Hochwasser in Süddeutschland: Scholz dankt Rettern in Bayern – mehrere Orte in Baden-Württemberg evakuiert

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Update Hochwasser in Süddeutschland: Scholz dankt Rettern in Bayern – mehrere Orte in Baden-Württemberg evakuiert

In Bayern und Baden-Württemberg sind infolge des Hochwassers Zehntausende Helfer im Einsatz. Bundeskanzler Olaf Scholz und Nancy Faeser machen sich vor Ort ein Bild von der Lage.

Gebrochene Dämme, ein toter Feuerwehrmann und Menschen, die aus überfluteten Wohnhäusern gerettet werden: Heftiger Dauerregen hat am Wochenende für Überschwemmungen in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs gesorgt.

Auch zum Wochenbeginn ist vielerorts keine Entspannung der Hochwasserlage absehbar. Obwohl der Deutsche Wetterdienst (DWD) in der Nacht zu Montag alle bestehenden Unwetterwarnungen vor schweren Gewittern mit Starkregen für Deutschland aufhob, wird weiter mit heftigen Regenfällen gerechnet.

Am Montag ist Bundeskanzler Olaf Scholz im Flutgebiet in Oberbayern eingetroffen. Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will er sich im überschwemmten Markt Reichertshofen ein Bild von der Lage machen. Vor Ort dankte der Bundeskanzler den Einsatzkräften und sprach den Betroffenen des Hochwassers seine volle Solidarität zu.

In mehreren Landkreisen Baden-Württembergs gilt die höchste Hochwasser-Warnstufe.

© Grafik: Tsp/Infografik | Quelle: AFP, Hochwasserportal

Aktuelle Hochwasser-Lage in Baden-Württemberg

Im baden-württembergischen Ostalbkreis spitzt sich die Hochwasser-Lage zu. Wegen vorhergesagter Überflutungen wurden in der Nacht zu Montag vorsorglich Menschen in Teilen der Gemeinden Leinzell, Heuchlingen und Göggingen aus ihren Häusern gebracht, wie eine Sprecherin des Krisenstabs am frühen Montagmorgen mitteilte.

Die Gemeinde Täferrot sollte komplett evakuiert werden. Erste Überflutungen hätten den Ort am Morgen bereits erreicht, hieß es. Etwa 250 bis 300 Menschen wurden in der Nacht an sichere Orte gebracht. Es drohten bis zum Morgen Überflutungen der Orte entlang der Lein, sagte die Sprecherin.

Im Nordwesten des Ostalbkreises und im Rems-Murr-Kreis erreichten zwei Rückhaltebecken in der Region ihre maximalen Füllstände. Sie liefen kontrolliert über. Welches Ausmaß die Flut in den Gemeinden haben könnte, war noch unklar. Die Menschen wurden per Warnapps über die Situation informiert. 

Bewohner von Täferrot werden in einer Notunterkunft untergebracht. Es wird ein Dammbruch sowie eine Überschwemmung wegen des Hochwassers in der Lein erwartet.

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Ebersbach: Menschen in Häusern eingeschlossen

In der Nacht zu Montag waren wegen Überflutungen auch in der Stadt Ebersbach an der Fils südöstlich von Stuttgart nach Einschätzung des Landratsamts zahlreiche Menschen in Gefahr. Nach Angaben der Polizei sind einige Bewohner in ihren Häusern eingeschlossen. 

Es wurde Vollalarm ausgerufen, das heißt, alle Feuerwehrkräfte sind im Einsatz. An der Bundesstraße 10 haben Wassermassen eine Lärmschutzwand durchbrochen und die Straße überflutet, wie auf einem Video des TV-Senders „Filstalwelle“ zu sehen ist, das die Stadt am späten Sonntagabend auf ihrer Facebookseite veröffentlichte.

An die Bevölkerung wurde eine eindringliche Warnung gerichtet: „Bitte bleiben Sie Zuhause und kommen Sie nicht zu den Einsatzstellen. Es herrscht teilweise Lebensgefahr, wie Sie auf dem Video sehen können. Laufen Sie bitte nicht in das Wasser rein, überall könnten Schachtdeckel geöffnet sein, die Sie nicht erkennen können!!!“

In Täferrot in Baden-Württemberg werden am 3. Juni 2024 Evakuierte in einer Notunterkunft untergebracht.

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Die Überflutungen betrafen ein Wohngebiet, es wurde eine sogenannte außergewöhnliche Einsatzlage angeordnet, wie das Landratsamt Göppingen am frühen Montagmorgen mitteilte.

