My Name is Luca: Auf der Erde begann das Leben wahrscheinlich viel früher als bisher vermutet

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My Name is Luca: Auf der Erde begann das Leben wahrscheinlich viel früher als bisher vermutet

Für Fossilfunde ist es dann doch ein wenig zu lange her. Aber neue Berechnungen kommen zu dem Schluss, dass der Urahn allen irdischen Daseins wirklich sehr, sehr früh dran war.

Von Stefan Parsch

Der letzte gemeinsame Vorfahre allen bekannten Lebens hat womöglich schon viel früher gelebt als bisher angenommen. Etwa 4,2 Milliarden Jahre soll das schon her sein. Bei einer genetischen Untersuchung verfolgte ein internationales Forschungsteam um Philip Donoghue von der Universität Bristol den Stammbaum der Arten zurück bis zu den mutmaßlichen Anfängen: der Studie zufolge ein Einzeller, der heutigen Bakterien ähnelt.

Es könnte aber damals auch schon andere Lebewesen sowie Viren gegeben haben, schreibt die Gruppe in der Fachzeitschrift «Nature Ecology & Evolution».

Urururopaoma Luca

Die heutigen Lebewesen weisen viele Parallelen auf – unter anderem nutzen sie den gleichen genetischen Code und Adenosintriphosphat (ATP) als Energieträger. Deshalb nehmen Biologen generell an, dass alle heutigen Lebewesen einen gemeinsamen hypothetischen Vorfahren haben, genannt Luca („Last Universal Common Ancestor“).

Bisher wurde für Luca ein Alter von höchstens 3,9 Milliarden Jahren angenommen. Dafür sprach, dass frühes Leben vermutlich das sogenannte späte schwere Bombardement nicht überlebt hätte, bei dem vor grob 4 Milliarden Jahren allem Anschein nach zahlreiche Himmelskörper auf der Erde einschlugen.

Doch neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Einschläge möglicherweise weniger heftig waren als bisher angenommen. Dann könnte der letzte gemeinsame Vorfahr auch schon wesentlich früher gelebt haben.

Interessant ist, dass er offensichtlich über ein frühes Immunsystem verfügte.

Studienautor Davide Pisani, Biologe an der Universität Bristol, über „Luca“

Die Kalkulationen in der aktuellen Studie kommen auf ein Alter von 4,2 Milliarden Jahren – das wäre nur grob 400 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems. «Wir hatten nicht erwartet, dass Luca so alt ist, nur Hunderte von Millionen Jahren nach der Entstehung der Erde», wird Ko-Autorin Sandra Álvarez-Carretero von der Universität Bristol in einer Mitteilung der Hochschule zitiert.

Schon damals mit Immunsystem

In ihrer Analyse untersuchten Donoghue und Kollegen bestimmte Gene im Stammbaum der Arten und berechneten ihr Alter unter anderem anhand der vermuteten Mutationsraten, der sogenannten molekularen Uhr. Die Alterskalibrierung ihres Modells überprüften sie an Fossilien.

Das Team geht davon aus, dass das Erbgut von Luca aus rund 2,75 Millionen Basenpaaren bestand – eine vergleichbare Größenordnung wie bei heutigen Einzellern ohne Zellkern, also Prokaryoten. «Aber wirklich interessant ist, dass er offensichtlich über ein frühes Immunsystem verfügte», sagt Ko-Autor Davide Pisani, ebenfalls aus Bristol.

«Das zeigt, dass sich unser Vorfahre bereits vor 4,2 Milliarden Jahren in einem Wettrüsten mit Viren befand.» Denn das vermutete Luca-Erbgut enthielt bereits Gene für ein einfaches Crispr-System, einem Vorläufer von Crispr-Cas, mit dem sich heutige Bakterien gegen Viren wehren und das auch in der Biotechnologie als Genschere genutzt wird.

3,9Millionnen Jahre war bisher das geschätzte alter von Luca

Die Forscher gehen davon aus, dass neben Viren auch andere Einzeller in der Umgebung von Luca lebten. Luca habe zu den sogenannten acetogenen Einzellern gehört – so benannt nach der Essigsäure, die als Endprodukt ihres Stoffwechsels ausgeschieden wird. Diese könnten Einzeller, die Methan produzieren, als Nährstoff genutzt haben. Luca selbst könnte – so das Forschungsteam – Wasserstoff und Kohlendioxid als Ausgangsprodukte seines Stoffwechsels verwendet haben.

Im Urozean. Und auf anderen Planeten?

Als Lebensraum können sich die Forscher zwei Bereiche vorstellen, an denen im Urozean freier Wasserstoff zur Verfügung stand: entweder knapp unter der Wasseroberfläche oder aber an warmen Quellen in der Tiefsee.

Für die erste Möglichkeit spräche, dass eines der von den Forschern postulierten Gene den Bauplan für ein Protein trug, mit dem heutige Lebewesen Schäden durch ultraviolette Strahlung reparieren. Zudem wäre durch den damals starken Vulkanismus genügend Wasserstoff in der Atmosphäre gewesen, der in das Oberflächenwasser hätte gelangen können. Freien Sauerstoff brauchte Luca demnach nicht.

«Unsere Arbeit vereint Daten und Methoden aus mehreren Disziplinen und enthüllt Erkenntnisse über die frühe Erde und das Leben, die von keiner Disziplin allein erreicht werden könnten», betont Donoghue. Die Ergebnisse zeigten auch, dass sich zu Zeiten von Luca wahrscheinlich schon ein Ökosystem etabliert hatte. «Dies deutet darauf hin, dass das Leben in erdähnlichen Biosphären anderswo im Universum gedeihen könnte.» (dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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