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Nachruf auf Gena Rowlands: Eine Frau mit Einfluss

Nachruf auf Gena Rowlands: Eine Frau mit Einfluss

© Bearbeitung: Tagesspüiel; Foto: dpa/Chris Pizzello

Nachruf auf Gena Rowlands: Eine Frau mit Einfluss

Gena Rowlands hat in den Filmen ihres Ehemanns John Cassavetes einige der komplexesten Frauenfiguren im Hollywoodkino gespielt. Nun ist sie mit 94 Jahren gestorben.

Von Andreas Busche

Vielleicht ist Gena Rowlands im falschen Jahrzehnt geboren worden. Mit ihrer klassischen Eleganz, durch die stets eine Widerständigkeit gegen die gesellschaftliche Etikette hervorblitzte, einem Glamour, der die Klugheit hinter der Oberfläche nie überstrahlte – man könnte es auch Bodenständigkeit nennen –, und ihrer kratzigen Schlagfertigkeit hätte sie es locker in eine Kategorie mit Stars wie Bette Davis, Barbara Stanwyck und Carole Lombard geschafft.

Doch Rowlands kam einige Jahre zu spät zum Film, ihre großen Vorbilder sah sie nur noch im Rückspiegel. 1979 spielte sie immerhin Davis’ Tochter in dem Fernsehfilm „Strangers“. So blieb Gena Rowlands letztlich gar nichts anderes übrig, als die 1970er zu ihrem Jahrzehnt zu machen.

Welchen Verlauf diese einzigartige Karriere einmal nehmen würde, zeichnete sich 1954 noch nicht ab. In dem Jahr heiratete sie den etwas älteren John Cassavetes, den sie auf der Schauspielschule kennengelernt hatte. Sie blieben bis zu seinem Tod 1989 ein Paar – und gleichberechtigte Partner am Set. In der Kinogeschichte sind die Namen Cassavetes und Rowlands unauflöslich miteinander verbunden, wobei die symbiotische Beziehung der beiden immer wieder auch Anlass zu Spekulationen gegeben hat.

Nachruf auf Gena Rowlands: Eine Frau mit Einfluss

Gena Rowlands, hier neben Hauptdarsteller Peter Falk, in ihrem bekanntesten Film „Eine Frau unter Einfluss“ (1974).

© imago images/Mary Evans/Rights Managed via www.imago-images.de

War John Cassavetes ein genialer Regisseur oder machte erst das neurotische, volatile und hochempfindliche Spiel von Rowlands ihre gemeinsamen Filme „Eine Frau unter Einfluss“ (1974), „Opening Night“ (1977) und „Gloria“ (1980) zu Meisterwerken? Für ihre Rollen als psychisch kranke Hausfrau Mabel und als „Gangsterbraut“ (Gloria über Gloria – allerdings auch der deutsche Quatschtitel), mit der sie sich weit aus dem Repertoire ihrer gemeinsamen Filme lehnte, erhielt sie zwei Oscar-Nominierungen.

Tatsache ist, dass weder der Regisseur noch seine Hauptdarstellerin ohne den anderen jemals so gut waren wie zusammen. Nach dem Tod ihres Mannes drehte sie unter anderem mit Woody Allen, Paul Schrader und Sohn Nick Cassavetes.

Radikal unabhängige Frauen

Nach der Schauspielschule spielte die 1930 im ländlichen Wisconsin geborene Rowlands in den 1950er Jahren zunächst am Broadway. Ihre ersten Auftritte hatte sie in Fernsehserien wie „77 Sunset Strip“, „Bonanza“ und „Top Secret“. Alles änderte sich mit dem Vérité-Drama „Gesichter“ (1968), ihrer ersten richtigen Rolle in einem Cassavetes-Film, der bereits vom unabhängigen Kino der Ostküste beeinflusst war.

