Wiarda will’s wissen: Wie viele Studenten wirklich abbrechen

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Wiarda will’s wissen: Wie viele Studenten wirklich abbrechen

Das Statistische Bundesamtes liefert erstmals präzise Daten zu Studienabbrüchen. Ein entscheidender Schritt, um die Hochschulbildung zu verbessern und den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Eine Kolumne von

Dass Deutschland ein Statistikproblem hat, wurde Politik und Öffentlichkeit spätestens während der Pandemie drastisch vor Augen geführt. Das Fehlen grundlegender Daten über den Gesundheitszustand der Bevölkerung, weil sie schlicht nicht erhoben wurden, erschwerte fundierte Entscheidungen über geeignete Gegenmaßnahmen, wo sie besonders begründungsbedürftig waren. Ein Blick in die Universitäten zeigt nun, wie langwierig der Aufbau der notwendigen Strukturen für die Sammlung und Auswertung ist, aber auch, wie erhellend ihr Einsatz sein kann.

2016 hat der Bundestag eine Novelle des Hochschulstatistikgesetzes beschlossen. Nachdem sich ein Vierteljahrhundert lang keine Regierung mehr getraut hatte – aus Angst vor einer Debatte über den vermeintlich gläsernen Studenten?

Jedenfalls war die deutsche Ahnungslosigkeit in ihrem Ausmaß einzigartig in Europa: Wie viele Doktoranden gab es? Keine Ahnung, wurde nicht erhoben. Wie viele Studienabbrecher gab es, in welchen Studiengängen, an welchen Hochschulen? Das könne man nur schätzen, sagten die Hochschulforschenden. 

Jetzt, acht Jahre später, hat das Statistische Bundesamt auf der Grundlage der damals ermöglichten Studienverlaufsstatistik erstmals eine exakte Abbrecherquote nach drei Hochschulsemestern berechnet. Sie beträgt über alle grundständigen Studiengänge und Hochschulen hinweg bei den 2019-er Studienanfängern elf Prozent. Klingt nicht viel, ist aber auch nur „eine erste Momentaufnahme“, wie das Bundesamt schreibt. Je weiter die untersuchten Anfängerjahrgänge voranschreiten, desto höher wird die Quote steigen.

Abiturienten brechen seltener ab

Doch schon die ersten Ergebnisse sind eindrücklich: Internationale Studierende brechen häufiger ab als einheimische (17 versus zehn Prozent), Studienanfänger mit beruflicher Hochschulreife eher als sonstige Abiturienten (16,4 versus 9,7 Prozent). Bachelorstudierende kehren dem Hörsaal doppelt so oft den Rücken wie Staatsexamler oder die wenigen noch vorhandenen Magister- und Diplomstudierenden.

Und nein, sie wechseln nicht „nur“ Studiengang oder Hochschule, denn das ist der größte Gewinn der neuen Statistik: Diese gerade von Fächern mit notorisch hohem Studierendenschwund bemühte Ausrede fällt weg. Die Verlaufsstatistik zeigt, ob sich die Studierenden innerhalb von drei Semestern anderswo wieder einschreiben. Nur, wenn sie es nicht tun, gelten sie als Abbrecher. Nächstes Jahr soll die Quote auch auf einzelne Fächergruppen heruntergebrochen vorliegen.

Ein paar Wermutstropfen aus Sicht der Hochschulforscher bleiben. So sorgten die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern 2016 dafür, dass zum Beispiel Migrationshintergrund und die soziale Herkunft der Studierenden aus dem damaligen Gesetzentwurf flogen.

Und dennoch: Auch wenn die individuellen Gründe für einen Studienabbruch vielfältig sind und mancher Abbrecher erst in der dualen Ausbildung richtig durchstartet, verspricht die neue Statistik eine spannende Diskussion über die Verantwortung der Hochschulen für den Studienerfolg. In Zeiten des Fachkräftemangels kommt sie zur rechten Zeit.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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