Ungewollt schwanger: Wie Frauen verlässliche Informationen zu Abtreibungen finden

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Ungewollt schwanger: Wie Frauen verlässliche Informationen zu Abtreibungen finden

Wenn Ärztinnen schweigen und Praxen keine Auskunft geben, stehen Frauen mit ihren Fragen alleine da. Eine neue Webseite bietet wissenschaftlich fundierte Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen.

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Eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, gehört zu den schwierigsten Momenten im Leben einer Frau. Die Verunsicherung ist groß: Wo finde ich zuverlässige Informationen? Welche Optionen habe ich? Die Antworten auf diese Fragen sind oft schwer zu finden – gerade dann, wenn sie am dringendsten benötigt werden.

Viele Arztpraxen meiden das Thema Schwangerschaftsabbruch auf ihren Webseiten, und viele Frauen scheuen sich, danach zu fragen. Hier setzt ein neues Informationsangebot des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) an. Seit Mai 2024 finden ungewollt schwangere Frauen unter Gesundheitsinformation.de wissenschaftlich fundierte Fakten und Entscheidungshilfen.

Ein entscheidender Punkt ist, dass viele Frauen gar nicht wissen, dass es zwei verschiedene Methoden für einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten Wochen nach der Empfängnis gibt. „Das liegt auch daran, dass viele Ärztinnen und Ärzte nur eines der Verfahren anbieten“, erklärt Sonja Siegert, stellvertretende Chefredakteurin des Ressorts Gesundheitsinformation beim IQWiG.

Frauen können zwischen einem medikamentösen und einem operativen Abbruch wählen. Beim medikamentösen Verfahren nimmt die Frau im Abstand von 24 bis 48 Stunden zwei verschiedene Medikamente ein, die eine Blutung auslösen, die die Schwangerschaft beendet. Der operative Abbruch, auch Vakuumaspiration genannt, ist ein kleiner Eingriff, bei dem unter Betäubung ein Plastik- oder Metallröhrchen in die Gebärmutter eingeführt wird. Dieses Röhrchen ist über einen Schlauch mit einem Absauggerät verbunden. Nach der Erweiterung des Gebärmutterhalses kann die Gebärmutterschleimhaut mit dem Embryo abgesaugt werden.

Komplikationen und Nachsorge

Beide Verfahren gelten als risikoarm und zuverlässig. Auf der neuen Webseite erfahren Frauen beispielsweise, dass der medikamentöse Abbruch nur bei zehn von 1000 Frauen scheitert, beim operativen Abbruch sogar nur bei zwei von 1000. Das Risiko von Komplikationen ist ebenfalls gering: Nur bei zwei von 10.000 Frauen treten Verwachsungen in der Gebärmutterhöhle auf, eine mögliche, aber seltene Komplikation.

Sonja Siegert ist es wichtig, die Frauen zu ermutigen, die Vor- und Nachteile der beiden Verfahren für sich abzuwägen. Welches passt vielleicht besser zu mir? Und wenn meine Praxis mein Wunschverfahren nicht anbieten kann, suche ich dann weiter nach einer, die es kann?

Auch die Nachsorge ist ein zentrales Thema: In den ersten Tagen nach dem Abbruch kommt es zu Blutungen und oft auch zu Schmerzen, die sich mit Schmerzmitteln gut behandeln lassen. Beides klingt nach ein bis zwei Wochen ab. Die meisten Abbrüche verlaufen laut der Webseite ohne Komplikationen wie etwa Gebärmutterentzündungen. Zwar wird empfohlen, sich in den ersten Tagen zu schonen, und eine Krankschreibung für einige Tage ist möglich. Wenn sich die Frau aber wohlfühlt, könne sie alles tun, was sie möchte.

Veraltete Methoden

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2023 wurde die Absaugmethode in 48 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche eingesetzt, während sich 38 Prozent der Frauen für das medikamentöse Verfahren entschieden. Die restlichen 14 Prozent entfallen vermutlich auf Ausschabungen mit einem stumpfen Löffel – ein operatives Verfahren, das nicht mehr dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht und in der Anfang 2023 veröffentlichten Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch nicht mehr empfohlen wird.

