© dpa/Fabian Sommer
Update Verhandlungen gescheitert: Unbefristeter Kita-Streik in Berlin beginnt am Montag – Senat behält sich rechtliche Schritte vor
Ab dem 30. September gehen die Beschäftigten der landeseigenen Kita-Betriebe in einen unbefristeten Arbeitskampf. Letzte Verhandlungen zwischen Verdi und dem Senat sind am Mittwoch gescheitert.
Von
Die rund 280 landeseigenen Kita-Betriebe werden ab kommenden Montag unbefristet bestreikt. Das teilte die Gewerkschaft Verdi am Donnerstag mit. Zuvor waren letzte Gespräche über eine mögliche Abwendung des Streiks zwischen Verdi sowie der Bildungs- und Finanzverwaltung gescheitert. Angesichts der kompromisslosen Haltung der Gewerkschaft behalte sich der Senat rechtliche Schritte vor, teilte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Donnerstag mit.
Verdi hatte nach eigenen Angaben angeboten, den Streikbeginn zu verschieben, wenn der Senat verbindlich zusagt, konstruktive Verhandlungen aufzunehmen. „Der Senat wollte sich jedoch nicht einmal darauf festlegen, ob es eine Belastung der Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben gibt“, so Verdi in einer Erklärung. Deshalb rufe die Gewerkschaft zum Erzwingungsstreik auf. Die Aufrufe würden ab Donnerstagmorgen verschickt.
„Von ver.di-Seite liegen die Karten schon lange auf dem Tisch“, erklärte die Verdi-Landesbezirksleiterin für Berlin-Brandenburg, Andrea Kühnemann. Mit seiner unkonstruktiven Haltung provoziere der Senat den Streik. Er trage damit die Verantwortung für die Belastung der Eltern und Kinder. Bereits am Dienstag waren Gespräche über eine mögliche Notbetreuung während des Streiks gescheitert.
Bildungssenatorin sieht mangelnde Verhandlungsbereitschaft bei Verdi
Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) widersprach am Donnerstag in einer Erklärung der Darstellung Verdis. Das Land Berlin habe in den Gesprächen „erhebliches Entgegenkommen“ gezeigt und sei bereit gewesen, „substanzielle Angebote“ zu machen. „Dazu gehörte insbesondere die Anerkennung der angespannten Bedarfssituation sowie die Bereitschaft, über wirksame, verlässliche und rechtssichere Entlastungsregelungen für die pädagogischen Beschäftigten zu verhandeln“, teilte Günther-Wünsch mit. Diese Verhandlungsbereitschaft habe Verdi nicht gewürdigt.
Die Kita-Eigenbetriebe setzten nun alles daran, den Betrieb der Einrichtungen aufrechtzuerhalten und die Betreuung so vieler Kinder wie möglich sicherzustellen, so Günther-Wünsch. Man werde die landeseigenen Kita-Betriebe eng begleiten, „die nun umgehend Maßnahmen ergreifen, um ein möglichst verlässliches System für die kommenden Wochen zu etablieren.“
Die Situation in den Kitas und die Arbeitsbelastung für die Beschäftigten waren am Donnerstag auch Thema in der Aktuellen Stunde zu Beginn der Sitzung des Abgeordnetenhauses. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner attackierte die Gewerkschaft Verdi für ihre Streikankündigung scharf. „Alle außer Verdi sind fest davon überzeugt, dass Verdi gerade einen großen Fehler macht“, erklärte Stettner im Abgeordnetenhaus unter dem Applaus seiner Fraktion – die SPD schwieg.
Die Mitarbeitenden der landeseigenen Kitas würden von Verdi „instrumentalisiert“, sagte Stettner und sprach von einer „ausgemachten Verdi-Krise in unserer Stadt“. „Ich halte dieses Vorgehen in höchstem Maße für illegitim, nicht verantwortungsvoll und nicht berechtigt“, erklärte er weiter, bezeichnete die Forderungen der Gewerkschaft als „weder realistisch noch berechtigt“ und forderte Verdi dazu auf, die Streikankündigung zurückzunehmen.
Die Oppositionsparteien sehen hingegen den Senat in der Pflicht, den Streik noch abzuwenden und die Arbeitsbedingungen an den Kitas zu verbessern. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, warf der CDU vor, den Konflikt zu schüren. „Das Bashing von Gewerkschaft ist komplett unangebracht“, sagte sie an CDU-Fraktionschef Stettner gerichtet.
