Bundestagsvize Kubicki zu Compact-Verbot: „Sollte der Beschluss aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“

© dpa/Sven Kaeuler

Update Bundestagsvize Kubicki zu Compact-Verbot: „Sollte der Beschluss aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“

Die AfD spricht von Grundrechtsverstoß, Teile der Zivilgesellschaft zeigen sich erleichtert. Bundestagsvize Kubicki und der Deutsche Journalistenverband warnen vor Klagen. Reaktionen auf das Verbot des rechtsextremem Magazins.

Von

Das in Brandenburg veröffentlichte rechtsextreme „Compact“-Magazin und die „Conspect Film GmbH“ sind vom Bundesinnenministerium verboten worden. Das Magazin mit einer monatlichen Auflage von rund 40.000 Exemplaren sei ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, begründete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin das Verbot am Dienstagmorgen.

Politiker von Regierung und Teilen der Opposition begrüßen das Verbot. „Wir bleiben wehrhaft“, kommentierte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast. Kritik kommt hingegen von der AfD: Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprechen von einem „schweren Schlag gegen die Pressefreiheit“.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und der Deutsche Journalistenverband (DJV) äußert sich skeptisch bezüglich der Umsetzung des Verbotes. Kubicki moniert, dass per Vereinsrecht ein Magazin verboten wurde – und warnt vor möglichen Klagen. „Aber sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“, so Kubicki.

Auch Hendrik Zörner, Sprecher des Deutsche Journalistenverbands (DJV) warnt vor den Konsequenzen eines Rechtstreits. „Wenn die Begründung des Innenministeriums nicht hieb- und stichfest ist, dann könnte ein Gerichtsverfahren zum PR-Coup für Compact werden“, sagte Zörner zum Tagesspiegel. Der Extremismus-Experte Steffen Kailitz rechnet hingegen mit weiteren staatlichen Schritten gegen die rechtsextreme Szene. Die Reaktion im Überblick.

Reaktionen aus der Politik

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) begrüßte das Verbot. Das „Compact“-Magazin stehe für „Hass und Hetze in Hochglanz“, erklärte er am Dienstag in Potsdam: „Diese Plattform der Demokratiefeinde verfolgt ein Ziel, und das ist die Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft.“ Das Magazin, das vom brandenburgischen Verfassungsschutz beobachtet und 2021 als erwiesen extremistisch eingestuft wurde, hat seinen offiziellen Sitz in Falkensee bei Berlin.

Die Verstrickungen zwischen dem neonazistischen Mediennetzwerk und der AfD sind mehr als offensichtlich

Katina Schubert, Linken-Bundesgeschäftsführerin

Innenministerin Faeser betonte, das Magazin hetze „auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“. Das Verbot sei ein harter Schlag gegen die rechtsextreme Szene und zeige, dass auch gegen „geistige Brandstifter“ vorgegangen werde, die den demokratischen Staat überwinden wollen.

Die Linkspartei dringt nach dem Verbot des rechtsextremistischen Compact-Magazins auf ein Vorgehen auch gegen die in Teilen rechtsextreme AfD. „Die Verstrickungen zwischen dem neonazistischen Mediennetzwerk und der AfD sind mehr als offensichtlich“, sagte Linken-Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Damit erhöhe sich der Druck, nun auch „ein Verbot der AfD wirklich zu prüfen“.

Wir bleiben wehrhaft

Katja Mast, SPD-Parlamentsgeschäftsführerin

Als nächsten Schritt sollten Bundestag und Landesparlamente „angesichts der totalen Nähe des Magazins zur AfD“ deren Finanzierung auf den Prüfstand stellen, verlangte Schubert. Dies gelte insbesondere angesichts der Russland-Nähe von Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer auch für Finanzströme aus dem Ausland. Zwar sei gut, „dass dem Demagogen seine wirklich gefährliche Plattform verboten wurde“, doch dürfe es dabei nicht bleiben.

SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast lobte das Verbot als „konsequent“. Hinter Compact stecke „ein großes Netzwerk, das seit Jahren strukturell daran arbeitet, unsere Demokratie zu zersetzen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Faeser zeige mit dem Verbot, „dass sie durchgreift“. „Wir bleiben wehrhaft“, betonte Mast.

Wenn die Begründung des Innenministeriums nicht hieb- und stichfest ist, dann könnte ein Gerichtsverfahren zum PR-Coup für Compact werden.

Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hingegen kritisierte, dass per Vereinsrecht ein mutmaßliches Presseorgan verboten wurde. Bei Compact handle es sich zwar um ein rechtsextremistisches Blatt. Doch das Vereinsrecht ermögliche nur das Verbot von Vereinigungen – und nicht von Medien.

