Strategie für Bundestagswahl: SPD will Steuerzahler entlasten, Mindestlohn erhöhen und Unternehmen anlocken

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Update Strategie für Bundestagswahl: SPD will Steuerzahler entlasten, Mindestlohn erhöhen und Unternehmen anlocken

Die SPD will weniger Steuern für die Mittelschicht, eine Kaufprämie für E-Autos und Anreize für Investitionen. CDU-Chef Merz greift die Partei frontal an. Die Union spricht von „Vorschlägen aus der Mottenkiste“.

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Rund ein Jahr vor der nächsten regulären Bundestagswahl liegt die SPD in Umfragen deutlich hinter der Union, bekommt nur etwa halb so viel Zuspruch wie CDU/CSU. Co-Parteichef Lars Klingbeil rief deshalb eine „Aufholjagd“ der Sozialdemokraten aus. Wie diese inhaltlich gelingen soll, zeigt nun ein Strategiepapier zur Wirtschaftspolitik, das der Parteivorstand auf seiner Klausur an diesem Sonntag beschließen wird.

Das sechsseitige Papier mit dem Titel „Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten“ liegt dem Tagesspiegel vor. Klingbeil hatte bereits angekündigt, dass der Kampf um Industriearbeitsplätze ein zentrales Feld der Auseinandersetzung vor allem mit der CDU werden soll.

Damit kurbeln wir die Wirtschaft von unten und aus der Mitte der Gesellschaft an.

Die SPD in einem Strategiepapier

Konkret will die SPD für 95 Prozent der Steuerzahlenden die Einkommenssteuer senken, während das eine Prozent mit den höchsten Einkommen mehr zahlen soll. „Die Steuerpflichtigen mit den allerhöchsten Einkommen können dafür etwas mehr Verantwortung übernehmen, um eine Steuersenkung für den Großteil der Menschen zu finanzieren“, heißt es in dem Papier.

Der Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen. Unternehmen, die in Zukunftsbranchen und damit moderne Arbeitsplätze investieren, sollen Superabschreibungen bekommen. „Wer in Deutschland investiert, erhält steuerliche Vergünstigungen“, heißt es in dem Papier. Damit würde eine Strategie verwendet, die auch die US-Regierung zum Anlocken von Firmen und Investitionen verwendet.

Für E-Autos soll es neue Kaufanreize geben. Außerdem will die SPD eine E-Auto-Quote für Leasinganbieter einführen und E-Dienstwagen steuerlich fördern. Industriebetriebe sollen, wie von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagen, durch eine Entlastung bei den Netzentgelten weniger für Strom zahlen.

Die SPD fordert in dem Papier außerdem erneut eine Reform der Schuldenbremse und wirbt für die Einrichtung eines Deutschlandfonds, um privates und öffentliches Kapital für Zukunftsinvestitionen zu mobilisieren. Von der Ampelkoalition wird eine zügige Verabschiedung des Bundestariftreuegesetzes und des Rentenpakets II gefordert.

Scharfe Kritik an Merz

Der Union und deren voraussichtlichem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz wird in dem Papier vorgeworfen, „Lohnzurückhaltung, Sozialabbau, Rentenkürzungen, die Einschränkung des Streikrechts, die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur und die Streichung öffentlicher Investitionen“ zu fordern. Diese Vorschläge seien der falsche Weg, um Deutschland aus der Krise zu holen.

„Wer die Beschäftigten in Deutschland als faul beschimpft und ihnen gute Löhne und sichere Renten verweigert, der hat den Respekt für die wahren Leistungsträger verloren, die unser Land mit ihrer harten Arbeit jeden Tag am Laufen halten“, schreibt der SPD-Vorstand. „Dazu gehören auch die vielen Millionen Beschäftigten mit Migrationsgeschichte und ihre Familien, die jeden Tag erleben müssen, von CDU und CSU als ,Problem’ bezeichnet zu werden.“

Union: „Vorschläge aus der Mottenkiste“

Thorsten Frei, der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, wies die Attacken auf CDU-Chef Merz zurück. „Wenn die Kanzlerpartei sich mit Falschaussagen am Oppositionsführer abarbeitet, zeugt das vor allem von fehlender Souveränität und Kleingeistigkeit“, sagte er dem Tagesspiegel. Im SPD-Strategiepapier sieht er „Vorschläge aus der politischen Mottenkiste“. „Deutschland befindet sich das zweite Jahr in Folge in der Rezession, und die SPD findet nicht die Kraft zu einem echten Kurswechsel“, sagte Frei.

