Vor dem 7. Oktober in Berlin: Mehr als 1000 Teilnehmer bei Palästina-Protest – und Attacke auf Pro-Israel-Demonstranten

© dpa/Jörg Carstensen

Update Vor dem 7. Oktober in Berlin: Mehr als 1000 Teilnehmer bei Palästina-Protest – und Attacke auf Pro-Israel-Demonstranten

Am Montag ist das Hamas-Massaker in Israel ein Jahr her. Schon am Wochenende sind viele Menschen bei Demonstrationen in Berlin auf der Straße – für die Palästinenser, aber auch für Israel.

Von Christoph Papenhausen

Bereits vor dem Jahrestag am 7. Oktober erinnern zahlreiche Menschen in Berlin mit Kundgebungen und Demonstrationen an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg. Knapp 500 Polizistinnen und Polizisten sind im Einsatz, wie die Polizei auf der Onlineplattform X mitteilte. Sie ist am gesamten Wochenende im Großeinsatz, da auch für Sonntag zahlreiche Versammlungen angekündigt sind.

Mehr als 1000 Menschen gingen nach Polizeischätzung am Samstag für eine propalästinensische Demonstration auf die Straße. Am Nachmittag hatten sich dafür zunächst rund 500 Menschen am Platz der Luftbrücke in Tempelhof versammelt, unweit des Polizeipräsidiums. Die Versammlung steht unter dem Titel „Ein Jahr Genozid – und die Welt schaut zu. Gegen Polizeigewalt“. Die Polizei ist mit mindestens 20 Mannschaftswagen vor Ort.

Die Kundgebung richtet sich gegen das Vorgehen Israels in Gaza, das die Veranstalter im Demonstrationsaufruf als „Genozid an der palästinensischen Bevölkerung“ bezeichnen. Außerdem protestieren die Demonstranten gegen die laut Veranstaltern „zunehmende Repression und Polizeigewalt gegenüber Pro-Palästina-Aktivisten“.

Der Großteil der Demonstranten trägt Kufiyas, sogenannte Palästinensertücher. Parolen wie „Terrorismus ist keine Staatsräson“, „Stop Israels war crimes“ oder „Israel tötet“ stehen auf den zahlreichen Plakaten, die sie in die Höhe halten. Auch mehrere Flaggen des Libanon werden geschwenkt.

Mit mehr als einer Stunde Verspätung beginnt die Demonstration um kurz nach 16 Uhr. Grund der Verzögerung: Die Lautsprecher funktionierten anfangs nicht, es war nur ein Rauschen zu hören. Zum Start der Kundgebung rufen die Teilnehmer „Free Palestine“, „Viva Viva Palestina“ und „Free Libanon“.

Protest richtet sich auch gegen angebliche Polizeigewalt

Bevor sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt, werden Reden gehalten. Ein Redner betont seine Hoffnung auf Frieden in Nahost. Außerdem kritisiert er die Berliner Polizei, die seiner Ansicht nach in der Vergangenheit unverhältnismäßig gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen sei. Auch die Medien berichteten nicht ausgewogen über die Proteste, sagt er. Journalisten nennt er „Heuchler“.

Eine Rednerin kritisiert ebenfalls angebliche Polizeigewalt, rassistische Verhaltensweisen auf Seiten der Polizei und Deutschlands Unterstützung für Israel. Außerdem erklärt sie, dass die Demonstrationen auch in Zukunft weitergeführt würden: „Wir werden nicht schweigen, bis die Gewalt ein Ende gekommen hat. Für jede Faust, die auf uns niedergeht, wird unser Widerstand stärker sein“, sagt sie.

Ein weiterer Redner distanziert sich von „jeder Form von Antisemitismus“. Das Vorgehen der Polizei gegen die pro-palästinensische Szene bezeichnet er als „antimuslimischen Rassismus“.

© dpa/Jörg Carstensen

Ein älterer Mann mit einem Schild mit der Aufschrift „Juden gegen Genozid“ hält ebenfalls eine Rede. Er sei dazu überredet worden, sagt er. Er berichtet, dass sein Vater den Holocaust überlebt habe und er deshalb heute auf der Demonstration sei. Seiner Meinung nach sei Friede mit der aktuellen Regierung in Israel nicht möglich. Er nennt die israelische Regierung faschistisch.

