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„Sobald ich Vorwärtstrieb habe, geht es“: Schon vor 50 Jahren lief Peter Bartel Marathon in Berlin

„Sobald ich Vorwärtstrieb habe, geht es“: Schon vor 50 Jahren lief Peter Bartel Marathon in Berlin

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„Sobald ich Vorwärtstrieb habe, geht es“: Schon vor 50 Jahren lief Peter Bartel Marathon in Berlin

Peter Bartel nahm vor 50 Jahren beim ersten Berliner Marathon teil. Auch mit über 80 geht er wieder an den Start – und das, obwohl er vor Kurzem brutal zusammengeschlagen wurde.

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Peter Bartel stellt das Bier zur Seite. Für das Foto ist es besser so, findet er. Der 82- oder 83-Jährige – ein kleines Geheimnis macht er darum – organisiert an diesem Augusttag im Restaurant Eierschale in Dahlem das Treffen von sogenannten Finishern, also Zieleinläufer:innen, des ersten Berlin-Marathons im Jahr 1974. Ständig kommen ältere Semester vorbei und bedanken sich bei ihm. „Schön, dat du uns wieder zusammenjebracht hast“, sagt ein Original-Berliner und klopft Bartel auf die Schulter.

Vor 50 Jahren nahm der Berlin-Marathon, damals unter dem Namen Berliner Volksmarathon, seinen Anfang. Peter Bartel war mittendrin. Und wie der damalige Sieger Günter Hallas wird auch Bartel in diesem Jahr am Marathon teilnehmen.

Mit dem Tagesspiegel hat Bartel über alte Zeiten gesprochen, darüber, wie er selbst zum Extremläufer geworden ist und wie eine Attacke auf ihn im vergangenen Jahr am Kaufhaus des Westens seine Leidenschaft Laufen beinahe beendet hätte.

Herr Bartel, vor 50 Jahren waren Sie zum ersten Mal beim Berlin-Marathon am Start, dieses Jahr wollen Sie …
… wenn ich Sie da unterbrechen darf …

… gerne …
Damals war allein der Begriff „Marathon“ eine große Sache. Davon hatten viele damals zum ersten Mal gehört. Heute wird der Begriff inflationär verwendet. Wenn im Bundestag eine halbe Stunde länger gequasselt wird, dann heißt es „Marathon-Sitzung“.

Jedenfalls wollen Sie es dieses Jahr wieder …
… im Übrigen, entschuldigen Sie nochmals, ist der Begriff geschichtlich nicht verbürgt. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot hat kein Wort über einen Läufer verloren, der sich angeblich nach dem Sieg der Athener in der Schlacht von Marathon auf den knapp 40 Kilometer langen Weg nach Athen gemacht hat. Das ist eine Legende.

Interessant.
Finde ich auch. Sie wollen wissen, ob ich dieses Jahr, 50 Jahre nach dem Berliner Volksmarathon, wieder mitmachen werde?

Richtig.
Ja, ich werde an den Start gehen. Übrigens zusammen mit Günter Hallas. Der hat vor 50 Jahren den Lauf gewonnen. Uns verbindet viel: Wir sind fit im Alter, wir haben beide ein künstliches Knie, wir sind beide vom selben Operateur behandelt worden und wir sind beide bei der LG Nord. Zusammen wollen wir es angehen.

Seit wann haben Sie ein künstliches Knie?
Das ist noch gar nicht lange her. Erst seit gut einem halben Jahr. Es war eine sehr hässliche Geschichte.

Was ist passiert?
Ich habe am ersten Advent vergangenen Jahres beim 24-Stunden-Lauf für die Kältehilfe der Stadtmission Berlin mitgemacht. Da ich 24 Stunden zu Fuß nicht mehr schaffe, war ich mit dem Tretroller am Start. Es war schon mitten in der Nacht, gegen zwei Uhr, ich war ganz in der Nähe vom KaDeWe, als zwei dunkle Typen auf mich zukamen. Zuerst dachte ich, sie wollen sich bei mir erkundigen, was das denn für eine komische Veranstaltung mitten in der Nacht ist. Sah ja bestimmt komisch aus, so ein Alter auf dem Tretroller mit Startnummer und so weiter.