Die Partei wolle eine Fortsetzung der als „Industriepolitik“ verbrämten Subventionspolitik. Der Mittelstand sei der SPD anders als große Konzerne egal. „Was wir wirklich brauchen, sind niedrigere Strom- und Energiepreise, wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, Leistungsanreize und eine Haushaltspolitik, die den Schwerpunkt auf Zukunft setzt“, so Frei.

Frei schlug den Sozialdemokraten vor, sich an der Agenda 2010 ihres früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder ein Beispiel zu nehmen. Stattdessen vergreife sich die SPD wieder einmal am Mindestlohn, obwohl dieser Sache der Tarifparteien sei. Auch die abermalige Forderung nach einer Lockerung der Schuldenbremse kritisierte er: „Einfallsloser geht es nicht!

Der Oppositionspolitiker forderte die SPD auf, mit einer Entlastung von Bürgern und Unternehmen nicht erst bis zur Bundestagswahl zu warten. „Deutschland kann sich ein weiteres Jahr Stillstand, der von der Ampel mitverursacht wurde, einfach nicht leisten. Die SPD solle endlich regieren, anstatt vorzeitig in den Wahlkampf einzusteigen.

Grüne warnen vor Groko-Vergangeheitsbewältigung

Die Grünen schauen verwundert auf den Streit von SPD und CDU/CSU. „Was Deutschland nicht passieren darf, ist ein Zurück in die Lähmung der GroKo-Jahre, als die Modernisierung des Landes systematisch verhindert wurde. Der Streit der zwei GroKo-Parteien um die bessere Vergangenheitsbewältigung ist zu wenig für die Zukunft des Landes“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Tagesspiegel. Stark sei Deutschland, wenn man Innovation in der Wirtschaft, neue Klimatechnologien und absolute Klarheit gegenüber autoritären Regimen wie Russland und China zusammendenke.

Inhaltlich zeichnet sich bei den Grünen allerdings durchaus eine Schnittmenge zu den Forderungen der SPD ab. Zur Stärke des Landes gehörten gute Jobs, ein höherer Mindestlohn, mehr gute Tarifverträge, Entlastung für die Mittelschicht und Investitionen in unsere Infrastruktur, in Kitas und Schulen, in die klugen Köpfe der Zukunft, sagte Audretsch.

Lindner wirft SPD Abschied von Sozialer Marktwirtschaft vor

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner wirft der SPD vor, sich mit ihrer neuen Wirtschaftsstrategie von der Sozialen Marktwirtschaft zu verabschieden. „Die SPD will mittelständische Betriebe stärker besteuern. Dafür soll der Staat mit Schulden Subventionen für geplante Investitionen an die Wirtschaft zahlen“, schrieb er auf der Plattform X. „Es wird klar: Die nächste Wahl entscheidet über gelenkte Verwaltungswirtschaft oder Soziale Marktwirtschaft.

„Wenn die SPD 95 Prozent der Steuerzahler entlasten will, schlage ich ein. Aber nicht auf Kosten von Fachkräften und Mittelstand“, schrieb Lindner. „Wir können das finanzieren durch eine weitere Bürgergeldreform und die Unterbindung irregulärer Einwanderung in den Sozialstaat.“

VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte dem Tagesspiegel, es brauche mehr als nur Symptombekämpfung. „Die deutsche Automobilindustrie ist wettbewerbsfähig, der deutsche Standort ist es nicht.“ Elektromobilität müsse in der Gesamtbilanz einen klaren Kostenvorteil bieten. Hierfür forderte Müller einen niederigeren Ladestrompreis.

„In Sachen Zustand unseren Standorts gibt es keinen Interpretationsspielraum mehr“, warnte Müller. .Der Strompreis liege für deutsche Unternehmen bis zu dreimal höher als für internationale Wettbewerber etwa aus den USA oder China. Deutschland sei ein Höchststeuerland und die bürokratischen Belastungen für Unternehmen lägen weit über dem OECD-Durchschnitt. (mit dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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