Der Senat hätte vor Monaten den Gesprächsfaden aufnehmen sollen. „Es liegt in ihrer Verantwortung, wenn diese Erzieherinnen immer wütender werden“, sagte sie. Es sei klar, dass zusätzliches Fachpersonal und mehr Geld nicht vom Himmel falle. „Aber der Teufelskreis in überlasteten Einrichtungen muss durchbrochen werden“, sagte Burkert-Eulitz. Sie forderte auch vom Regierenden Bürgermeister direkt, Verantwortung für die Kleinsten in der Stadt zu übernehmen.
Linksfraktion fordert Entlastungsvereinbarung mit verbindlichem Personalschlüssel
Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Brychcy, ging den Senat hart an. Von Mai bis September habe der Senat nichts anderes gemacht, als die Beschäftigten in den Kitas zu beschimpfen, sagte sie. Die Krise in den Kitas verursache nicht der Streik, sondern der Personalmangel und die belastenden Arbeitsbedingungen. Brychcy forderte, eine Entlastungsvereinbarung mit einem verbindlichen Personalschlüssel abzuschließen.
Alexander Freier-Winterwerb, Sprecher für Kinder, Jugend, Familie der SPD-Fraktion, bekannte sich zu Beginn seiner Rede zum Streikrecht und erklärte sich unter Applaus von SPD, Grünen und Linke solidarisch mit den Streikenden. Er sprach sich dafür aus, die Entlastungen etwa durch die Absenkung von Zugangsvoraussetzungen für Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. Darüber hinaus müssten im Ausland erworbene Abschlüsse häufiger anerkannt werden.
Verdi will kleinere Betreuungsgruppen und eigenen Tarifvertrag
Verdi verlangt bessere Arbeitsbedingungen, etwa kleinere Betreuungsgruppen und einen Ausgleich von Belastungen, und will diese in einem eigenen Tarifvertrag festschreiben. Der Berliner Senat lehnt Tarifverhandlungen mit der Begründung ab, dass das Land dadurch aus der Tarifgemeinschaft der Länder fliegen würde. Aber auch andere Lösungen würden in jedem Fall zu Mehrausgaben für das Land führen. Eine Entwicklung, die der Senat aufgrund der schwierigen Haushaltslage vermeiden will.
Ich wehre mich dagegen, dass es einen Flächenbrand an Berliner Kitas gibt. Das ist schlichtweg falsch.
Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin
Bildungssenatorin Günther-Wünsch argumentierte am Donnerstag in ihrer Erklärung zudem, dass der Senat der von Verdi geforderten Regelung gar nicht zustimmen dürfe, da diese einen „erheblichen Eingriff in die wirtschaftliche Geschäftsführung der Kita-Eigenbetriebe“ bedeuten würde, die nach dem Berliner Eigenbetriebsgesetz den Eigenbetrieben beziehungsweise für Grundsatzfragen den Bezirken selbst obliege. Zudem würde es erneut zu einer erheblichen Ungleichbehandlung zwischen den Kita-Eigenbetrieben und den freien Trägern kommen, so die CDU-Politikerin.
Im Abgeordnetenhaus ergänzte Günther-Wünsch, die Umsetzung der Verdi-Forderungen bedeutete die Neueinstellung von rund 4000 zusätzlichen Erzieherinnen und Erziehern. „Blanker Hohn“ sei dieses Ziel in Zeiten des Fachkräftemangels. Jede Absenkung des Betreuungsschlüssels ziehe hunderte zusätzlich benötigte Stellen nach sich, sagte sie und stellte klar, es werde mit ihr keine Tarifverhandlungen mit Verdi geben.
„Ich wehre mich dagegen, dass es einen Flächenbrand an Berliner Kitas gibt. Das ist schlichtweg falsch“, erklärte Günther-Wünsch.
Verdi und die Gewerkschaft GEW hatten nach mehreren erfolglosen Warnstreiks vergangene Woche zu einer Urabstimmung über unbefristete Streiks aufgerufen. Dabei sprachen sich 91,7 Prozent der Verdi-Mitglieder und 82 Prozent der GEW-Mitglieder für einen Erzwingungsstreik aus.
In den 280 landeseigenen Kita-Betrieben werden etwa 28.000 Kinder von rund 7000 Erzieherinnen und Erziehern betreut. Das betrifft etwa ein Fünftel aller betreuten Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben.
Zur Startseite
- Kita
- Senat
- Verdi
showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de