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Exklusiv Koalitionsstreit um das Rentenpaket II: SPD und FDP sind auf direktem Konfrontationskurs
Kommt das Rentenpaket II wie verabredet oder muss nachverhandelt werden? Bei SPD und FDP gibt es jeweils unmissverständliche Antworten auf diese Frage.
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An Themen, die zum Sargnagel der Ampel-Koalition werden könnten, mangelte es in den vergangenen Monaten nicht. Wenn am Montag nach der Sommerpause der Parlamentsbetrieb neu beginnt, rückt ein weiteres auf der Agenda wieder nach vorn: das Rentenpaket II. Damit will die Regierung unter anderem ein Rentenniveau von 48 Prozent langfristig garantieren.
Doch es zeigt sich: Die Positionen insbesondere von SPD und FDP sind derzeit noch unvereinbar. Nachgeben will keine der beiden Seiten. Stattdessen gibt man sich kämpferisch.
„Es kann nicht sein, dass die Lasten einseitig auf die jüngeren Generationen verlagert werden“, sagte Pascal Kober, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dem Tagesspiegel. „Im Koalitionsvertrag haben wir Generationengerechtigkeit bei der Rente vereinbart. Das ist für uns der Maßstab. Deshalb werden wir die Berechnungen des Rentenniveaus von Arbeitsminister Hubertus Heil nochmal genau anschauen.“
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales.
© dpa/Michael Kappeler
Das heißt also: Ausgemacht ist von Seiten der FDP noch gar nichts. Genau das ärgert die Sozialdemokraten. „Es ist klar verabredet, dass das Rentenpaket sehr zeitnah im Bundestag verabschiedet wird, und mir ist auch keine anderslautende Beschlusslage der FDP-Fraktion bekannt“, sagte Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel. „Christian Lindner und seine Fraktion müssen jetzt zur Vereinbarung der Bundesregierung stehen.“
Schon vor der Sommerpause stritten sich SPD und Liberale wiederholt um das Rentenpaket II. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten es im Frühjahr gemeinsam vorgestellt. Der eine Teil des Pakets ist die Garantie, dass das Rentenniveau mit Wirkung bis 2040 nicht unter 48 Prozent sinken kann.
Das war der Wunsch und auch ein zentrales Wahlversprechen der SPD, davon abzurücken ist für die Sozialdemokraten undenkbar. Doch das Versprechen wird teuer für Staat und Beitragszahler. Genau das monieren die Liberalen, und deshalb sehen sie Nachbesserungsbedarf.
Fehlender Generationengerechtigkeit reichen wir keine Hand.
Pascal Kober, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion
Der große Wunsch der FDP war der andere Teil des Rentenpakets II: das sogenannte Generationenkapital, ein Einstieg in eine kapitalgedeckte Säule für das Rentensystem. Der Staat will Geld anlegen und mit den Erträgen die Rentenkasse stützen. Das Generationenkapital soll bis Mitte der 2030er-Jahre einen Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro erreichen.
Das ist enorm viel Geld, die erhofften Zinserträge machen in Rentenkassen-Dimensionen gedacht aber trotzdem nur einen sehr kleinen Unterschied. Von Spielgeld für die FDP ist unter Sozialdemokraten die Rede.
Kaum war der Kompromiss verkündet, regte sich bei der FDP Widerstand. Dort wünscht man sich, das Generationenkapital würde üppiger ausgestattet. „Je dünner die Finanzierungsdecke für eine Absicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist, desto ehrgeiziger muss das Generationenkapital ausgestaltet werden, um eine generationengerechte Finanzierung zu gewährleisten“, sagte Sozialpolitiker Kober jetzt dem Tagesspiegel. Sein Fazit: „Fehlender Generationengerechtigkeit reichen wir keine Hand.“
SPD-Fraktionsvize Schmidt hingegen besteht darauf, dass es beim Verabredeten bleiben müsse: „Das Rentenpaket II ist bereits ein Kompromiss, und zwar ein guter, der genau so im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde. Bei diesem Kompromiss muss es jetzt bleiben.“ Das Gesetz solle bis zum Jahresende im Bundestag verabschiedet werden und zügig in Kraft treten.
Das muss kommen. Das wissen alle.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die 48-Prozent-Rentengarantie
So sieht das auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Es gibt eine feste Verabredung, dass das Rentenpaket II zügig im Parlament beraten und noch vor dem Haushalt 2025 im November verabschiedet wird“, sagte er im Tagesspiegel-Interview. „Dass wir stabile Renten garantieren, ist eines der zentralen Vorhaben, auf denen sich diese Koalition gründet. Das muss kommen. Das wissen alle.“
Doch der Widerstand bei der FDP ist enorm. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki betrachtet die bisherige Einigung schon als abgeräumt, und zwar angesichts „der demografischen Entwicklung, der dankenswerterweise längeren Lebenserwartung und der nicht mehr schön zu redenden Wachstumsschwäche“. Für die macht er auch den Grünen Robert Habeck verantwortlich: Die Wachstumsschwäche, sagte Kubicki dem Tagesspiegel, sei „durch Fehlentscheidungen des amtierenden Wirtschaftsministers verstärkt“.
Kubicki zurrt die Position der Liberalen fest: „Das Versprechen eines verstetigten Rentenniveaus wird ohne Veränderung des Renteneintrittsalters nicht eingelöst werden können.“
Er sieht es also als mögliche Lösung, ans Renteneintrittsalter heranzugehen. Das könnte zum Beispiel bedeuten, das allgemeine Renteneintrittsalter weiter heraufzusetzen oder auch die Rente mit 63 abzuschaffen. Aus Sicht der SPD ist das nichts anderes als die nächste Provokation. Mitarbeit: Felix Hackenbruch
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de