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Unbefristeter Kita-Streik ab Montag in Berlin: Senat will Ausstand vor Arbeitsgericht stoppen – Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an

Unbefristeter Kita-Streik ab Montag in Berlin: Senat will Ausstand vor Arbeitsgericht stoppen – Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an

© dpa/Fabian Sommer

Update Unbefristeter Kita-Streik ab Montag in Berlin: Senat will Ausstand vor Arbeitsgericht stoppen – Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an

Ab Montag gehen die Beschäftigten der landeseigenen Kita-Betriebe in einen unbefristeten Streik. Der Senat beantragt nun am Arbeitsgericht eine einstweilige Anordnung.

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Der Berliner Senat will mit rechtlichen Mitteln verhindern, dass die rund 280 landeseigenen Kita-Betriebe ab kommenden Montag unbefristet bestreikt werden. Die Senatsfinanzverwaltung reichte am Donnerstagabend beim Arbeitsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Streikpläne der Gewerkschaft Verdi ein. Das Land Berlin sehe sich „im Interesse der Eltern und Kinder“ dazu gezwungen, um einen Dauerstreik zu verhindern.

„Grundsätzlich ist das Streikrecht ein hohes Gut“, sagte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) am Abend. Die Gewerkschaftsvertreter „lassen die Situation aber unnötig und auf dem Rücken tausender leidtragender Familien eskalieren“. Das werde den zum Teil womöglich berechtigten Anliegen der Beschäftigten nicht gerecht. „Der von Verdi angekündigte Dauerstreik könnte womöglich rechtswidrig sein“, sagte Evers. „Deshalb schulden wir es insbesondere den betroffenen Eltern und Kindern, auch rechtliche Schritte einzuleiten. Das habe ich veranlasst.“

Verdi hatte am Donnerstagvormittag seine Streikpläne veröffentlicht. Zuvor waren am Mittwoch letzte Gespräche über eine mögliche Abwendung des Streiks zwischen Verdi sowie der Bildungs- und Finanzverwaltung gescheitert.

Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) kündigte an, dass die landeseigenen Kita-Betriebe trotz des Streiks eine Notbetreuung für einen Teil der Kinder anbieten werden. Zuvor waren am Dienstag auch Gespräche über eine mögliche Notbetreuung während des Streiks gescheitert.

Betroffen vom Streik sind 280 landeseigene Kita-Betrieben. Dort werden knapp 29.000 Kinder von rund 7000 Erzieherinnen und Erziehern betreut. Das betrifft etwa ein Fünftel aller betreuten Kinder in Berlin. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben.

Verdi hatte nach eigenen Angaben angeboten, den Streikbeginn zu verschieben, wenn der Senat verbindlich zusagt, konstruktive Verhandlungen aufzunehmen. „Der Senat wollte sich jedoch nicht einmal darauf festlegen, ob es eine Belastung der Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben gibt“, so Verdi in einer Erklärung. Deshalb rufe die Gewerkschaft zum Erzwingungsstreik auf. Die Aufrufe würden ab Donnerstagmorgen verschickt.

„Von ver.di-Seite liegen die Karten schon lange auf dem Tisch“, erklärte die Verdi-Landesbezirksleiterin für Berlin-Brandenburg, Andrea Kühnemann. Mit seiner unkonstruktiven Haltung provoziere der Senat den Streik. Er trage damit die Verantwortung für die Belastung der Eltern und Kinder.

Senat hält Streik für rechtswidrig

Die Finanzverwaltung widersprach am Donnerstagabend energisch. Verdi habe die Gespräche abgebrochen und zeige sich nicht einmal in Verfahrensfragen kompromissbereit. Der Senat sei jederzeit offen für Gespräche über realistische Wege, die Belastungssituation für die Beschäftigten der Kita-Eigenbetriebe weiter zu verbessern. „Der ver.di-Streik ist weiterhin auf die Aufnahme von Tarifverhandlungen gerichtet, obwohl die Gewerkschaftsvertreter sehr genau wissen, dass das Land Berlin der TdL-Satzung nach keinen eigenen Tarifvertrag abschließen kann“, sagte Evers. „Wir werden Berlins Mitgliedschaft in der TdL nicht durch einen tarifpolitischen Alleingang aufs Spiel setzen.“

Der unbefristete Streik belaste Tausende Kinder und Eltern noch deutlich extremer als die zahlreichen Warnstreiks der vergangenen Wochen, erklärte die Finanzverwaltung weiter. Die Betreuung sei nicht gesichert und können nicht ohne weiteres durch Eltern oder Verwandte abgefedert werden.