„Aber sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeindlich“, sagte Kubicki.

Konstantin von Notz an, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, widerspricht Kubicki. „Wir gehen davon aus, dass das zuständige Haus die presserechtlichen Fragen, die sich mit Blick auf ein Verbot einer Zeitung stellen, sehr intensiv geprüft und abgewogen hat“, sagte von Notz dem Tagesspiegel. Angesichts der zahlreichen aggressiven Feinde für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands und Europas, müsse sich der Rechtsstaat entschlossen und wehrhaft aufstellen.

Zivilgesellschaft zeigt sich erfreut

Der Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes, Hendrik Zörner, begrüßte am Dienstag den Schritt des Innenministeriums: Unsere Solidarität mit den Compact-Leuten hält sich in engsten Grenzen“. Bei Compact sei für den DJV kein Journalismus betrieben worden, sondern „Hass, Hetze und Propaganda“, sagte Zörner dem Tagesspiegel. Er äußerte jedoch Zweifel, ob das Verbot rechtlich gedeckt sei. Dafür müssten Verstöße gegen Strafrechtsparagraphen vorliegen.

„Die öffentliche Begründung der Innenministerin hört sich zu dünn für ein rechtmäßiges Verbot an. Wir gehen davon aus, dass es noch weiteres Beweismaterial gibt“, sagte Zörner und warnte vor den Konsequenzen eines Rechtstreits: „Wenn die Begründung des Innenministeriums nicht hieb- und stichfest ist, dann könnte ein Gerichtsverfahren zum PR-Coup für Compact werden.“

Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung begrüßte das Verbot. Die Publikation stehe für „Demokratiefeindlichkeit im Magazinformat“, Verschwörungserzählungen und „übelsten Geschichtsrevisionismus“, sagte Sprecher Lorenz Blumenthaler dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Zustimmung kam auch aus verschiedenen Landtagsfraktionen in Potsdam und vom märkischen Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus.

Compact hat 14 Jahre rechte Umsturzfantasien, Verschwörungen und Hetze verbreitet

Astrid Deilmann, Kampagnen-Netzwerk Campact

Von einem „wichtigen Schlag gegen die Neue Rechte“ sprach Astrid Deilmann vom Kampagnen-Netzwerk Campact. „Compact hat 14 Jahre rechte Umsturzfantasien, Verschwörungen und Hetze verbreitet. Der Rechtsextremist und Gründer Jürgen Elsässer hat damit direkt unsere Demokratie angegriffen“, erklärte Deilmann. Auch sie drang ebenso auf ein Verbot der AfD, dort „wo sie als gesichert rechtsextrem eingestuft ist“.

Auch das brandenburgische Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus hat das Verbot des „Compact“-Magazins durch das Bundesinnenministerium begrüßt. Damit werde ein klares Signal gegen die Verbreitung von rechtsextremem Hass und Verschwörungserzählungen gesetzt, sagte Geschäftsstellenleiterin Maica Vierkant dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Potsdam: „Compact hat immer wieder bewusst die rote Linien überschritten und Hetze und Fake News verbreitet.“

Vierkant sagte, es sei „richtig, hier alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten auszuschöpfen“. Was das Magazin mit Sitz in Falkensee bei Berlin in den vergangenen Jahren betrieben habe, sei „brandgefährlich“ gewesen. In Brandenburg hätten die Initiativen „Weltoffenes Werder“, das „Bündnis gegen Rechts Falkensee“, das „Bündnis für Dialog und Toleranz in Oberkrämer, Leegebruch und Velten“ und viele andere kontinuierlich öffentlich darauf aufmerksam gemacht.

Kritik am Verbot von der AfD

Die AfD hingegen hat das Verbot des rechtsextremen „Compact“-Magazins scharf kritisiert. Die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sei „ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit“, sagten die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla in einer gemeinsamen Erklärung. Ein Presseorgan zu verbieten, sei „eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt“. Faeser missbrauche damit ihre Kompetenzen, „um kritische Berichterstattung zu unterdrücken“.

„Die AfD-Brandenburg steht weiter solidarisch zu ‘Compact’“, erklärte auch der AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 22. September, Hans-Christoph Berndt. Die Partei wird dort seit Juni 2020 als rechtsextremer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet. Berndt wird als klar rechtsextrem eingestuft.

Das Verbot sei ein „noch mehr als ein schwarzer Tag für die Demokratie“, sagte Berndt weiter. „Wenn man ein solches Medium verbietet, führt es automatisch dazu, dass die Darstellung regierungskritischer Positionen und damit AfD-naher Positionen erschwert wird.“

Anna Leisten, die Landesvorsitzende der Jungen Alternative Brandenburg, postete auf X: „Egal ob Amerika oder Falkensee: wir werden weiterkämpfen“.