© dpa/Jörg Carstensen

Nach einer Dreiviertelstunde setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Während in den Reden teilweise auch gemäßigte Töne angeschlagen wurden, sind die Sprechchöre der Demonstranten eher aggressiv. Sie rufen beispielsweise, dass Israel ein Terrorstaat sei, Massenmord begehe und Kinder umbringe. Ein Aktivist auf dem vorweg fahrenden Wagen ruft: „Hat es am 7. Oktober angefangen?“ Die Menge antwortet: „Nein!“.

Ein kleiner Gegenprotest – und ein Mittelfinger

Der Protest zieht von Tempelhof aus über den Mehringdamm sowie die Koch- und die Friedrichstraße. An der Ecke zur Obentrautstraße hat sich ein kleiner Gegenprotest versammelt. Von der Polizei geschützt, schwenken circa zehn Personen israelische Fahnen.

© Christoph Papenhausen

Im Vorbeigehen formt eine Demonstrantin das Hamas-Dreieck mit ihren Händen. Ein anderer Demonstrant zeigt den Mittelfinger in Richtung der kleinen Gruppe. Andere Demonstranten rufen „Shame on you“ oder „Fuck you, Israel“.

Die Polizei begleitet die Demo engmaschig. Links und rechts des Demonstrationszugs gehen Beamte in je einer Reihe neben den Demonstranten. Vereinzelt stellen Einsatzkräfte die Identität von Teilnehmenden fest, die verbotene Symbole gezeigt oder verbotene Parolen gerufen haben. Aus der Menge sind auch einige „Hamas“-Rufe zu hören.

Später führen verbotene Parolen zu Maßnahmen der Strafverfolgung, wie die Polizei mitteilt. Bis zum Abend gibt es sechs Festnahmen – eine vollständige Bilanz wird jedoch erst am Sonntag vorliegen. Ein Polizeisprecher spricht von einem „störungsarmen Verlauf“ der Demonstration.

Im Zusammenhang mit den Festnahmen berichtet die Polizei auch von dem Versuch, eine junge Frau in die Menge zu ziehen. Einer Polizeisprecherin zufolge ereignet sich dieser Vorfall um kurz nach 19 Uhr in der Kochstraße. Demnach seien Demonstranten auf einen Mann um die 60 und seine etwa 25-jährige Tochter losgegangen. Der Vater sei verletzt worden. Beide seien als proisraelisch zu erkennen gewesen. Ob sie selbst auch jüdischen Glaubens sind, ist zunächst unklar.

Anders als geplant, zieht die Demonstration nicht bis zum Brandenburger Tor, sondern löst sich um kurz nach 20 Uhr schon am Checkpoint Charlie auf.

„Gegen die antisemitische Internationale“: Israel-Solidarität vor der HU

Vor der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte versammeln sich am frühen Nachmittag zahlreiche Menschen zu einer proisraelischen Kundgebung. Die Polizei spricht von schätzungsweise 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Einige von ihnen schwenken israelische Fahnen. Auf einem großen Banner ist das Motto der Kundgebung zu lesen: „Gegen die antisemitische Internationale“. 

© REUTERS/Christian Mang

Die Demonstranten zieht über die Straße Unter den Linden in Richtung Norden der Stadt. Auch Mitglieder der linksradikalen Antifa-Bewegung beteiligen sich. Auf einem Plakat ist etwa zu lesen „reclaim antifa. emanzipation statt antisemitismus“. Auf einem anderen Banner steht: „Punks against Antisemitism“.

Die Demonstration erreicht am Nachmittag ihren Endpunkt ohne größere Störungen, wie es von der Polizei heißt. Allerdings soll eine etwa 20-köpfige Gruppe Gegendemonstranten versucht haben, in den Protestzug zu drängen. Polizisten seien eingeschritten, so der Sprecher.

© dpa/Jörg Carstensen

Am Potsdamer Platz gibt zudem eine Lesung von Texten palästinensischer Schriftsteller, die einige Passanten verfolgen.

Um Straftaten und eine mögliche Eskalation vor dem am Montag bevorstehenden Jahrestag des Anschlags der Terrororganisation Hamas auf Israel zu verhindern, hatte die Versammlungsbehörde der Polizei mehreren Aktivisten die Teilnahme an propalästinensichen Demonstrationen am Wochenende und am Montag per Bescheid untersagt. (mit dpa)

Zur Startseite

  • Friedrichshain-Kreuzberg
  • Krieg in Nahost
  • Mitte
  • Tempelhof-Schöneberg

showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Comments (0)
Add Comment