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Friedrich Merz vor der Kandidatur: Kann sein Kanzlertraum auf den letzten Metern doch noch platzen?

Friedrich Merz vor der Kandidatur: Kann sein Kanzlertraum auf den letzten Metern doch noch platzen?

© dpa/Michael Kappeler

Friedrich Merz vor der Kandidatur: Kann sein Kanzlertraum auf den letzten Metern doch noch platzen?

Nach der Landtagswahl in Brandenburg will die Union ihren Kanzlerkandidaten küren. Die meisten Unionisten sehen Söder chancenlos, Merz gilt als Favorit. Unangefochten aber ist er nicht.

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Er schüttelt Hände, lächelt, und genießt den Applaus. Wo Friedrich Merz auftaucht dieser Tage, wirkt der CDU-Chef meist gelöst. Gerade so, als sei schon alles entschieden: Merz der Unionskandidat für die nächste Bundestagswahl – und sein politischer Traum vom Kanzleramt fast schon in Erfüllung gegangen.

Offen sagen würde er das nie. Auch nicht, nachdem die „Bild“-Zeitung am Sonntag ohne Quellenangabe vermeldete, Merz habe schon entschieden, sich selbst auszurufen. Anders als CSU-Chef Markus Söder schweigt Merz eisern zur „K-Frage“, die verabredungsgemäß nach der Brandenburg-Wahl beantwortet werden soll. Wenn einer Geduld kann, dann ist es Friedrich Merz.

Vor bald 22 Jahren als Unionsfraktionschef gegen seinen Willen ausgebootet von Angela Merkel, zog er sich nach einiger Zeit erst in Aufsichtsräte zurück, um kurz vor Ende ihrer Ära als Kanzlerin wieder ins politische Scheinwerferlicht zu treten. Nicht einmal nahm er Anlauf, nicht zweimal, um den Vorsitz seiner Partei zu übernehmen, der stets mit der Ambition auf das Kanzleramt verbunden ist. Erst beim dritten Mal, Anfang 2022, war seine Partei wieder bereit für ihn.

Merz schweigt und gibt doch viele kleine Hinweise

Nun auch das Land? An kleinen Hinweisen, wie sehr er das möchte und damit rechnet, fehlt es auch bei einem Auftritt in der Konrad-Adenauer-Stiftung Ende vergangener Woche nicht. Da verweist Merz zum Beispiel nebenbei darauf, dass der erste Bundeskanzler an diesem Montag vor 75 Jahren zum ersten Mal gewählt wurde. Jeder kann sich denken, wer sein Erbe antreten will.

2029 müssen wir in Europa und in Deutschland geliefert haben.

Friedrich Merz über das Ende der nächsten Wahlperiode, in der er regieren will

Vor allem aber gewährt er einen kleinen Einblick, wie intensiv er sich bereits mit der herausfordernden Regierungsaufgabe in der nächsten Wahlperiode befasst. „2029 müssen wir in Europa und in Deutschland geliefert haben“, sagt Merz. Ohne für die Bevölkerung spürbare Lösungen aus der politischen Mitte heraus stünde dann nämlich „nicht ein weiterer normaler demokratischer Wechsel ins Haus“.

Er spricht von „wir“ und meint doch „ich“. Aber schickt die schon lang in allen Umfragen meilenweit vorn liegende Union tatsächlich ihn, der trotz aller politischen Erfahrung keine im Regieren hat, als Kanzlerkandidaten ins Rennen?

Was ist mit Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder, der zuletzt den Eindruck einer 50:50-Entscheidung erwecken wollte, als er gönnerhaft feststellte, dass „auch Friedrich Merz“ infrage käme? Und könnte im Duell der Schwesterparteichefs nicht doch der beliebte und geräuschlos mit den Grünen regierende NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Ende lachender Dritter sein?

Die meisten Unionisten sehen Söder chancenlos

Wer in der Union herumfragt, stößt vor allem auf eine Konstante: Der Bayer wird es nicht. Es sei, heißt es in CDU-Präsidiumskreisen zu Söders möglichen Sondierungsgesprächen mit anderen Unionsministerpräsidenten, „nicht bekannt, dass da irgendwo eine Tür aufgegangen ist“. Zu tief sitzt der Ärger über den sabotierten Wahlkampf 2021 und das Nachtreten gegen den damaligen CDU-Chef Armin Laschet, der für Söder auch heute noch „der falsche Kandidat“ war.

Den Ehrgeiz, dieses Jahr selbst Kandidat zu werden, hat der CSU-Chef noch. Manch ein Christdemokrat hat am Wochenende sogleich gemutmaßt, die Quelle des „Bild“-Artikels müsse in München sitzen. Die mögliche Logik dahinter? Die Merz-Skeptiker aus der Reserve zu locken, bevor wirklich entschieden wird.