Rechtsextremismusforscher: Compact ist „wichtigstes Medium der rechtsextremen Szene“

Das verbotene „Compact“-Magazin ist dem Rechtsextremismusforscher Maik Fielitz zufolge das wichtigste Medium der rechtsextremen Szene. „Es ist ein Medium, das verschiedene Strömungen des Rechtsextremismus und verschiedener Verschwörungstheorien miteinander vereint“, sagte der Bereichsleiter Rechtsextremismus und Demokratieforschung am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena der Deutschen Presse-Agentur.

Eine der schwersten Waffen der wehrhaften Demokratie

Maik Fielitz, Rechtsextremismusforscher zum Compact-Verbot

Das „Compact“-Magazin verstehe sich als „Vertreter des kleinen Mannes“ und es werde darauf geachtet, Themen nicht zu komplex zu halten und auf skandalisierende Inhalte herunterzubrechen, so Fielitz. Es sei zwar indirekt Teil der Neuen Rechten, „aber ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass das Magazin bewusst nicht diese intellektuelle Schiene fährt“.

Ein Merkmal des Magazins sei, dass es verschiedenen Akteuren eine Plattform biete und über Veranstaltungen wie Sommerfeste die Möglichkeit zum Austausch von Akteuren aus politischen Bewegungen am rechten Rand schaffe, sagte Fielitz. Mit dem Heft sei zudem viel pro-russische Propaganda betrieben worden.

Das Verbot ist laut Fielitz „eine der schwersten Waffen der wehrhaften Demokratie“. Die Marke habe sich über viele Jahre gebildet und sei ein fester Anlaufpunkt für rechtsextreme Ideen geworden. In verschiedenen Telegramgruppen seien bereits Solidarisierungseffekte zu beobachten, es werde von Zensur und einer Beeinträchtigung der Pressefreiheit gesprochen. Es gebe viele Medien, die in die Bresche springen und die Lücke schließen können.

Ich gehe davon aus, dass der Repressionsdruck steigen wird

Steffen Kailitz, Extremismus-Experte

Der Extremismus-Experte Steffen Kailitz rechnet damit, dass dem Verbot des Magazins „Compact“ in Kürze weitere staatliche Schritte gegen die rechtsextreme Szene folgen werden. „Ich gehe davon aus, dass der Repressionsdruck steigen wird“, sagte der Wissenschaftler vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag. Das Verbot des Magazins ergebe nur Sinn, wenn die Szene daran gehindert werde, andere Kanäle für ihre Botschaften zu suchen.

Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums vom Dienstag sei deshalb möglicherweise „ein Baustein innerhalb einer größeren Strategie“. Denkbar sei, dass die Behörden nun die Identitäre Bewegung oder den rechtsextremistischen Teil der AfD um den Thüringer Parteichef Björn Höcke verstärkt ins Visier nehmen.

Kailitz hält das Verbot von „Compact“ für gerechtfertigt. „Es sind dafür gute Gründe vorhanden“, erklärte er. Unter anderem nannte er Hass und Hetze gegen muslimische und insbesondere arabischstämmige Menschen in Deutschland. „Verbreitet wurden hier Kernbotschaften der identitären Rechten wie die Verschwörungsideologie des großen Bevölkerungsaustauschs.“

Gleichwohl betonte der Experte, dass ein Verbot ein „ambivalentes Instrument“ sei, insbesondere wenn die Behörden in den geschützten Bereich der Pressefreiheit eingriffen. Es sei nun mit Klagen gegen die Entscheidung zu rechnen.

Auch sei davon auszugehen, dass sich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um den Rechtsextremismus in den kommenden Monaten zuspitzen werden, fügte Kailitz hinzu: „Vor dem Hintergrund, dass die AfD insbesondere in Ostdeutschland inzwischen stärkste Partei ist, ist das natürlich sehr heikel.“ Das werde erwartbar nicht zu einer Beruhigung des politischen Klimas führen.

Laut Bundesinnenministerium gab es seit Dienstagmorgen im Zusammenhang mit den Verboten Durchsuchungen in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Brandenburg waren nach Angaben des Innenministeriums mehr als 200 Polizeibeamte bei Durchsuchungen in den Orten Falkensee, Werder, Panketal und Groß Kreutz im Einsatz. (dpa, epa, moma, Reuters, AFP)

Zur Startseite

  • AfD
  • Alice Weidel
  • CDU
  • Deutscher Bundestag
  • Nancy Faeser: Alle News rund um die Innenministerin
  • Rechtsextremismus
  • SPD

showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Comments (0)
Add Comment