Bahlsen unterstützte Naziregime: Kekshersteller beschäftigte mehr Zwangsarbeiter als bislang bekannt

© dpa/Julian Stratenschulte

Bahlsen unterstützte Naziregime: Kekshersteller beschäftigte mehr Zwangsarbeiter als bislang bekannt

Bahlsen hat sich nach öffentlicher Kritik mit ihrer NS-Vergangenheit auseinandergesetzt. Eine neue Studie enthüllt die Ausbeutung von Hunderten Zwangsarbeitern.

Fünf Jahre nach den empörenden Aussagen der Firmenerbin arbeitet eine Studie die Geschichte des Gebäckherstellers Bahlsen auf.

Verena Bahlsen hatte viel Kritik auf sich und das Unternehmen gezogen, als sie 2019 behauptete, man habe Zwangsarbeiter bei Bahlsen während der NS-Zeit „gut behandelt“. Kurz danach hatte sie sich entschuldigt und von einem Fehler gesprochen. Doch der Name Bahlsen stand plötzlich nicht mehr nur für Leibniz-Keks und Pick-up-Riegel.

Die öffentlichen Diskussionen hätten dazu geführt, dass sich intensiv mit der Vergangenheit auseinandergesetzt wurde, teilte die Familie nun in einer Stellungnahme mit. „Viele Details aus der Unternehmensgeschichte waren uns nicht bekannt und die Wahrheit ist, dass wir auch nicht nachgefragt haben.“

(…) die Wahrheit ist, dass wir auch nicht nachgefragt haben.

Stellungnahme der Bahlsen-Familie

Eine Studie der beauftragten Historiker Manfred Grieger und Hartmut Berghoff sollte folglich Antworten liefern. Entstanden ist ein 600 Seiten starkes Buch mit dem Titel „Die Geschichte des Hauses Bahlsen“, das sich mit den Jahren von 1911 bis 1974 beschäftigt.

Zwangsarbeiterinnen meist aus Polen und der Ukraine

Das Ergebnis der Untersuchung: Der Konzern unterstützte das Naziregime und profitierte vom System, insbesondere durch den Einsatz von Zwangsarbeitern; Bahlsen beschäftigte mehr Zwangsarbeiter als bislang bekannt. Die Geschäfte im Nationalsozialismus zogen gewaltig an.

Von 1940 bis 1945 haben nach Unternehmensangaben mehr als 800 ausländische Arbeitskräfte Zwangsarbeit für Bahlsen geleistet. Bahlsen zufolge handelte es sich zumeist um Frauen aus Polen und der Ukraine.

Die Zwangsarbeiter in Deutschland unterlagen generell weitreichenden rassistisch motivierten Diskriminierungen, wie die Autoren ausführen. Polinnen und Polen mussten eine violett-gelbe P-Raute auf ihrer Kleidung tragen, die sie als rassistisch diskriminierte Personen erkennbar machte.

Auch bei Bahlsen mussten Zwangsarbeiter aus Polen das stigmatisierende P-Zeichen tragen, schrieben Grieger und Berghoff. Sie erhielten geringere Löhne, kleinere Lebensmittelrationen und eine schlechtere medizinische Versorgung.

Der Studie zufolge waren sie in Baracken untergebracht und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Sozialer Kontakt zu Deutschen war ihnen verboten. Polnischen Männern, denen sexuelle Kontakte zu deutschen Frauen nachgewiesen wurden, drohte die Hinrichtung.

Bahlsen-Familie bedauert das Unrecht

Die Wahrheit über die damaligen Ereignisse sei unbequem und schmerzhaft, teilte die Familie weiter mit. „Wir bedauern das Unrecht, das diesen Menschen bei Bahlsen geschehen ist, zutiefst. Auch bedauern wir, dass wir uns dieser schwierigen Wahrheit nicht früher gestellt haben.“

Das Unternehmensarchiv sei erstmals vollständig für wissenschaftliche Forschungen geöffnet worden. Bahlsen habe das Projekt großzügig finanziert, aber keine inhaltlichen Vorgaben auferlegt, schrieben die Autoren. Ein besonders enger Kontakt habe zu Werner M. Bahlsen und seiner Tochter Verena bestanden.

Jahrzehntelang habe das Unternehmen seine Erinnerung an Zwangsarbeit im eigenen Haus auf das Narrativ eines einvernehmlichen Miteinanders in schweren Zeiten reduziert. Heute bekenne man sich zu seiner Geschichte. „Es ist an uns, diese Erinnerung wachzuhalten und dafür zu sorgen, dass sich diese Geschichte des Nationalsozialismus nie wiederholt“, steht auf einer Erinnerungstafel im Foyer des Stammhauses. (dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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