Fashion Week Berlin: Wenn der Laufsteg durchs Museum führt

© Fynn Stoldt

Fashion Week Berlin: Wenn der Laufsteg durchs Museum führt

Die Stadt öffnet ihre Kulturorte für die Fashion Week, damit Mode als kulturelles Ereignis gefeiert werden kann. Neue Gesichter sollen in der ersten Reihe sitzen.

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Wer in dieser Woche einen Museumsbesuch plant, könnte auf Trubel statt auf kontemplative Atmosphäre stoßen. Es ist Fashion Week in Berlin und viele Designer:innen zieht es in die Museen. Von Montag bis Mittwoch werden im Alten Museum, im Kunstgewerbemuseum, im Bode-Museum, auf der Museumsinsel und im Fotomuseum Fotografiska Mode gezeigt. Es sind nicht einfach nur Kulissen für schöne Kleidungsstücke – hinter dieser Verbindung steckt mehr. Die Fashion Week ist zu einem kulturellen Event geworden, das sich vom allzu schnöden Kommerz verabschiedet hat.

Als die Modenschauen noch in einem weißen Zelt am Brandenburg Tor gebündelt waren, mit all den Sponsorenständen und neuen Sportwagen im Foyer, hatte das Ganze den Charme einer Verkaufsveranstaltung, wo jeder mal sein Glück versuchen durfte. Die Designer, denen jetzt die Museen überlassen werden, sind sorgfältig ausgewählt. Man könnte sagen, ebenso kuratiert wie die Kunstwerke, die hier ausgestellt werden.

Wie die Kollektion von Rianna und Nina, die im Februar im Bode-Museum zu sehen war. Die Kleider waren aus kostbaren Stoffen und mit großem handwerklichen Können gefertigt. Auf der anderen Seite der Skala ist die Berliner Marke Namilia, die ihre Mode im Kulturforum zu politischen Anschauungsobjekten der künstlerische und sexuelle Freiheit machte.

Statt Skulpturen – Models posieren in Mode von Rianna und Nina im Bode-Museum.

© Caroline Kynast

Mit der Organisation beauftragt und ausgestattet mit Geld vom Berliner Senat, stellt die Lobbyvereinigung „Fashion Council Germany“ die Fashion Week vom Kopf auf die Füße und fördert mit dem Programm „Berlin Contemporary“ 18 junge, progressive Marken mit jeweils 25.000 Euro für eine Modenschau. So soll das Image der Fashion Week vor allem auch kulturell relevanter werden.

Auch neue Mitstreiter braucht es. „Hier geht es um Kunst, Mode und Kultur“, sagt Tim Neugebauer, Kreativdirektor des Formats „Intervention“, mit dem im Tempodrom die Modewoche eröffnet wird. Er sieht große Überschneidungen von Kunst- und Modeluxusmarkt: „Wer sich einen Mantel von Bottega Veneta für 6.000 Euro kauft, ist auch direkt beim Einstiegspreis von Kunstwerken mit dabei.“

Für das Fashion Council ist es wichtig, dass der Initiator der „Intervention“ und Inhaber der Agentur „Reference Studios“, Mumi Haiati bei der Fashion Week mitmischt. Er sieht sich selbst eher als Kurator, denn als PR-Mann. Wenn eine Luxusmarke wie Gucci in Berlin feiert, hat Reference wahrscheinlich die Finger drin.

Der Name seines Formats sagt schon, worum es Haiati geht, „Intervention“ – also Eingriff. Er will die Fashion Week verändern und neue Gesichter in die erste Reihe setzen. Noch findet er die Gästeliste zum Gallery Weekend interessanter als die der Fashion Week. Aber da arbeitet er dran: „Alles, was wir tun, steht unter dem Arbeitstitel ‚Berlin International‘. Die Rahmenbedingungen stimmen, alle ziehen an einem Strang und die richtigen Designer sind da.“

Die erste „Intervention“ veranstaltete er im Februar in einem leerstehenden Kaufhaus in Neukölln. Der Designer Gerrit Jacobs zeigte zum ersten Mal in Berlin. Jacobs arbeitet zwar in Berlin, orientiert sich aber eher in die großen Modestädte. Ebenso wie Shayne Oliver, der in New York lebt. Bei ihm saßen die Protagonisten der Berliner Kunst in der ersten Reihe. Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, der Fotograf Wolfgang Tillmans und die Künstlerinnen Anne Imhof und Kristina Nagel sahen Olivers Entwürfe, die zwischen queerer Clubszene, Streetwear und High-Fashion changierten. Neben Modenschauen gab es Installationen und Ausstellungen, die sich die Besucher beim Einlass anschauen konnten.

Markante Entwürfe, politische Haltung

Dieses Mal sind wieder zwei Berliner Marken dabei, die sich noch nie auf der Fashion Week präsentiert haben, obwohl sie hier leben und arbeiten.

Im Falle von Claudia Skoda sogar schon seit vielen Jahrzehnten. Ihre große Zeit hatte die 81-Jährige in der Berliner Undergroundszene der 1970er und 1980er Jahren. David Bowie trug ihre Pullover, Martin Kippenberger malte ihr einen Laufsteg. An diesem Montag werden ihre ikonischen Entwürfe zu einer lebendigen Ausstellung. „Ich wollte die Schlüsselfiguren zusammenbringen, die Berlin ausmachen und auch die Generationen“, sagt Mumi Haiati.

Die beiden Designer von GmbH, Serhat Işik und Benjamin A. Huseby sind zwar nicht so lange dabei wie Skoda, dafür sind sie seit vielen Jahre erfolgreich in Paris und Mailand mit ihren Kollektionen vertreten. Zuletzt arbeiteten sie als Chefdesigner bei der italienischen Luxusmarke Trussardi.

Sie fallen nicht nur durch ihre sehr markanten, international gefeierten Entwürfe auf, sondern auch durch ihre politische Position. Als Kinder von türkisch-deutschen und norwegisch-pakistanischen Eltern haben sie eine besondere Aversion gegen alles Nationalistische. Das stellten sie auf ihrer letzten Modenschau im Januar in Paris klar, als sie eine zehnminütige Rede für einen Waffenstillstand in Gaza hielten.

GmbH könnte also das Bewusstsein schärfen, dass Mode in Berlin längst nicht mehr oberflächlich und harmlos ist. Unpolitisch ist sie mit den vielen queeren und genderfluiden Präsentationen sowieso schon lange nicht mehr.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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