Energieverbrauch durch Handydaten : „Es bräuchte Emissionsbegrenzungen wie in Verkehr und Industrie“

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Energieverbrauch durch Handydaten : „Es bräuchte Emissionsbegrenzungen wie in Verkehr und Industrie“

Der weltweite Datentransfer frisst enorm viel Strom: wie viel, rechnet eine neue Studie der TU Berlin vor. Was die Politik regulieren müsste – und was man selbst tun kann, um Energie zu sparen.

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Viele Menschen merken gar nicht, wie viele Daten den ganzen Tag lang über ihr Smartphone abgerufen werden. Konzerne wie Google, Meta oder Apple tracken alles, was sie kriegen können. Wer ist zu welcher Zeit, wo und wie lange. Was wird fotografiert oder wonach im Internet gesucht. Und auch, wenn das Handy gerade nicht aktiv genutzt wird, schickt das Gerät regelmäßig Geo-Daten an Server oder kommuniziert mit WLAN-Netzen.

Dieses Abfangen von Daten frisst enorm viel Strom, berichten Forschende der Technischen Universität Berlin (TU): In einer neuen Studie haben sie den Energieverbrauch von Smartphones und seinen Einfluss auf den Klimawandel untersucht.

„Die Geräte selbst verbrauchen gar nicht so viel Strom“, sagt der Physiker Mario Birkholz, Leiter der Studie. „Wesentlich höher ist aber der Energiebedarf für die mobile Datenübertragung und für das Speichern der Daten in den weltweiten Rechenzentren.“

Jeder Chat, jeder Upload zieht Energie

Die Datenübertragung des Internets funktioniert über große Server, die rund um die Uhr Strom verbrauchen und gekühlt werden müssen. Bei jeder Nachricht, jedem Videostreaming oder Foto, das gepostet wird, muss ein Server in einem Rechenzentrum eingeschaltet sein, der diese Vorgänge ermöglicht. Je mehr Daten gesammelt werden, desto mehr Energie wird dafür in den Serverfarmen benötigt. 

60Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent im Jahr an Emissionen verbrauchen die Daten der Smartphones in Europa.

Den Energieverbrauch für die Geräte selbst, also den Strom, mit dem wir unsere Smartphones aufladen, beziffern die Wissenschaftler:innen global auf rund sieben Terawattstunden pro Jahr. Eine Menge, die 4,4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent an Treibhausgas-Emissionen entspricht. Zum Vergleich: Die Stadt Berlin hat einen Gesamtstromverbrauch von rund 12 Terawattstunden pro Jahr.

Der Physiker Mario Birkholz von der TU Berlin forscht zum Datenverbrauch bei Handynutzung. C: TU Berlin.

© TU Berlin

Die Netze und Datenzentren, die der Smartphonenutzung dienen, verbrauchen allein in Europa 140 Terawattstunden, was fast 60 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent an Treibhausgas-Emissionen entspricht. Dabei werden große Mengen an Energie auch für etwas verbraucht, das gar nicht erwünscht ist, etwa dem Speichern von Metadaten, etwa der Information, wann und von wo aus man eine App genutzt hat. So gaben laut einer Umfrage 60 Prozent der europäischen Befragten an, dass sie das Abfangen von Daten von ihren Smartphones eigentlich ablehnen. Die ungewollte Datennutzung entspricht in etwa den Emissionen einer Stadt wie Lissabon.

Forscher warnen vor Emissionszunahme

Der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) insgesamt ist weltweit für drei Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Diese werden weiter ansteigen, auch durch datenintensive Innovationen wie Künstliche Intelligenz oder dem Internet der Dinge. „Wenn wir so weiter machen, könnte der Anteil des ICT-Sektors bis zum Jahr 2030 bei acht bis zehn Prozent liegen“, sagt Birkholz. Ein Anstieg, der den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens von 2015, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen will, entgegenläuft.

