Wachstumsschub im Himalaya: Der Mount Everest wird jedes Jahr ein wenig größer

© Jiaqi Sun and Jingen Dai

Wachstumsschub im Himalaya: Der Mount Everest wird jedes Jahr ein wenig größer

Der höchste Berg der Welt legt weiter an Höhe zu. Ein Forschungsteam aus Peking hat nun eine überraschende Erklärung dafür gefunden.

Von Stefan Parsch

Die außerordentliche Höhe und das aktuelle Wachstum des Mount Everest könnte zumindest ein Stück weit mit einem Fluss in der Nähe zu tun. Der Fluss Arun hat einem Computermodell zufolge vor etwa 89.000 Jahre so viel Wasser geführt, dass er ein tiefes Tal in den Himalaya schnitt.

Das fortgespülte Gestein führte demnach zu einer geringeren Last und damit zu einer Geländeerhebung in dem Gebirge, die den Mount Everest zusätzlich 15 bis 50 Meter in die Höhe gehoben hat. Der Prozess hält bis heute an und trägt zur jährlichen Erhöhung des höchsten Bergs der Erde um etwa zwei Millimeter bei, wie ein Team um Jin-Gen Dai von der China University of Geosciences in Peking berichtet.

8849Meter hoch ist der Mount Everest und er wächst jedes Jahr 0,16 bis 0,53 Millimeter.

Der Himalaya ist ein Faltengebirge, das sich durch den Zusammenstoß der indischen Kontinentalplatte mit Eurasien gebildet hat. Der Mount Everest überragt mit seinen 8849 Metern über dem Meeresspiegel die nächsthöheren Achttausender-Gipfel um mehr als 200 Meter. Dies sei überraschend, wenn man bedenke, dass die Tektonik im Himalaya relativ einheitlich sei, schreiben die Studienautoren im Fachjournal „Nature Geoscience“. Sie wollten herausfinden, ob Prozesse in bestimmten Flusssystemen zu dieser außerordentlichen Höhe beigetragen haben.

Kraft des fließenden Wassers

Die sogenannte isostatische Bodenhebung ist ein Prozess, der in nördlichen Gebieten, wie Skandinavien, Kanada und Sibirien, gut untersucht ist: Nachdem diese Gebiete am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 11.700 Jahren von einem bis zu drei Kilometer dicken Eispanzer befreit waren, verringerte sich das Gewicht, mit dem die Erdkruste in den zähflüssigen Teil des Erdmantels drückte.

Die Folge war ein Auftrieb und eine Bodenhebung um mehrere 100 Meter. Ähnliches geschieht auch, wenn reißende Wassermassen durch Erosion Gestein abtragen, wodurch sich der Druck auf den Erdmantel verringert.

Unsere Studie deckt einen bisher unerkannten, zusätzlichen Mechanismus der Gesteinshebung auf, der seit der Flussanzapfung aktiv ist.

Forschungsteam um Jin-Gen Dai von der China University of Geosciences in Peking 

Um diesen Effekt rund um den Mount Everest zu untersuchen, entwickelten Dai und Kollegen ein Computermodell. Damit simulierten sie die Kraft, die das fließende Wasser auf den Grund und die Seiten des Flussbettes ausübt.

Tiefe Schluchten

Das heutige Erscheinungsbild des Flusses Arun war dabei der Ausgangspunkt. „Der Fluss Arun entwässert die südlichen Weiten Tibets und die Nordhänge des Mount Everest, bevor er durch eine enge Schlucht fließt, die auf 35 Kilometern einen Höhenunterschied von sieben Kilometern aufweist.“ Die Forscher vermuteten, dass eine solche Landschaft nur durch enorme Wassermassen geformt werden konnte.

Mithilfe des Modells gingen die Forscher in der Zeit zurück und simulierten die Flussentwicklung unter verschiedenen Gegebenheiten. Die Simulationen deuten darauf hin, dass vor rund 89.000 Jahren durch Erosion eine Verbindung zwischen dem Arun und einem anderen Fluss entstand.

Dadurch wurde Wasser des anderen Flusses in den Arun umgeleitet, der mit einem Mal sehr viel mehr Wasser führte. Die Geologen nennen diesen Vorgang Flussanzapfung. Die vereinigte Wasserkraft hat dann vermutlich die tiefe Schlucht geschaffen.

Die Bodenhebung infolge der starken Erosion betraf in erster Linie den Fluss selbst, aber in abnehmender Stärke auch die nähere Umgebung, zu der der Mount Everest gehört. Je nachdem, wie groß die Bodenhebung war, könnte der Mount Everest 15 bis 50 Meter in die Höhe gehoben worden sein.

Den Simulationen zufolge trägt der Effekt noch heute 0,16 bis 0,53 Millimeter zur jährlichen Erhöhung des Mount Everest bei. „Unsere Studie deckt einen bisher unerkannten, zusätzlichen Mechanismus der Gesteinshebung auf, der seit der Flussanzapfung aktiv ist“, schreiben Dai und Kollegen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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