© Doris Spiekermann-Klaas TSP
Planwirtschaft beim Schulessen: Die Berliner Freibier-Mentalität hat heikle Folgen
Die von der SPD gewünschte Essens-Planwirtschaft beim Schulessen hat zur Folge, was niemand wollen kann: Viele Essen werden umsonst gekocht und landen auf dem Müll.
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Der Sündenfall geschah im April 2019. Der rot-rot-grüne Senat paukte sein „Starke-Familien-Gesetz“ durch, dessen Kernpunkt war, den Eltern auch den letzten symbolischen Euro fürs Grundschulessen zu schenken. Es trat am 1. August 2019 in Kraft.
Schon damals war diese paternalistische Gabe umstritten, weil sie typisch schien für den modernen sozialdemokratischen Kurs, den Reichen ein bisschen zu nehmen und den Armen und den Reichen doppelt und dreifach zurückzugeben. Warum können Oberärztinnen, Studienräte oder IT-Fachleute nicht für die Mahlzeiten ihrer Kinder aufkommen? Niemand konnte es begründen.
Vielleicht wurde damit ein wenig bürokratischer Aufwand gespart. Aber es war wie immer, zuletzt auch beim 29-Euro-Ticket: Die anderen Bundesländer sind permanent erbost, weil sie aus ihren Mitteln per Finanzausgleich die fröhliche Berliner Freibier-Mentalität unterstützen müssen.
Die Risiken und Nebenwirkungen in den Berliner Schulen erwiesen sich als weit schwerer. Denn nun trat aus undurchsichtigen Gründen eine zentralisierte Catering-Planwirtschaft ins Leben, die so gut funktionierte wie alle planwirtschaftlichen Anstrengungen: an der Nachfrage vorbei.
Die Preise wurden von oben gesetzt, das Verlangen nach Bio-Lebensmitteln trieb die Kosten hoch, und das kategorische Gemüse-Prinzip ging oft am Geschmack der Kinder vorbei, die sich dann lieber beim Späti gegenüber die berüchtigten China-Nudeln beschafften. Der Kampf Volkserziehung gegen Bedürfnisbefriedigung konnte nur einen Sieger kennen.
Eine Unmenge frisch zubereitetes Essen landet im Müll
Da also zentral geplant und die Zahl der gewünschten Mahlzeiten weit vorher abgefragt wird, landet bis heute jeden Tag von Montag bis Freitag eine Unmenge von frisch zubereitetem Essen im Müll. Den Kindern ist natürlich egal, ob sie angemeldet sind oder nicht.
Schließlich hat man ihnen ja durch die Kostenfreiheit gerade erst suggeriert, dass Essen immer irgendwo daliegt und mithin keinen Wert darstellt. Die Entsorgung der Reste stellt inzwischen einen beträchtlichen Kostenfaktor dar.
Auf der Strecke blieb dabei auch die viel beschworene Eigenverantwortung der Schulen. Sie müssen buchstäblich essen lassen, was auf den Tisch kommt, können keine dauerhaften Beziehungen zu Lieferanten eingehen, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht hatten. Sie würden zweifellos auch selbst Verträge schließen mit einem Essenslieferanten ihrer Wahl, der dann seine Rechnung an zentraler Stelle bezahlt bekäme – aber das ist im System nicht vorgesehen.
Kaufmännische Vernunft nützt nichts mehr
Vor allem ist in diesem System nichts mehr mit kaufmännischer Vernunft kalkulierbar. Das zeigte sich in der vergangenen Woche angesichts der Vergabeentscheidungen fürs neue Schuljahr, die allein auf der zentralen Bewertung anonym eingereichter Speisepläne nach ökotrophologischen Gesichtspunkten beruhte. Referenzen galten dabei nichts mehr. Langjährig erbrachte Leistungen waren für die Tonne.
Ergebnis: Ein Großcaterer ist 20 Prozent seines Geschäfts los, ein anderer kann eine eigens gebaute Großküche nicht mehr wirtschaftlich betreiben, kleinere Anbieter bangen um ihre Existenz. Auf der anderen Seite tritt ein neuer Lieferant auf, der aus dem Stand 50000 Mahlzeiten täglich auftischen soll statt bisher angeblich nur 5000 – und alle fragen sich, wie das wohl funktionieren kann.
Aber es kommt noch absurder. Denn der zentrale Plan erfasst zum Teil auch die Oberschulen, die grundsätzlich autonom wirtschaften und Kostenbeiträge einziehen können. Denn wenn sie 5. und 6. Klassen haben, wird ihnen ebenfalls ein Caterer von oben zugelost. Und da natürlich nicht zwei Firmen an einer Schule kochen können, bleibt im Zweifelsfall die etablierte, der Schule vertraute auf der Strecke.
Ja, man wird annehmen dürfen, dass die CDU-Senatorin diese SPD-Altlast nicht gerade zwingend findet. Aber mit Raed Saleh und seinen gusseisernen Prizipien scheint sie sich nicht anlegen zu wollen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de