„Im Sinne des Klimaschutzes müsste man für den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie genauso Ziele zur Begrenzung der Emissionen formulieren, wie es sie für die Sektoren Verkehr oder Industrie schon gibt“, sagt Birkholz. Der Energieverbrauch durch Smartphones ließe sich senken, wenn man die enormen Mengen an Datenabfluss, darunter viele persönliche Daten, minimieren würde. Die Tech-Konzerne haben daran jedoch kaum Interesse, denn sie verdienen mit den persönlichen Informationen über ihre Nutzer:innen viel Geld.

Die Werbeindustrie kann damit potenzielle Kunden genau identifizieren und gezielt ansprechen. So tun die großen Konzerne viel dafür, das ständige Abgreifen von Daten möglichst unauffällig zu gestalten. Apps wie Tiktok, WhatsApp und Instagram ziehen im Hintergrund ständig Daten und Metadaten wie Kontakte aus dem Netzwerk mit Namen, Adressen, E-Mail und Telefonnummer samt Informationen über gemeinsame Aktivitäten, Verbindungsinfos über getätigte Anrufe und Nachrichten. Aber auch technische Daten wie genutzte Netze – mobil oder WLAN –, Batteriestatus, Browser- oder Gerätetyp.

Tech-Konzerne stehen Einsparung im Weg

„Das Problem sind vor allem die Betriebssysteme und Apps, die so konstruiert sind, dass ein enormes Maß an Abfluss von Daten stattfindet“, sagt Birkholz. Der Energieverbrauch lässt sich jedoch durch das Verhalten der Nutzer:innen und die Einstellungen auf ihren Smartphones beeinflussen. So könnten zum Beispiel die GPS-Ortungsdienste und das WLAN ausgeschaltet werden, wenn sie nicht gebraucht werden. Ist das nicht der Fall, kommuniziert das Smartphone selbst bei einem Spaziergang ständig mit WLAN-Netzen im Umfeld.

Für eine nachhaltigere Smartphone-Nutzung könnten zudem vermehrt alternative Betriebssysteme, Social-Media-Kanäle sowie Open-Source-Software genutzt werden. Alternative Betriebssysteme wie /e/OS, Sailfish oder Lineage könnten es inzwischen mit den konventionellen Betriebssystemen aufnehmen, berichten die Wissenschaftler:innen. Die Nutzung koste etwas Einarbeitung, befreie einen dann aber von permanenten Datenabgriffen. Bisher funktionieren darauf allerdings nur Android-Apps.

Anwendungen wie WhatsApp können durch Alternativen wie Signal oder Matrix ersetzt werden, die wesentlich weniger Daten abfangen. Bei jeder App, die auf dem Smartphone installiert ist, kann man zudem in den Einstellungen sehen, welche Zustimmungen zur Datenübertragung eingeschaltet sind.

Regulierung und Eigenverantwortung

Die Monopol-Stellung der großen Tech-Konzerne macht es den Usern jedoch schwer, sich nachhaltig zu verhalten, da sich die eigenen Kontakte oft schwer tun auf die alternativen Apps mit umzuziehen. Um Digitalpolitik stärker am Gemeinwohl zu orientieren, müsse der Markt für Apps und Betriebssysteme vielfältiger gestaltet sein, betonen die Forschenden.

„Neben mehr Regulation durch die Politik müsste es auch mehr bekannte Persönlichkeiten geben, die alternative Plattformen nutzen“, sagt Birkholz. Hilfreich sei beispielsweise, wenn Prominente und Influencer von X (vormals Twitter) zu Mastodon wechseln, wie es etwa der TV-Moderator Jan Böhmermann getan hat. Die EU hat vor einem Jahr die Mastodon-Kanäle in Betrieb genommen, um die europäische Datensouveränität zu stärken.

Den Energieverbrauch für die Produktion von Smartphones haben die Wissenschaftler:innen in ihrer Studie bewusst außen vorgelassen. In der Herstellung braucht das Smart­phone noch einmal deutlich mehr Energie wie in der Nutzung. Besonders der Abbau der dafür not­wendigen Rohstoffe wie Erze, Metalle und Seltene Erden ist sehr energieintensiv. 

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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