Unbefristeter Kita-Streik ab Montag in Berlin: Senat will Ausstand vor Arbeitsgericht stoppen – Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an

© dpa/Jörg Carstensen

Der Erzwingungsstreik könnte aus mehreren Gründen rechtswidrig sein, erklärte die Finanzverwaltung. So sei die Grenze der Zumutbarkeit erreicht. Ein unbefristeter Streik könnte dazu führen, dass die Rechte von Eltern und Kindern unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Die Abwägung falle eher zugunsten der Eltern- und Kinderrechte aus, je länger die Streiks dauerten. Bei einem Dauerstreik ohne Notbetreuung sei das Maß nicht mehr gewahrt.

Zudem seien die Ziele des Streiks nicht erreichbar, erklärte die Finanzverwaltung. Das Ziel des Streiks, nämlich ein Belastungsausgleich, sei tariflich nicht regelbar. Zudem sei der Arbeitskampf womöglich rechtswidrig, denn er ziele darauf ab, dass das Land Berlin als Arbeitgeber die TdL als Arbeitgeberverband verlässt.

Bildungssenatorin sieht mangelnde Verhandlungsbereitschaft bei Verdi

Auch Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) widersprach am Donnerstag in einer Erklärung der Darstellung Verdis. Das Land Berlin habe in den Gesprächen „erhebliches Entgegenkommen“ gezeigt und sei bereit gewesen, „substanzielle Angebote“ zu machen. „Dazu gehörte insbesondere die Anerkennung der angespannten Bedarfssituation sowie die Bereitschaft, über wirksame, verlässliche und rechtssichere Entlastungsregelungen für die pädagogischen Beschäftigten zu verhandeln“, teilte Günther-Wünsch mit. Diese Verhandlungsbereitschaft habe Verdi nicht gewürdigt.

Die Situation in den Kitas und die Arbeitsbelastung für die Beschäftigten waren am Donnerstag auch Thema in der Aktuellen Stunde zu Beginn der Sitzung des Abgeordnetenhauses. Dort kündigte Günther-Wünsch an, „dass es den Eigenbetrieben möglich sein wird, deutlich über zehn Prozent Notbetreuung anzubieten“. „Aber sich sage auch, es wird deutlich unter 100 Prozent sein“, sagte die Senatorin weiter.

Die Vorstellung der Gewerkschaften, lediglich für zehn Prozent der Kinder eine Notbetreuung vorzuhalten, sei „blanker Hohn“, sagte Günther-Wünsch. Dies umfasse nicht einmal alle Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf, von Eltern mit systemrelevanten Berufen oder Alleinerziehenden. „Oberstes Ziel“ sei es, Berliner Familien trotz Streiks die bestmögliche Betreuung für ihre Kinder anzubieten. Darüber liefen nun Gespräche, die Kita-Leitungen informierten auch die Eltern und bezögen diese in die Planungen ein.

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner attackierte die Gewerkschaft Verdi für ihre Streikankündigung scharf. „Alle außer Verdi sind fest davon überzeugt, dass Verdi gerade einen großen Fehler macht“, erklärte Stettner im Abgeordnetenhaus unter dem Applaus seiner Fraktion – die SPD schwieg.

Die Mitarbeitenden der landeseigenen Kitas würden von Verdi „instrumentalisiert“, sagte Stettner und sprach von einer „ausgemachten Verdi-Krise in unserer Stadt“. „Ich halte dieses Vorgehen in höchstem Maße für illegitim, nicht verantwortungsvoll und nicht berechtigt“, erklärte er weiter, bezeichnete die Forderungen der Gewerkschaft als „weder realistisch noch berechtigt“ und forderte Verdi dazu auf, die Streikankündigung zurückzunehmen.

Die Oppositionsparteien sehen hingegen den Senat in der Pflicht, den Streik noch abzuwenden und die Arbeitsbedingungen an den Kitas zu verbessern. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, warf der CDU vor, den Konflikt zu schüren. „Das Bashing von Gewerkschaft ist komplett unangebracht“, sagte sie an CDU-Fraktionschef Stettner gerichtet.

Der Senat hätte vor Monaten den Gesprächsfaden aufnehmen sollen. „Es liegt in ihrer Verantwortung, wenn diese Erzieherinnen immer wütender werden“, sagte sie. Es sei klar, dass zusätzliches Fachpersonal und mehr Geld nicht vom Himmel falle. „Aber der Teufelskreis in überlasteten Einrichtungen muss durchbrochen werden“, sagte Burkert-Eulitz. Sie forderte auch vom Regierenden Bürgermeister direkt, Verantwortung für die Kleinsten in der Stadt zu übernehmen.