Rudersberg: „Land unter, alles ist überflutet“

Heftige Unwetter führten am Sonntagabend auch zu Hochwasser im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg. Die Lage sei vor allem in der Gemeinde Rudersberg angespannt, sagte ein Sprecher der Polizei am frühen Montagmorgen.

„In Rudersberg ist Land unter, alles ist überflutet.“ Menschen seien in ihren Häusern eingeschlossen und würden von der Feuerwehr evakuiert. Die Lage sei noch komplett unübersichtlich.

Einsatzkräfte bringen eine Person mittels Schlauchboot in Sicherheit.

© imago/7aktuell/IMAGO/7aktuell.de | Marc Gruber

Schwäbisch Gmünd: ICE entgleist

Bereits am Sonntag hatten Zehntausende Einsatzkräfte Keller leergepumpt und Straßen und Deiche mit Sandsäcken gesichert. Mehrere Landkreise riefen den Katastrophenalarm aus. Im baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd entgleiste ein ICE nach einem Erdrutsch.

Bei dem Unfall wurde nach Angaben der Deutschen Bahn niemand verletzt. Die für den Fernverkehr wichtige Strecke zwischen Stuttgart und München war zwischenzeitlich gesperrt. Der Zug wurde am Sonntag geborgen.

In der Stadt Ebersbach an der Fils bei Stuttgart ist am Sonntagabend wegen des Hochwassers Vollalarm ausgerufen worden.

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Aktuelle Hochwasser-Lage in Bayern

In Bayern gehen an den Zuflüssen zur Donau die Fluten nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes Bayern vielerorts langsam zurück. Hier seien die Höchststände weitgehend erreicht, hieß es in der Nacht zu Montag im Lagebericht. Nun konzentriere sich das Hochwasser zunehmend auf die Donau selbst. Neuerliche Regenfälle könnten den weiteren Rückgang allerdings verzögern.

In Bayern wurde die Situation am Abend in den schwäbischen Landkreisen Günzburg und Donau-Ries dramatischer. Mehrere Orte wurden evakuiert. In der Ortschaft Ebenhausen-Werk bei Reichertshofen im bayerischen Landkreis Pfaffenhofen ist nach Behördenangaben in der Nacht zu Montag ein Damm gebrochen.

Das bayerische Innenministerium sprach von mehr als 3000 Menschen, die wegen des Hochwassers ihre Wohnungen verlassen mussten.

Auf der Autobahn A9 bei Allershausen steht Wasser auf der Fahrbahn.

© dpa/Felix Hörhager

Pfaffenhofen: Ein Feuermann tot – ein weiterer vermisst

Im Kreis Pfaffenhofen an der Ilm sowie entlang der Donau spitzte sich die Lage am Sonntag weiter zu. Ein Feuerwehrsprecher sprach von einem unberechenbaren Hochwasser, „das wir so auch noch nie verzeichnen mussten“.

Bei einer Rettungsaktion in Pfaffenhofen an der Ilm in Oberbayern starb ein 42-jähriger Feuerwehrmann. Dem zuständigen Landratsamt zufolge kenterte er bei einem Einsatz mit drei Kollegen mit dem Schlauchboot und wurde am frühen Sonntagmorgen tot geborgen. Sein Tod löste Bestürzung aus.

In Offingen in Schwaben wurde ein weiterer Feuerwehrmann vermisst. Der 22-Jährige war ebenfalls in einem Boot unterwegs. Das mit fünf Einsatzkräften besetzte Boot der DLRG-Wasserrettung sei aufgrund starker Strömung gegen 2.50 Uhr gekentert, teilte ein Polizeisprecher mit

In Pfaffenhofen an der Ilm steht ein Großteil des Ortes unter Wasser.

© dpa/-

Vier Einsatzkräfte konnten sich demnach aus eigener Kraft an Land retten und blieben unverletzt. Nach dem 22-Jährigen laufe eine großangelegte Suche – Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren, der DLRG-Wasserrettung, der Wasserwacht, der Bundeswehr und der Polizei seien daran beteiligt. Neben Booten kommen dabei den Angaben zufolge auch zwei Hubschrauber zum Einsatz.

Schrobenhausen: Vermisste tot aufgefunden

Im oberbayerischen Schrobenhausen haben Rettungskräfte eine Leiche im Keller eines Hauses entdeckt. Es handele sich um eine vermisste 43-Jährige, nach der seit Sonntag gesucht worden war, sagte ein Polizeisprecher am Montag.

