© Franziska Strauss
Maria Callas und die „Meisterklasse“: Lebe lieber leidenschaftlich!
Die Komödie am Kudamm zeigt Terence McNallys „Meisterklasse“ im Reinickendorfer Ernst-Reuter-Saal. Katja Weitzenböck spielt die Jahrhundertdiva Maria Callas – aber nicht zu sehr.
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Vier Mal ist Maria Callas in Berlin gewesen. Am berühmtesten ist ihr Auftritt als Lucia di Lammermoor 1955 im Theater des Westens, Dirigent bei diesem Gastspiel der Mailänder Scala war Herbert von Karajan. Vier Jahre später sang die Sopranistin im Titania-Palast, 1963 und 1973 folgten Konzerte in der Deutschen Oper sowie der Philharmonie.
Reinickendorf aber hat „La Divina“ nie mit ihrer Anwesenheit beehrt. Bis jetzt. Als Wiedergängerin der vor 100 Jahren geborenen Griechin spielt jetzt Katja Weitzenböck im Ernst-Reiner-Saal die Hauptrolle in Terence McNallys „Meisterklasse“. Da passt vieles zusammen: Ein Jahr nach der „Berliner Lucia“ ist der Saal eröffnet worden, das Foyer hat sich seinen originalen Fifties-Charme erhalten, mit geschwungener Freitreppe, Terrazzoboden und Tütenlampen-Mobiles.
Der holzgetäfelte 725-Plätze-Saal wiederum bietet sogar ganz ohne Bühnenbild genau die Atmosphäre, um die es in dem 1995 uraufgeführten Theaterstück geht: Wir Zuschauer werden zu den Studierenden der New Yorker Juilliard School, die unbedingt dabei sein wollen, wenn Maria Callas einigen Auserwählten öffentlich Gesangsunterricht gibt.
Die Diva will ein Sitzkissen
Die stimmlich bereits stark angeschlagene Diva selbst bezeichnet ihre Schützlinge bei Terrence McNanlly als „Opfer“ – und trifft es damit ziemlich genau. Denn zum einen ist sie den beiden jungen Sopranistinnen und dem Nachwuchstenor gegenüber genauso unerbittlich, wie sie es stets mit sich selbst war. Und zum anderen werden alle drei zur akustischen Reflexionsfläche ihrer Bonmots über das Leben, die Liebe und die Oper.
Terence McNally war schon als 15-jähriger Schüler ein glühender Fan der Callas, damals in Texas, wo er aufgewachsen ist. Erste Musical-Erlebnisse lockten ihn nach New York, dort wurde er tatsächlich zum erfolgreichen Broadway-Autor, beispielsweise als Librettist vom „Kuss der Spinnenfrau“. Zwei Bühnenstücke hat er der größten Opernsängerin aller Zeiten gewidmet, 1989 kam die „Lissabonner Traviata“ heraus, vor 29 Jahren dann die „Meisterklasse“.
Katja Weitzenböck als Maria Callas, Lisa Ziehm (sitzend) als Meisterkurs-Teilnehmerin und Pianist Nikolai Orloff.
© Franziska Strauss
Wie gut sich der Autor im Seelenleben der Primadonna Assoluta auskennt, spürt man in jeder Textzeile. Im Setting des Coram-Publico-Unterrichts schweift sie immer wieder ab, spricht halb zu sich, halb zu den lauschenden Menschen im Dunkeln, mischt lebenspraktische Tipps mit küchenphilosophischen Weisheiten, schießt Giftpfeile in Richtung ihrer Konkurrentinnen, verlangt nach Wasser oder einem Sitzkissen, demütigt ihren Probenpianisten (unendlich langmütig: Nikolai Orloff).
Katja Weitzenböck ist auf ebenso nette Weise zickig, wie sie auf charmante Art Egozentrik versprüht. Sie gibt die Diva, mit Sonnenbrille, Pelzstola und Seidenkopftuch, aber sie hütet sich davor, komplett zur Callas-Kopie zu werden. Die Schauspielerin verkneift sich die möglichen zynischen und bitteren Untertöne und betont dafür lieber leidenschaftlich die Passagen, in denen es um die Kraft der Musik geht. Und um die Kunst, Bühnenfiguren lebendig werden zu lassen, durch Rollenidentifikation, aber auch durch den Mut, tiefe, aufwühlende Gefühle auf der Bühne freizulassen.
Tadellos ist Katja Weitzenböcks Körperhaltung, stolz und aufrecht, jede Faser pure Bühnenpräsenz. Die nervösen Nachwuchskräfte wirken neben ihr wie schlaffe Elendshäufchen. Ob nun eine besonders ausgefeilte Personenführung des Regisseurs Harald Weiler dahintersteckt oder eher darstellerische Ungelenkigkeit der realen Opernprofis, die hier agieren, lässt sich nach dem umjubelten Premierenabend noch nicht abschließend sagen.
Wie dem auch sei, die Inszenierung funktioniert – und die Teilnehmer gehen anders aus dieser „Meisterklasse“ heraus, als sie hereingekommen sind. Weil sie eines verstanden haben: „Die Leute kommen nicht ins Theater, um dabei zuzusehen, wie wir etwas versuchen!“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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