Rowlands hat nur wenige Szenen in dem rohen, improvisiert anmutenden Ehedrama – als eine Sexarbeiterin, die gegen ihren Willen in die alkoholisierte Tour de Force der männlichen Hauptfigur hineingezogen wird. Aber ihr fragiler emotionaler Balanceakt in einem Film, in dem viel geschrien wird, erzählt mit aggressiven Close-ups und abrupten Schnitten, ebnete den Weg für eine im Hollywoodkino einmalige Zusammenarbeit.  

Sonnenbrille und Lippenstift sind das Geheimnis.

Gena Rowlands über ihre Schauspielkarriere

In „Eine Frau unter Einfluss“ spielt Rowlands Mabel, die Ehefrau eines gutherzigen, aber emotional beschränkten Bauarbeiters, gespielt von Peter Falk, der immer hilfloser – und gewalttätiger – auf das zunehmend erratische Verhalten seiner Frau reagiert. Ist Mabel eine Gefahr für sich und ihre Umwelt oder schafft sie sich in dem rigiden gesellschaftlichen Konstrukt der Ehe bloß ihre eigene Realität? Zwischenzeitlich landet Mabel in einer Klinik, aber Rowlands Spiel unterläuft klassische pathologische Kriterien; in einer besseren Welt wäre sie vielleicht eine freie und radikal unabhängige Frau.

Nachruf auf Gena Rowlands: Eine Frau mit Einfluss

In dem Gangsterfilm „Gloria“ (1980) ist Gena Rowlands in ihrer schlagfertigsten Rolle zu sehen.

© imago images/Mary Evans

Um solche Ambivalenzen ging es immer in den Diskussionen um die weibliche Subjektivität in den Filmen von Cassavetes. Und stets stand dabei Rowlands im Fokus, deren „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ – der spanische Regisseur Pedro Almodóvar widmete ihr vor 25 Jahren sein bewegendes Melodram „Alles über meine Mutter“ – zu einer regelrechten Obsession ihres Ehemannes wurden.

Es ist nicht zuletzt Gena Rowlands feinnervigem und lebensbejahendem Spiel zu verdanken, dass Cassavetes oft als „Frauen-Regisseur“ gelesen wurde – obwohl schon die feministische Punkband Le Tigre fragte „What your take on Cassavetes“?“ – Was hältst Du von Cassavetes? „Genius? Misogynist?“

Beste Rolle als Gangsterbraut

Gena Rowlands hat immer darauf insistiert, dass ihre Figuren der Feder ihres Mannes entstammten; sie seien das Zeugnis seiner Liebe gewesen. Und tatsächlich gehören Mabel, Myrtle (ihre Diva in einer Lebenskrise aus „Opening Night“) und Gloria – ohne falschen Kitsch, kompromisslos, schlicht ergreifend in ihrer ungeschützten Menschlichkeit – zu den überzeugendsten Frauenporträts in der Ära New Hollywood, an dessen Peripherie Cassavetes Filme zu verorten sind.

„Sonnenbrille und Lippenstift sind das Geheimnis“, hat sie einmal selbstironisch ihre Karriere bilanziert. Der Satz könnte auch über ihrem wohl schönsten Film stehen, weil er dem Stereotyp der anderen Cassavetes-Filme so vehement entgegensteht. In „Gloria“ spielt Gena Rowlands die Freundin eines Mobsters, die plötzlich ihre Muttergefühle entdeckt, als die Gangster die Nachbarsfamilie töten und deren kleiner Sohn als Einziger überlebt.

Gloria nimmt es also mit dem New Yorker Untergrund auf, sie schießt sich ihren Weg frei. In dem Thriller schlägt immer noch das Herz von Cassavetes, der sein Leben lang dysfunktionale Familienfilme gedreht hat. Aber Rowlands –Sonnenbrille, Kostüm, High Heels, den Revolver in der Handtasche – hat sich mit diesem Auftritt ins Hollywood-Gedächtnis gebrannt. Am 14. August ist eine der prägendsten amerikanischen Schauspielerinnen im Alter von 94 Jahren nach langer Alzheimer-Erkrankung verstorben.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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