Aber dem war nicht so.
Nein, plötzlich stürzten die beiden auf mich zu und schlugen mich zusammen. Einfach so. Aus Jux und Dollerei. Sie konnten ja auch nichts erbeuten. Jedenfalls war mein Knie danach kaputt, ein künstliches Kniegelenk musste eingesetzt werden.

Trotzdem trauen Sie sich jetzt schon den Marathon zu?
Mein Arzt meinte erst, es würde mindestens ein Jahr dauern, bis ich wieder würde laufen können. Aber meine Konstitution ist so gut, vor allem muskulär, dass ich mir es jetzt schon zutraue. Mein Arzt tut das auch. Ich habe im Grunde nur beim Treppensteigen noch Probleme, aber sobald ich Vorwärtstrieb habe, geht es.

Ihr wievielter Berlin-Marathon ist es?
Der 19.

Es war lange eine reine Amateurveranstaltung. Heute ist der Berlin-Marathon ein Industrieunternehmen.

Peter Bartel, Marathonläufer

Respekt.
Wenn Sie mir dafür schon Respekt zollen. Ich möchte nicht prahlen, aber ich habe noch ganz andere Sachen gemacht.

Erzählen Sie.
Ich war viel alpinistisch unterwegs, sogar auf Sechs- und Siebentausendern. Vor allem aber bin ich gelaufen und gelaufen und gelaufen, 24-Stunden-Läufe, ja sogar Sechstagerennen.

Wie läuft ein Sechstagerennen ab?
Das ist von der Organisation nur auf einer 400-Meter-Laufbahn möglich. In der Regel läuft man sechs Stunden im Uhrzeigersinn und sechs Stunden gegen den Uhrzeigersinn. Das ist die einzige Abwechslung.

Und wie ist das mit dem Schlaf beim Sechstagerennen?
Na, Sie müssen nicht die 144 Stunden durchlaufen. Wäre wahrscheinlich schwierig. Man geht einfach zum Rennleiter, meldet sich ab und legt sich ein wenig hin. Viel Schlaf hat man nicht. Ich bin in den sechs Tagen jedenfalls 604,529 Kilometer gelaufen. Die Zahl habe ich mir gemerkt.

Damit wären Sie von Berlin aus bis nach Innsbruck gekommen.
Nicht schlecht, oder? Aber eigentlich fand ich das Sechstagerennen auf der Laufbahn öde. Das Härteste, was ich jemals gemacht habe, war was anderes.

Ja?
Der Spartathlon! Laut Herodot, und das ist verbürgt, wurde der griechische Bote Pheidippides während der Perserkriege von den Athenern nach Sparta geschickt, um Hilfe zu holen. Der Bote begab sich morgens auf die 246 Kilometer lange Strecke und kam am Abend des nächsten Tages an. Britische Läufer haben 1982 privat getestet, ob dies tatsächlich möglich ist. Und sie hatten Erfolg. Daraufhin wurde der Spartathlon als Wettkampf ins Leben gerufen.  Es fanden sich natürlich genügend Verrückte, die mitmachten.

„Sobald ich Vorwärtstrieb habe, geht es“: Schon vor 50 Jahren lief Peter Bartel Marathon in Berlin

„Das Härteste, was ich jemals gemacht habe“, sagt Peter Bartel über den Spartathlon – hier in der 35. Auflage im Jahr 2017.

© Imago/Xinhua

Sie waren einer davon.
Richtig. Mitte der 90er musste ich aber nach 211 Kilometern aufgeben. Ausgerechnet, als das ZDF dabei war.

