetig steigenden Mieten, die in die Taschen der Wohnungskonzerne fließen.“
Mit einstelligen Prozentwerten zieht die SPD in beide Landtage ein. Aus Sicht der Berliner SPD-Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel sei dies „ein gutes Signal für die Wahl in Brandenburg“.
Beide Wahlkämpfe waren ein schweres Pflaster, da nicht zuletzt auch aus dem demokratischen Parteienspektrum – insbesondere von der CDU – viel Gift verspritzt worden ist.
Nina Stahr und Philmon Ghirmai, Landesvorsitzende der Berliner Grünen
Zugleich sprachen die beiden Landesvorsitzenden von einem „Warnzeichen“ mit Blick auf die Ergebnisse der Koalitionspartner im Bund, FDP und Grüne. „Von der FDP im Bund erhoffen wir uns im Interesse des ganzen Landes nun, dass sie ihre Blockade bei einer Lockerung der Schuldenbremse aufgeben, um die notwendigen Investitionen zu ermöglichen und keine Zukunftsbremse zu manifestieren“, sagten Böcker-Giannini und Hikel.
Aus Sicht der Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai sind die Wahlen für ihre Partei „ein schweres Pflaster“ gewesen, „da nicht zuletzt auch aus dem demokratischen Parteienspektrum – insbesondere von der CDU – viel Gift verspritzt worden ist“.
Die Wahlergebnisse zeigten deutlich, dass es widersinnig sei, rechtsextremen Parteien und Diskursen hinterherzulaufen. „Wir erwarten von Olaf Scholz und der Bundesregierung, dass sie sich nicht von Scharfmachern treiben lässt, sondern gewissenhaft die großen und drängenden sozialen und ökologischen Aufgabenstellungen angeht.“
Zur Startseite
- AfD
- Bodo Ramelow
- Bündnis 90 / Die Grünen
- CDU
- Kai Wegner
- Olaf Scholz
- Sachsen
- SPD
- Thüringen
showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de