Offenkundig gibt es jedoch noch Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, die dieses etwas risikoreichere Verfahren weiter anbieten, möglicherweise, weil sie damit sehr vertraut sind. Die Informationen auf der Patientenseite könnten Frauen dabei unterstützen, in der Praxis kritisch nachzufragen, wenn ihnen diese Methode empfohlen wird, und gegebenenfalls nach einer anderen Praxis zu suchen.

Als sich die Redaktion von Gesundheitsinformation.de vor gut einem Jahr mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch zu beschäftigen begann, fiel auf, dass eher wenige Ärztinnen und Ärzte auf ihren Webseiten medizinisches Wissen zum Schwangerschaftsabbruch bereitstellen. Auch Gespräche mit Expertinnen in Beratungsstellen bestätigten das Informationsdefizit. „Viele Frauen, die dort sitzen, sind verunsichert, verstehen nicht genau, wie die verschiedenen Methoden funktionieren“, sagt Siegert. Auch die Rahmenbedingungen, etwa in welcher Frist nach der Befruchtung ein Abbruch möglich ist, sind nicht allen Frauen bekannt.

Stigmatisierung bleibt

Dies bestätigt auch die ELSA-Studie, die vom Bundesgesundheitsministerium gefördert wurde. Der offizielle Abschlussbericht soll dem Ministerium Ende Oktober 2024 vorliegen und dann veröffentlicht werden. Ziel der Studie war es, die psychosoziale und medizinische Versorgungssituation von ungewollt schwangeren Frauen zu untersuchen.

Die Forscherinnen fanden heraus, dass Frauen nur schwer an Informationen kommen. Befragt wurden 600 Frauen, die eine Schwangerschaft abgebrochen hatten. Über die Hälfte berichtete von Schwierigkeiten bei der Suche nach Informationen – meist wegen der Stigmatisierung, die sie in ihrem Umfeld erfahren hatten. Viele der Frauen gaben an, dass sie ihre Schwangerschaft geheim halten mussten oder Angst hatten, dass schlecht über sie gedacht oder geredet würde.

Dass viele ungewollt schwangere Frauen Angst vor Stigmatisierung haben, ist angesichts der Gesetzeslage nicht überraschend. Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß Paragraf 218 des Strafgesetzbuches prinzipiell strafbar und wird in einer Reihe mit Mord und Totschlag geregelt. Nur in den ersten drei Monaten bleibt die Beendigung der Schwangerschaft straffrei, sofern die Frau sich zuvor in einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.

Während sich Frauen bei anderen Gesundheitsproblemen oft an ihre Ärztin wenden oder im Bekanntenkreis erkundigen, tun viele das beim Thema Schwangerschaftsabbruch nicht. Sie fürchten, man könnte ihnen vorwerfen, bei der Verhütung versagt zu haben, oder sie haben Sorge, moralisch bewertet zu werden.

Trotz Streichung des Paragrafen 219a

Eine weitere Barriere: Bis vor zwei Jahren war es Ärztinnen und Ärzten durch Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verboten, für den Abbruch der Schwangerschaft zu werben. Das bedeutete, dass Ärztinnen und Ärzte keine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen konnten, ohne Strafanzeigen oder Strafverfolgung fürchten zu müssen. Zwar wurde der Paragraf 219a im Jahr 2022 abgeschafft, aber viele Praxen stellen dennoch keine Informationen auf ihre Homepage – vermutlich aus Angst vor Anfeindungen. Dies verzögert die Informationssuche der Frauen, setzt sie unter Zeitdruck und erhöht die psychische Belastung.

Auch aus diesem Grund ist das neue, wissenschaftlich fundierte Informationsangebot so wichtig. Frauen müssen die Informationen jedoch auch finden können. Klaus Koch, Chefredakteur und Leiter des Ressorts, ist in diesem Punkt zuversichtlich. Pro Monat verzeichnet die Redaktion zwischen dreieinhalb und vier Millionen Besuche auf ihrer Webseite, bezogen auf den gesamten Themenkatalog.

Auch Sonja Siegert bestätigt, dass das neue Angebot laut Rückmeldungen aus Beratungsstellen Anklang findet. Dies zeige, wie wichtig es ist, Frauen in einer schwierigen Lebenslage die Unterstützung zu bieten, die sie brauchen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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