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„Was will der Lama mit dem Gewehr?“ : Von der Einführung der Demokratie in Bhutan
Fernöstliche Kino-Weisheiten mit Witz. Pawo Choyning Dorjis Komödie erzählt von einem Kulturclash.
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Bhutan, du machst es besser. In dem kleinen buddhistischen Königreich, das zwischen den Riesen China und Indien im Himalaya liegt, gehört Glück zur Staatsräson. Genauer gesagt „Bruttonationalglück“, den Begriff gibt es dort wirklich. Nach dem ersten Artikel des geltenden Rechtskodexes: „Der Zweck einer Regierung ist es, das Glück ihrer Bürger zu sichern, und wenn eine Regierung nicht für Glück sorgen kann, hat sie keinen Grund zu existieren.“
Da fragt sich nur noch, was Glück ist. Materieller Besitz und individuelle Selbstbestimmung, die Götzen des Westens? Oder die Bereitschaft, eigene Bedürfnisse zugunsten einer funktionierenden Gemeinschaft zurückzustellen?
Filmemacher Pawo Choyning Dorji betätigt sich mit der Komödie „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ bereits zum zweiten Mal als Kulturbotschafter eines Landes, das der von Kriegen und Konflikten zerfledderten Welt einiges mitzuteilen hat. Sein Debüt „Lunana – Das Glück liegt im Himalaya“ über einen Junglehrer im abgeschiedensten Dorf der Welt wurde 2022 gleich für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert.
Auch diesmal besetzt Dorji wieder Dorfbewohner in Schauspielrollen und erzeugt damit ein authentisches Bild des Landlebens. Sogar der titelgebende Lama des Dorfes Ura, eine heilige Respektsperson, die ihr Leben eigentlich der immerwährenden Meditation gewidmet hat, spielt sich selber.
Waffendealer. Harry Einhorn (Ronald Coleman) und Benji (Tandin Sonam) sind hinter der Flinte von Tashi (Tandin Wangchuk) her.
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Die Geschichte beginnt 2600, als der König von Bhutan freiwillig abdankt, „um dem Volk die Demokratie“ zu schenken, wie es in der Komödie heißt. Tatsächlich ist Bhutan seit 2008 nur noch eine konstitutionelle Monarchie. Fernsehen und Internet kamen erst in den 2000ern in den Städten an, nicht unbedingt in den Dörfern. Als der Mönch Tashi, der Schüler des Lama, im Gasthof ein Getränk ordert, nennt er es „Schwarzes Wasser“ statt Cola.
Einmal „Schwarzes Wasser“ bitte. Mönch Tashi (Tandin Wangchuk) ist für den Lama unterwegs.
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Ein Volk die Demokratie lehren, den Menschen zeigen, wie Wahlen funktionierten, ihnen erklären, was Parteien sind. Das ist die Aufgabe einer Truppe von Regierungsleuten, die eine Testwahl vorbereitet. Auch in Ura, wo es nicht lange dauert, bis Konflikte zwischen selbst ernannten Kandidaten und ihren Anhängern aufbrechen. „Warum sollen wir so unhöflich sein? So sind wir nicht“, sagt eine Alte zu der jungen Wahlleiterin Tshomo (Deki Lhamo), die ihr beibringen will, dass Meinungsverschiedenheiten zum politischen Geschäft gehören.
Auflauf in Ura. Wenn der Lama zum Ritual ruft, kommen im Himalaja alle.
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Städter Benji (Tandin Sonam) ist da schon weiter. Er spricht Englisch, liebt Geschäfte und alles, was aus dem Westen kommt, und macht den Guide für den Amerikaner Ronald Coleman (Harry Einhorn), der für einen Waffennarren ein wertvolles historisches Gewehr sucht. Das hat der Zufall allerdings gerade Tashi (Tandin Wangchuk) zugespielt, der für den eigentlich pazifistisch gesinnten Lama eins besorgen soll.
Mehrfacher Kulturclash
Es ist gleich ein mehrfacher Kulturclash, aus dem „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ sein komisches Potenzial zieht. Stadt und Land, Bhutan und USA, buddhistische Spiritualität gegen westliche Materialität – das knirscht gewaltig. Die Prämisse, einem Volk die Vorzüge der Demokratie erst anpreisen zu müssen, ist in Zeiten weltweiter Demokratiegefährdung extra doppelbödig. „Aber wir sind doch schon glücklich“, bescheidet eine Dörflerin die Wahlbeauftragte, die an Bhutans Fortschritt durch westliche Standards glaubt.
Dass Entwicklung in Bhutan nicht unbedingt so aussehen muss wie im Westen, dämmert auch Benji und dem Waffenhändler irgendwann. Trotz der atmosphärischen Cinemascope-Bilder, des beschaulichen Erzähltempos und des stimmigen Dorfszenarios, waltet in „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ eine konventionelle Komödienmechanik. Inklusiver überraschender Läuterungserlebnisse, aber ohne schlichte Idealisierung dörflicher Unschuld oder Exotismus.
Dass Konfliktlösung nach Lama-Art keine Blaupause zur Befriedung der Welt sein kann, ist auch Regisseur Pawo Choyning Dorji klar. Doch warum nicht von den traditionellen Sitten im einzigen klimaneutralen Staat der Erde lernen?
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de