„Er tut alles, um Türken im Ausland zu nutzen“: Sicherheitskräfte haben Bedenken vor dem Erdogan-Besuch

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„Er tut alles, um Türken im Ausland zu nutzen“: Sicherheitskräfte haben Bedenken vor dem Erdogan-Besuch

Ein Grauer Wolf ist der türkische Präsident nicht, aber auch Erdogan hetzt gegen Israel und bekämpft Syriens Kurden. In Berlin erwartet ihn neben der Fußball-EM auch Protest.

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Bundespolitik und Sicherheitsbehörden bereiten sich auf einen möglichen Deutschland-Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor. Der kündigte an, am Samstag das EM-Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande in Berlin zu besuchen.

Wie zu früheren Besuchen kommt Erdogan in einer angespannten Zeit: Die Debatte um ein Verbot türkischer Rechtsradikalen-Vereine samt ihres „Wolfsgrußes“ beeinträchtigt die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara, die wegen Erdogans Unterstützung der islamistisch-palästinensischen Hamas ohnehin schlecht sind.

Nun fürchten Beamte, ein Erdogan-Auftritt erhöhe hierzulande das Sicherheitsrisiko. Man arbeite zur Fußball-EM ohnehin am Limit, berichten Polizeiführer, in den Ballungszentren seien die Beamten wegen der hohen Gefahr islamistischer Angriffe seit Wochen alarmiert.

Ein Sicherheitsfunktionär aus Berlin sagte: „Erdogan kommt immer, wenn es unbequem ist – es in Deutschland also ohnehin gerade heftige Debatten gibt.“ Erdogans islamistische AKP regiert in Ankara mithilfe der faschistischen MHP, die als parlamentarischer Arm der Grauen Wölfe gilt.

„Erdogan könnte Anhänger aufpeitschen“

In den nächsten Tagen stünden sich auf hiesigen Straßen womöglich folgende Lager gegenüber: Unterstützer der kurdischen Autonomiebewegung und türkische Oppositionelle auf der einen Seite, die rechtsradikalen Graue Wölfe und AKP-Anhänger auf der anderen. Insbesondere den türkischen Nationalisten bescheinigen auch Verfassungsschützer eine „Waffenaffinität“.

Viele Exilanten und Deutsche türkischer Herkunft sehen in Erdogan eine Galionsfigur: „Er könnte sie aufpeitschen, es wird wohl hässliche Szene geben. Seit vielen Jahren tut er alles, um diejenigen zu nutzen, die einst aus der Türkei ausgewandert sind.“ Bekannt ist, dass Erdogan in diversen Wahlkämpfen ausdrücklich auf die Stimmen in den Auslandsgemeinden setzte.

Nach Tagesspiegel-Informationen erwägen pro-kurdische, linke Initiativen für die nächsten Tage in Berlin zu Protesten gegen Erdogan aufzurufen.

„Wolfsgruß“-Debatte birgt Brisanz

Die aktuelle Eskalation in den deutsch-türkischen Beziehungen löste der „Wolfsgruß” des türkischen Nationalspielers Merih Demiral nach dem Sieg über Österreich aus. Das mit gespreizten Fingern gebildete Symbol der Grauen Wölfe empört insbesondere Kurden, Griechen und Armenier, die immer wieder Pogrome türkischer Rechtsradikaler trafen. Erdogan ließ in den letzten Jahren brutal syrische Kurdengebiete besetzen.

Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) kritisierte den Vorfall scharf. Als Reaktion darauf bestellte die Türkei den deutschen Botschafter in Ankara ein. Das Auswärtige Amt reagierte wiederum mit Einbestellung des türkischen Botschafters in Berlin am Donnerstag.

In Sicherheitskreisen wird betont, die Uefa als EM-Ausrichter könne in den Stadien bestimmte Symbole verbieten, das Hausrecht erlaube den Turnierverantwortlichen einen solchen Schritt. Ein Verbot des Wolfsgrußes durchzusetzen, sei aber „unmöglich“, sagte ein hoher Beamter. Die rechtsradikale Geste wurde seit EM-Start in vielen deutschen Städten gezeigt.

Zuletzt war Erdogan vergangenen November in Deutschland. Damals war die Lage wegen des seit Oktober 2023 tobenden Krieges zwischen Israel und der Hamas angespannt. Erdogans AKP sieht sich in der Tradition der islamistischen Muslimbrüder, als deren palästinensischer Ableger die terroristische Hamas gilt.

Der türkische Staatschef selbst zeigte bislang vor allem den Rabia-Gruß, eine unter Islamisten beliebte Geste: vier Finger gereckt, den Daumen angewinkelt. So posierte Erdogan auch 2018 bei seinem Staatsbesuch in Berlin.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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