Zuvor hatten der „Donaukurier“ und „Bild“ berichtet. Die Frau ist das zweite bekannte Todesopfer des Hochwassers in Bayern und Baden-Württemberg.

In Schrobenhausen wurden Menschen mit Lastwagen in Sicherheit gebracht.

© imago/7aktuell/Marc Gruber

Scholz, Faeser, Habeck und Söder im Hochwassergebiet

Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Montagnachmittag im Flutgebiet in Oberbayern eingetroffen. Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will er sich in dem am Vortag von Wassermassen überschwemmten Markt Reichertshofen ein Bild von der Lage vor Ort machen.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder machen sich in Reichertshofen ein Bild von der Lage.

© AFP/Lukas Barth

Den Betroffenen des Hochwassers in Süddeutschland sprach Scholz seine volle Solidarität zu. Solidarität sei das, „was wir als Menschen am meisten brauchen“, sagte er am Montag. „Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann.“ Solidarität sei „geübte Praxis“ betonte er. „Das gehört sich so und so ist Deutschland.“

Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen, besonders auf Hochwasser, einstellen, sagte Scholz. „Das ist in diesem Jahr das vierte Mal, dass ich in ein konkretes Einsatzgebiet gehe“, sagte er und nannte das einen „Hinweis darauf, dass was los ist“. Die „Aufgabe, den Menschengemachten Klimawandel aufzuhalten“, dürfe nicht vernachlässigt werden. „Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.“

Bundeskanzler Olaf Scholz, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bundesinnenministerin Nancy Faeser besichtigen das Hochwasser im oberbayerischen Reichertshofen.

© dpa/Sven Hoppe

Faeser drückte im Gespräch mit Lokalpolitikern ihre Betroffenheit über den Tod eines Feuerwehrmannes im Hochwasser-Einsatz aus: „Das ist wirklich furchtbar, was da passiert ist“, sagte sie am Montag. „Da sieht man, wie gefährlich diese Einsätze sind.“

Bei ihrem Besuch zeigte sich Faeser beeindruckt von dem Zusammenhalt in der Region und wie gut die Rettungskräfte zusammenarbeiten. Ihr Eindruck sei, „dass nach dem Ahrtal auch die Lehren daraus gezogen wurden, dass das viel besser funktioniert in der Koordinierung, in der Zusammenarbeit“, sagte sie am Montag bei ihrem Besuch im oberbayerischen Markt Reichertshofen.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Markus Söder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser machen sich in Reichertshofen ein Bild von der Lage.

© dpa/Peter Kneffel

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besuchten bereits zuvor betroffene Gebiete. Dabei dankte Vizekanzler Habeck allen Einsatzkräften in den Hochwasserregionen: „Dass sie diesen Mut, diese Einsatzbereitschaft aufbringen, ist keine Selbstverständlichkeit.“ Der Familie des gestorbenen Feuerwehrmannes drückte er sein Mitgefühl aus: „Es ist furchtbar. Er starb, als er Menschen vor dem Hochwasser retten wollte.“

Robert Habeck und Joachim Herrmann, Innenminister von Bayern, bei ihrem Besuch im Hochwassergebiet.

© dpa/Sven Hoppe

Dass sie diesen Mut, diese Einsatzbereitschaft aufbringen, ist keine Selbstverständlichkeit.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Bayern und Baden-Württemberg derweil Hilfe beim Hochwasser angeboten. „Selbstverständlich bieten wir unsere Hilfe und Unterstützung durch unsere hochwassererfahrenen Hilfskräfte an“, sagte Woidke laut einer Mitteilung am Sonntag.

Auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) hatte Scholz bereits vor seinem Besuch im Hochwassergebiet den Rettungskräften und Helfern in den Hochwassergebieten seinen Dank und Respekt ausgesprochen.

Wetterprognose für Süddeutschland

In der Nacht hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) alle Unwetterwarnungen vor schweren Gewittern mit Starkregen aufgehoben. Weiterhin gibt es demnach vor allem in Süddeutschland aber noch gebietsweise schauerartige Regenfälle mit Potenzial für Starkregen, wie der DWD am frühen Montagmorgen mitteilte.

Ab Mittag sollen dann vor allem Gebiete südlich der Donau sowie am Bayerischen Wald betroffen sein. Kleinräumig könnten dann auch Unwetter nicht ausgeschlossen werden.

Bis zum Abend könnten sich die Unwetter allmählich auch nach Süden, bis zum Hochrhein und ins nördliche Alpenvorland ausbreiten, hieß es. Am Abend sind auch an den Alpen erste kräftige Gewitter mit Starkregen möglich. (dpa/tsp)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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