© dpa/Britta Pedersen
Streit über Zurückweisungen an Grenzen: FDP-Politiker Thomae plädiert für Austesten des EU-Rechts
Es gebe bei dem Vorschlag in der Europäischen Union keine höchstrichterliche Rechtsprechung, so der Parlamentsgeschäftsführer der Liberalen. Thomae will, dass dies geklärt wird.
Nach dem Attentat von Solingen mit drei Toten ist die Debatte über den deutschen Kurs in der Migrationspolitik neu entbrannt. Innerhalb weniger Tage einigte sich die Ampelkoalition zwar auf ein Asyl- und Sicherheitspaket. CDU/CSU reichen die Maßnahmen allerdings nicht aus. Der jüngste Migrationsgipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) endete ergebnislos, CDU-Chef Friedrich Merz pocht weiterhin vor allem auf Zurückweisungen an den deutschen Grenzen.
Bei diesem Punkt schlägt der FDP-Parlamentsgeschäftsführer Stephan Thomae nun vor, die EU-rechtlichen Rahmenbedingungen auszutesten. „Wir sind bereit, alles auszuprobieren, was rechtlich möglich ist und zu einem maximalen Erfolg führen kann“, sagte Thomae den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die Frage sei, welche Konsequenzen solche Zurückweisungen hätten, betonte er und schlug vor, dies „an einem Grenzabschnitt versuchsweise“ zu testen.
Wir müssen den Mut haben, ein politisches Ziel ins Auge zu fassen und zu schauen, ob das mit europäischem Recht in Einklang zu bringen ist.
Stephan Thomae, FDP-Parlamentsgeschäftsführer
„Bisher gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu. Hier müssten wir klären: Was sagen denn die Gerichte, am Ende vielleicht auch der EuGH, zu solchen Fällen? Wir müssen den Mut haben, ein politisches Ziel ins Auge zu fassen und zu schauen, ob das mit europäischem Recht in Einklang zu bringen ist.“
CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Donnerstag eine Zurückweisung für eine Testperiode von drei Monaten vorgeschlagen – die Grünen und auch Teile der SPD in der Koalition lehnten den Vorschlag ab. Die FDP stellte sich an die Seite der Union und forderte nach dem Platzen der Migrationsgespräche Anfang der Woche eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Merz signalisierte weitere Gesprächsbereitschaft, beharrt aber auf seiner Forderung.
„Die Herausforderungen sind so groß, dass sie einen gemeinsamen Kraftakt aller vier Parteien der demokratischen Mitte – die Koalitionsparteien gemeinsam mit der Union – erfordern“, sagte Thomae den Zeitungen.
Gemeinsame Gespräche von Union und Regierung über die Migrationspolitik waren diese Woche gescheitert. Merz hatte dabei umfassende Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze gefordert – auch von Asylbewerbern. Die Regierung hat in diesem Punkt aber rechtliche Bedenken und verwies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Am vergangenen Wochenende hatte sich der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, zu dieser Frage geäußert. „Ich halte Zurückweisungen nach Paragraf 18 Asylgesetz nicht nur für möglich, sondern sogar für geboten“, sagte Papier der „Bild“.
Nach Paragraf 18 sei Menschen, „die aus sicheren Drittstaaten einreisen, die Einreise zu verweigern“. Deutschland sei „ausnahmslos von sicheren Drittstaaten“ umgeben. Papier zufolge, der dem höchsten deutschen Gericht von 2002 bis 2010 vorsaß, gibt es keine europarechtlichen Regelungen, die über deutschem Recht wie dem Paragrafen 18 des Asylgesetzes stehen.
Einer aktuellen Umfrage zufolge plädiert eine Mehrheit der Deutschen unabhängig von europarechtlichen Vorgaben für ein strikteres Vorgehen an den deutschen Grenzen. 71 Prozent der Befragten sprachen sich dabei für direkte Zurückweisungen an der Grenze aus.
Die gibt es jetzt bereits zum Beispiel für visumspflichtige Ausländer, die beim Grenzübertritt kein Asylgesuch stellen, sowie für Menschen mit Einreisesperre. (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de