Friedrich Merz vor der Kandidatur: Kann sein Kanzlertraum auf den letzten Metern doch noch platzen?

Der Ehrgeiz von CSU-Chef Markus Söder ist ungebrochen – stößt aber nicht auf viel Widerhall.

© Sven Hoppe/dpa

„Markus Söder will mehr erreichen als seine Lehrmeister Strauß und Stoiber“, sagt jemand aus dem CSU-Vorstand über die gescheiterten Kanzlerkandidaten aus Bayern: „Sein Problem ist, dass ihn anders als 2021 niemand aus der CDU ruft.“

Aus dem baden-württembergischen Landesverband etwa, wo damals besonders viele Söder-Fans saßen, ist bisher nichts Dergleichen zu hören. Und selbst vor dreieinhalb Jahren wurde am Ende trotzdem der CDU-Chef der Kandidat.

Diesmal also erst recht? Die Brandenburg-Wahl als letzte der Ostwahlen dieses Jahres, hinter die Söder die Beantwortung der K-Frage zu legen drängte, um Merz möglichst schwierige Ergebnisse anlasten zu können, wird an der Analyse nicht mehr viel ändern.

Klar hat auch Merz die Eroberung der Potsdamer Staatskanzlei als Ziel ausgegeben, aber die zu vermutende Pleite lässt sich vergleichsweise einfach auf die Gegebenheiten vor Ort schieben. Nur wenn das Ergebnis richtig mies wird, vielleicht nur knapp zweistellig, könnte es wieder Diskussionen geben.

Merz wird geschätzt – unangefochten ist er nicht

Schließlich hat Merz trotz der knapp 90 Prozent Zuspruch auf dem Parteitag Anfang Mai nicht nur Bewunderer in der CDU. Er wird geschätzt, weil er die nach 16 Regierungsjahren inhaltlich entkernte Partei programmatisch erneuert hat.

Dass man nach der verlorenen Wahl 2021 das Verhältnis zur CSU wieder gekittet hat, war nicht selbstverständlich. Und die meisten Unionisten freuen sich, wenn Merz den Kanzler wie zuletzt in der Migrationspolitik gekonnt vor sich hertreibt. Zwischendurch den künftigen Staatsmann geben – das kann er auch.

Aber es gibt da eben auch den anderen Friedrich Merz. Manche Mitglieder und Funktionäre wähnen sich auf einer Achterbahnfahrt, die nun, da es in puncto K-Frage auf die Zielgerade geht, immer rasanter wird.

Mit der Ruhe, die seit vergangenem Herbst eingekehrt war, weil Merz kaum noch polarisierende Sprüche über „kleine Paschas“ oder „beim Zahnarzt bevorzugte Asylbewerber“ vom Stapel ließ, war es zuletzt jedenfalls vorbei. Eine Wahlkampfrede in Brandenburg wurde ihm als ausländerfeindlich ausgelegt, was er im Bundestag geraderücken musste.

Da war er wieder der Vorwurf, sich unkanzlerhaft nicht immer im Griff zu haben. „Selbst wenn er das richtige meint oder sagen will, gehen die Pferde derart mit ihm durch, dass ihn das halbe Land falsch versteht“, ärgerte sich jemand aus dem CDU-Bundesvorstand: „Einen mehrmonatigen Wahlkampf so überstehen zu wollen, wird extrem schwierig.“

Sein Imageproblem, seine von Meinungsforschern gemessene geringe Zugkraft bei Frauen und Jüngeren hat Merz auch in der Phase selbst auferlegter verbaler Zurückhaltung nicht abstreifen können. „Angela Merkel hat mit dem Satz ,Sie kennen mich‘ eine Bundestagswahl gewonnen“, erzählt ein CSU-Vorstandsmitglied: „Bei Merz ist es anders. Viele meinen, ihn zu kennen. Er ist ganz anders als häufig öffentlich dargestellt – lockerer, freundlicher, verbindlicher.“

Die im Vergleich zu Söder und Wüst bescheideneren Umfragewerte sind aber kein Ausschlusskriterium. „Der Bundestagswahlkampf wird ganz anders als der letzte“, heißt es dazu in Merz wohl gesonnenen Präsidiumskreisen, die nicht in erster Linie eine Persönlichkeitswahl erwarten: „Es wird nicht um Lacher, sondern um Lösungen gehen für die gewaltigen Probleme unseres Landes.“

Zwei einsame Entscheidungen wecken wieder Zweifel

Der wieder aufkeimende Nationalismus, die Sicherheitslage in Europa, die Migrationskrise und die Konjunkturflaute gehören dazu. Für die Bewältigung all dieser Herausforderungen sieht das Merz-Lager in ihm, dem konservativ-wirtschaftsliberalen Transatlantiker, den idealen Regierungschef. Und doch hat der 68-Jährige gerade auf diesen Gebieten zuletzt zwei einsame Entscheidungen getroffen, die die Partei aufwühlen.