Linksfraktion fordert Entlastungsvereinbarung mit verbindlichem Personalschlüssel 

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Brychcy, ging den Senat hart an. Von Mai bis September habe der Senat nichts anderes gemacht, als die Beschäftigten in den Kitas zu beschimpfen, sagte sie. Die Krise in den Kitas verursache nicht der Streik, sondern der Personalmangel und die belastenden Arbeitsbedingungen. Brychcy forderte, eine Entlastungsvereinbarung mit einem verbindlichen Personalschlüssel abzuschließen.

Der familienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion Tommy Tabor sprach in seinem Redebeitrag zu Beginn über Migration, teilweise ohne Bezug zur Situation der Berliner Kitas. Gegen Ende seiner Ausführungen bezeichnete er die Gewerkschaftsforderungen als „völlig realitätsfern“. Der AfD-Politiker bekannte sich zur Kita-Beitragsfreiheit und forderte „echte Wahlfreiheit“ für Eltern.

Alexander Freier-Winterwerb, Sprecher für Kinder, Jugend, Familie der SPD-Fraktion, bekannte sich in seiner Rede zum Streikrecht und erklärte sich unter Applaus von SPD, Grünen und Linke solidarisch mit den Streikenden. Er sprach sich dafür aus, die Entlastungen etwa durch die Absenkung von Zugangsvoraussetzungen für Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. Darüber hinaus müssten im Ausland erworbene Abschlüsse häufiger anerkannt werden.

Verdi will kleinere Betreuungsgruppen in eigenem Tarifvertrag festschreiben

Verdi verlangt bessere Arbeitsbedingungen, etwa kleinere Betreuungsgruppen und einen Ausgleich von Belastungen, und will diese in einem eigenen Tarifvertrag festschreiben. Allerdings signalisierte die Gewerkschaft zuletzt auch, dass man nicht auf einem Tarifvertrag beharrt, wenn es auch andere Lösungen im Sinne der Beschäftigten gibt.

Der Berliner Senat lehnt Tarifverhandlungen mit der Begründung ab, dass das Land dadurch aus der Tarifgemeinschaft der Länder fliegen würde. Aber auch andere Lösungen würden in jedem Fall zu Mehrausgaben für das Land führen. Eine Entwicklung, die der Senat aufgrund der schwierigen Haushaltslage vermeiden will.

Bildungssenatorin Günther-Wünsch argumentierte am Donnerstag in ihrer Erklärung zudem, dass der Senat der von Verdi geforderten Regelung gar nicht zustimmen dürfe, da diese einen „erheblichen Eingriff in die wirtschaftliche Geschäftsführung der Kita-Eigenbetriebe“ bedeuten würde, die nach dem Berliner Eigenbetriebsgesetz den Eigenbetrieben beziehungsweise für Grundsatzfragen den Bezirken selbst obliege. Zudem würde es erneut zu einer erheblichen Ungleichbehandlung zwischen den Kita-Eigenbetrieben und den freien Trägern kommen, so die CDU-Politikerin.

Ich wehre mich dagegen, dass es einen Flächenbrand an Berliner Kitas gibt. Das ist schlichtweg falsch.

Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin

Im Abgeordnetenhaus ergänzte Günther-Wünsch, die Umsetzung der Verdi-Forderungen bedeutete die Neueinstellung von rund 4000 zusätzlichen Erzieherinnen und Erziehern. „Blanker Hohn“ sei dieses Ziel in Zeiten des Fachkräftemangels. Jede Absenkung des Betreuungsschlüssels ziehe hunderte zusätzlich benötigte Stellen nach sich, sagte sie und stellte klar, es werde mit ihr keine Tarifverhandlungen mit Verdi geben.

„Ich wehre mich dagegen, dass es einen Flächenbrand an Berliner Kitas gibt. Das ist schlichtweg falsch“, erklärte Günther-Wünsch.

Verdi und die Gewerkschaft GEW hatten nach mehreren erfolglosen Warnstreiks vergangene Woche zu einer Urabstimmung über unbefristete Streiks aufgerufen. Dabei sprachen sich 91,7 Prozent der Verdi-Mitglieder und 82 Prozent der GEW-Mitglieder für einen Erzwingungsstreik aus.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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