Vor der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen: So machen AfD und BSW Wahlkampf auf Kosten der EU

© dpa/Hannes P Albert

Vor der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen: So machen AfD und BSW Wahlkampf auf Kosten der EU

Thüringens AfD-Chef Höcke wettert gegen Überweisungen nach Brüssel, die BSW-Vorsitzende Wagenknecht bezeichnet das EU-Ölembargo gegen Russland als „Idiotie“. Dabei profitieren Sachsen und Thüringen von der EU.

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Seitenhiebe gegen die EU gehören für den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke bei Wahlkampfauftritten dazu. Es gebe „immer mehr Zahlungen des deutschen Steuerzahlers in Richtung Brüssel“, sagte er in der vergangenen Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt. Zudem gebe es „mehr Euro-Rettung, damit Geldmengenausweitung und damit immer mehr Inflation“.

Das deckt sich mit dem Wahlprogramm der Thüringer AfD, dessen Kapitel zur EU die Überschrift „Für ein Europa der Vaterländer“ trägt. „Das Streben der EU, sich in einen Superstaat zu transformieren“, so heißt es dort unter anderem, werde strikt abgelehnt. Das „Experiment der EU“ wird von der AfD als „gescheitert“ angesehen, statt dessen eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft „auf der Grundlage souveräner, demokratischer Nationalstaaten“ gefordert.

Argumentatorisch gibt es allerdings ein Problem für die AfD. Denn obwohl die in Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei die EU-Förderpolitik skeptisch beurteilt, hat die AfD nichts gegen die Milliardenzahlungen aus Brüssel. Thüringen solle auch künftig von den EU-Förderprogrammen profitieren, heißt es im Wahlprogramm der Landespartei.

Aus gutem Grund: Nach Angaben der EU-Kommission betrug allein die Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für Ostdeutschland (einschließlich Ost-Berlin ) in den vergangenen 30 Jahren 45,1 Milliarden Euro. Auf Sachsen entfielen dabei 13,1 Milliarden Euro. Im Fall Thüringens beziffert sich die Unterstützung aus dem EFRE-Fonds in den zurückliegenden drei Jahrzehnten auf 6,6 Milliarden Euro.

2,97 Milliarden Euro erhielt Thüringen aus dem Europäischen Sozialfonds seit 1994

Hinzu kommen noch weitere EU-Fördergelder, etwa die Direktzahlungen für Landwirte und Zuwendungen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Aus dem ESF wurden für Thüringen seit 1994 rund drei Milliarden Euro und für Sachsen 4,1 Milliarden Euro ausgeschüttet.

Dass die AfD zwar einerseits das EU-Parlament abschaffen will, aber andererseits durchaus vom EU-Betrieb profitieren will, war bereits vor der Europawahl im Juni aufgefallen. Seinerzeit hatte der Thüringer Landesvizechef René Aust, der anschließend ins Europaparlament gewählt wurde, diesen inhaltlichen Widerspruch nicht wirklich auflösen können. Aust hatte erklärt, dass es seiner Partei mit dem Antreten bei der Europawahl lediglich darum gehe, „keinen Wettbewerbsnachteil“ zu erleiden.

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht fordert, wieder zu russischen Erdölimporten für die Raffinerie PCK in Schwedt zurückzukehren.

© Imago/Wolfgang Maria Weber

Unter den Parteien, die am kommenden Sonntag bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen antreten, sticht auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) durch EU-skeptische Töne hervor. Wie bei der AfD richtet sich die Kritik des BSW vor allem auf die Sanktionspolitik der EU gegenüber Russland. Im Wahlprogramm der sächsischen AfD heißt es beispielsweise: „Von der Sanktionspolitik der EU ist Sachsen als Wirtschafts- und Exportregion auf katastrophale Weise betroffen.“ Auch die BSW-Vorsitzende Wagenknecht hat bereits gefordert, wieder Gas aus Russland zu importieren.

Jüngst erklärte die BSW-Vorsitzende auf der Plattform X, das Festhalten am Ölembargo gegen Russland sei „dumme Politik auf Kosten des gesamten Landes“. Es sei eine „Idiotie, dass Deutschland über Indien per klimaschädlicher Tanker-Öl aus Russland bezieht, aber in Schwedt der Ölhahn für russisches Öl zugedreht bleibt“, so Wagenknecht. Die BSW-Chefin vergaß dabei aber zu erwähnen, dass die bereits im Juni im Rahmen ihres 14. Sanktionspaketes gegen Moskau verschärfte Maßnahmen gegen die so genannte „Schattenflotte“ beschlossen hatte, die russisches Öl in EU-Häfen transportiert.

Kein Land profitiert mehr von Europa als Deutschland.

Ralf Stegner, SPD-Außenpolitiker

„Der antieuropäische Nationalpopulismus der rechtsradikalen AfD und des linksrechtspopulistischen Wagenknecht-Vereins übersieht, dass kein Land mehr von Europa profitiert als Deutschland“, sagte der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner dem Tagesspiegel „Wer das bekämpft, stellt die Weichen für wirtschaftlichen Niedergang und Massenarbeitslosigkeit“, gab er zu bedenken.

Für allem für die Sozialdemokraten stellt das Bündnis Sahra Wagenknecht eine ernsthafte Konkurrenz dar. Wie aus einer im Juni veröffentlichten Studie der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht, sind unter den Sympathisanten des BSW am häufigsten Wählerinnen und -wähler vertreten, die bei der letzten Bundestagswahl von 2021 noch für die SPD gestimmt haben.

In den Umfragen vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag spiegelt sich das auf deutliche Weise nieder. In Sachsen liegt das BSW derzeit zwischen elf und 15 Prozent, während die SPD um den Einzug in den Landtag bangen muss. Die SPD lag in den Umfragen in dem Bundesland zuletzt bei sechs bis sieben Prozent.

In Thüringen, wo das BSW erst im vergangenen März einen Ableger gründete, schneidet die Wagenknecht-Partei in den Umfragen sogar noch besser ab. Laut einer Erhebung von Infratest/dimap, die am 22. August veröffentlicht wurde, kam die Partei auf 17 Prozent. Im Juni hatte das BSW in Thüringen sogar noch vier Prozentpunkte mehr verbucht.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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