Aber vermutlich haben Sie das nicht auf sich sitzen lassen.
Zwei Jahre später habe ich es geschafft. Nur drei von vier kommen beim Spartathlon ins Ziel. Es ist brutal, kein Schlaf, nur Laufen. Wenn man es geschafft hat, kommt man als Erstes zur Untersuchung ins Krankenhaus.

Wie fing das mit dem Laufen bei Ihnen an?
Wissen Sie, meine Eltern hatten eine Zahnarztpraxis. Sie trugen die Nase hoch und verboten mir das Fußballspielen. Ich musste Tennis spielen. Ich hatte aber einen schlechten Schläger und konnte nur mithalten, indem ich jeden Ball noch erreichte, also hin- und herwetzte. Da wurde mir klar, dass ich am liebsten laufe.

Da kam der Berliner Volksmarathon gerade recht.
Sicher. Das war damals aber eine komplett andere Veranstaltung. Klein war sie, es kannte sich fast jeder. Beim ersten Mal kamen, glaube ich, 234 Läufer und zehn Läuferinnen ins Ziel. Richtig hoch ging es mit den Zahlen erst 1981, als es ein richtiger Stadtmarathon wurde. Aber es war lange eine reine Amateurveranstaltung. Heute ist der Berlin-Marathon ein Industrieunternehmen.

Da klingt Kritik durch.
Nein, die Zeiten verändern sich und es ist auch gut so. Aber klar, bei den zigtausenden Läuferinnen und Läufern sind auch welche dabei, die kommen nach knapp unter acht Stunden ins Ziel. Das hat mit Laufen, ohne jetzt überheblich klingen zu wollen, eigentlich fast nichts mehr zu tun. Auf der anderen Seite habe ich im vergangenen Jahr mit dem Tretroller eine etwas korpulente Frau begleitet, wollte ihr helfen, damit sie nicht vom Besenwagen mitgenommen wird. Und unter großem Jubel am Brandenburger Tor hat sie es geschafft. Da sind mir die Tränen gekommen.

Hatten Sie mal leistungssportliche Ambitionen?
Nein. Mein Problem war immer, dass bei mir beim Marathon bei einer Zeit von knapp unter drei Stunden Schluss war. Schneller ging es einfach nicht, aber jedes Mal dachte ich, ich kann noch viel weiter laufen. Nur eben nicht schneller. Das war der Grund für meine 24-Stunden- oder gar Sechstage-Läufe. Aber auch da verhielt es sich ähnlich. Top-Zeiten bin ich nie gelaufen. Im Team allerdings bin ich Deutscher Meister und Europacupsieger im 24-Stunden-Lauf geworden. In 24 Stunden konnte ich gut 200 Kilometer laufen.

Woher kommt diese Zähigkeit, die offenbar in Ihnen schlummert?
Das weiß ich nicht. Ich bin gerne an der frischen Luft und lange unterwegs. Vielleicht hatte ich auch immer die richtige Strategie.

Welche denn?
Immer mein Tempo laufen, mich nie treiben lassen. Außerdem habe ich nie wie viele andere einfach nur Cola getrunken. Es gibt drei Sorten von Zucker, die zeitversetzt ins Blut übergehen. Das hat mir immer geholfen.

Sind Sie von größeren Verletzungen verschont geblieben – abgesehen von der Knieverletzung durch den Angriff?
Ja, schon. Nur einmal, im Jahr 2009, ich ärgere mich heute noch darüber, bin ich gestürzt und habe mich am Knie verletzt. Es war eine Dummheit von mir. Draußen lagen Schnee und Eis und ich wollte trotzdem unbedingt laufen. Ich befand mich in Stolpe auf dem Stolperfeld, als ich stolperte.

Fast schon ein bisschen lustig.
Heute kann ich auch drüber lachen. Zumal es noch besser wird: Raten Sie mal, wie der Weg hieß, auf dem ich stürzte.

Hmm, keine Ahnung, Stolperweg?
Pechvogelweg.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg beim Marathon.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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