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„So long, Marianne – Eine Leonard-Cohen-Serie“: Der Weltstar und die Mittelschichtsfrau

„So long, Marianne – Eine Leonard-Cohen-Serie“: Der Weltstar und die Mittelschichtsfrau

© NDR/Nikos Nikolopoulos

„So long, Marianne – Eine Leonard-Cohen-Serie“: Der Weltstar und die Mittelschichtsfrau

Über achtmal 50 Minuten erzählt die bewegende ARD-Serie von der Liebe der späteren Musiklegende zur Norwegerin Marianne Ihlen während der 1960er auf der Insel Hydra.

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Als Leonard Cohen erfuhr, dass seine große Liebe Marianne Ihlen bald sterben würde, schrieb er ihr einen bewegenden Brief: „In dem Wissen, dass ich so nah bei dir bin, kannst du einfach deine Hand ausstrecken, und ich denke, du wirst meine erreichen.“ Marianne Ihlen starb im Juli 2016, Leonard Cohen nur wenige Monate später, im November desselben Jahres.

Da hatten sich die Lebenswege der beiden längst getrennt, der Kanadier Cohen war ein Weltstar geworden, die größte lyrische Kraft unter all den Singer-Songwritern seiner Zeit, die Norwegerin Ihlen hatte ein bürgerliches Mittelschichtsleben gelebt, Heirat, Arbeit in einer Personalabteilung, gelegentlich als Malerin tätig.

Das klingt nach dem totalen Auseinanderfallen, nach dem Finale einer ungleichen Beziehung, die 1960 auf der griechischen Insel Hydra begonnen hatte. Und damit ist auch schon das größte Verdienst der Serie „So long, Marianne“ (ARD Mediathek, NDR Fernsehen ab 2. Oktober) benannt: Was über achtmal 50 Minuten erzählt wird, ist tatsächlich die Geschichte, die Liebesgeschichte zweier Menschen Anfang 20, die sich erkennen, sich stützen, sich aushalten und sich gegenseitig die Kraft geben, zur endgültigen Fassung ihrer selbst zu werden.

Damals, zu Beginn der 1960er Jahre, war die griechische Insel Hydra ein Sammelpunkt von Künstlern aller Art, gleich ob Schriftsteller, Maler, Musiker, ein sehr freizügiger Ort mit viel Alkohol und weiteren Drogen; wer mit wem schlief, blieb kein Geheimnis. Dreh- und Angelpunkt der Expat-Gemeinschaft war das australische Paar Charmian Clift (Anna Torf) und George Johnston (Noah Taylor). Sie lebten bereits einige Jahre auf der Insel, waren etablierte Schriftsteller, konnten aber nur leidlich davon leben.

Leonard Cohen (Alex Wolff) will einem engen jüdischen Familienleben entkommen, er soll in einer Textilmanufaktur seines Onkels arbeiten, wo er sich doch als Poet, als Romanschriftsteller sieht. Marianne Ihlen (Thea Sofie Loch Næss) ist mit dem Autor Axel Jensen (Jonas Strand Gravli) auf die Insel gekommen. Eine toxische Beziehung, die Marianne auch dann nicht aufgeben will, als Jensen sie ein ums andere Mal betrügt und sie mit dem gemeinsamen Kind zur alleinerziehenden Mutter wird.

„So long, Marianne – Eine Leonard-Cohen-Serie“: Der Weltstar und die Mittelschichtsfrau

Die Insel Hydra liegt 65 Kilometer südwestlich von Athen.

© Angelos Tzortzinis/dpa

Leonard hat einen eigenwilligen Humor, er kämpft mit sich, mit Worten und Texten, er ist testosterongeladen, mit seinen ersten Songs zieht er seine Umgebung in den Bann. Was dann passiert, und das ist das Epizentrum der Serie, ist die gegenseitige Freisprechung von Leonard und Marianne. Erst die Bekanntschaft und die Beziehung mit Cohen ermutigt Ihlen, sich von Jensen zu trennen und mit Cohen eine Liebe zu leben, in der es keine Besitzansprüche gibt. „Come on, Marianne“ lautet der Appell zur Veränderung in der ersten Version des Songs.

Dann, wenige Jahre später, als Cohen seine ersten Alben herausbringt, sich in New York, im legendären Hotel Chelsea in zahllose Affären und im Drogenrausch verliert, hilft ihm Marianne und bringt ihn zurück nach Hydra. Doch die gemeinsame Zeit ist nur kurz. „I have tried in my way to be free“, heißt es in der Schlusszeile des Cohen-Songs „Bird On The Wire“, auch er ist von Cohens Beziehung zu Ihlen inspiriert. Ruhm bedeutet auch Verzicht auf Liebe.

Die Serie ist eine griechisch-kanadisch-deutsch-norwegische Koproduktion. Darin gibt es eine leichte Schlagseite. Das Buch haben die Norweger Øystein Karlsen („Exit“) und Jo Nesbø (der Thrillerautor, der auch Texte für die norwegische Popband Di Derre schreibt) und der Kanadier Tony Wood verfasst, Regie geführt haben Karlsen und der Kanadier Bronwen Hughes. Dieses Zusammenspiel garantiert einerseits die Berechtigung des Serientitels „Eine Leonard-Cohen-Serie“, und es sorgt zum anderen für das aufregende Gleichgewicht, dass Marianne Ihlen nicht als bloße Muse, als Frau an Cohens Seite, sondern als gleichberechtigte Partnerin, als Kümmerin und als unabhängige Frau, als nie vergessene Influencerin in Cohens Leben gezeigt wird.

Die Coming-of-Age-Serie nimmt sich Zeit, in den ersten Folgen passiert wenig, umso mehr erzählen sich die Figuren, berichten voneinander, übereinander, gegeneinander. Ob diese Dialoge jemals gefallen sind? Egal, für die Autoren sind sie eminenter Ausdruck der Figuren. „So long, Marianne“ will keine sklavische Hagiografie der Cohen-Ihlen-Beziehung sein, noch nicht mal deren Biopic, sondern die intensive verdichtete Schilderung einer Liebe, ihrer Gefährdungen, ihres Glücks, ihrer Befreiungsmomente. Amor vincit omnia? Ja! Nein! Ja, nein, nein, ja.

Alex Wolff spielt Leonard Cohen, Thea Sofie Loch Næss spielt Marianne Ihlen. Und wie sie Cohen und Ihlen spielen, zeigen sie nicht die kulturellen Ikonen, sondern zwei besondere Menschen auf dem Weg zu sich selbst. Der Zuschauer wird zum Zeuge eindrücklicher Schauspielkunst und zum Begleiter dieser Findung und Selbstfindung. Die Nähe zu den Akteuren ist sofort da, und doch ist sie nicht aufdringlich.

Wer die Serie gesehen hat, der wird den Song „So long, Marianne“ anders hören. Weil er weiß, was hineingeflossen ist und was aus ihm herausströmt. Beide, Marianne Ihlen und Leonard Cohen, wären in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden.

PS: Wem die Serie nicht genügt, dem sei noch der fünfteilige NDR-Podcast „So long, Cohen“ empfohlen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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