Da ist die Bereitschaft, in Sachsen und Thüringen mit der Partei von Sahra Wagenknecht über eine Zusammenarbeit zu reden, weil jenseits der AfD rechnerisch sonst nichts geht. Dagegen formiert sich bereits Widerstand.

Zu denen, die lautstark in den sozialen Medien gegen diesen Kurs trommeln, gehört das Parteimitglied Liane Bednarz aus Hamburg. „Merz ist nicht in der Lage, zwei für die CDU zentrale Prinzipien aufrechtzuerhalten: die Westbindung und die Abgrenzung zu einer Ex-Stalinistin wie Wagenknecht“, sagt sie: „Beides schürt Wut in der Basis.“ Aus deren Sicht sei unverständlich, wie man Wagenknecht hofieren, zugleich aber den linken Erfurter Ministerpräsidenten Bodo Ramelow verteufeln kann, „obwohl sie viel radikaler als er ist – gerade in der Ukraine-Frage“.

Der Parteichef hat die Debatte unterschätzt – und selbst mitzuverantworten. Weil seine Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang 2020 über Thüringen gestolpert war, lockerte er vorausschauend schon im Frühjahr seine Haltung zum BSW, ohne aber seinen Leuten das genauer zu erläutern. „Merz hätte noch klarer kommunizieren müssen“, so das CSU-Vorstandsmitglied, „dass nur so der Rechtsextremist Björn Höcke in Thüringen nicht Ministerpräsident wird.“

Bei der Adenauer-Stiftung hat Friedrich Merz gerade um „Verständnis“ gebeten und von den unterschiedlichen „Prägungen“ in Ost und West erzählt, auf die es Rücksicht zu nehmen gelte. Ob das reicht?

Stattgefunden hat dieser Auftritt ganz kurz nach einem Merz-Manöver, das selbst in der Parteispitze unterschiedlich bewertet wird. „Ich hätte mir das anders gewünscht“, sagt ein Vorstandsmitglied zum Abbruch des Migrationsgipfels mit der Regierung, weil die Forderung nach umfassenden Zurückweisungen an den deutschen Grenzen nicht im Sinne von Merz erfüllt wurde.

Aus der inneren CDU-Logik heraus mag der Schritt nachvollziehbar sein. „Die große Mehrheit unserer Partei findet es richtig, wie Merz den Merkel-Kurs in der Migrationspolitik korrigiert hat“, heißt es denn auch in Präsidiumskreisen: „Ein weicher Kompromiss mit der Ampel hätte unsere mühsam zurückgewonnene Glaubwürdigkeit in dieser Frage sofort wieder zerstört.“

Das Aufstehen vom Verhandlungstisch berührt aber auch die Frage, um die es Merz eigentlich geht, die Kanzlerschaft und seine Eignung dazu. Wie will jemand erfolgreich eine Koalition führen und Kompromisse schmieden, wenn er seine Meinung absolut setzt und dazu noch Bedenken europäischer Nachbarn ignoriert?

Friedrich Merz vor der Kandidatur: Kann sein Kanzlertraum auf den letzten Metern doch noch platzen?

Hendrik Wüst, der in NRW einer schwarz-grünen Koalition vorsteht, hat diese Woche ein Sicherheitspaket verkündet – anders als im Bund konnte man sich in Düsseldorf geräuschlos einigen.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Es ist kein Zufall, dass gerade dieser Tage viele Christdemokraten nach Düsseldorf blicken. Wüsts Regierung hat gerade ohne öffentlichen Streit ein Sicherheitspaket beschlossen. Und die CDU liegt in NRW in Umfragen bei 40 Prozent – rund zehn Prozentpunkte über dem Bundeswert. Alle Sonntagsfragen zur Bundestagswahl 2025 im Zeitverlauf finden Sie hier.

Hendrik Wüst als lachender Dritter?

Auch Wüst müsste von den beiden Parteichefs gerufen werden, wenn sie sich nach der Brandenburg-Wahl zusammensetzen. Von Merz dürfte diese Bitte kaum ausgehen, wenn dann eher von Söder nach dem Motto: Wenn ich es schon nicht werden darf, dann auch nicht Merz.

Aber auch dafür fehlt vielen in der Union die Fantasie: Warum sollte Söder, der ständig gegen die Grünen polemisiert, den Mann wollen, der wie niemand sonst für Schwarz-Grün steht? Und der im Alter von 49 noch dazu acht Jahre jünger ist als er, der seine eigenen Ambitionen dann wohl endgültig begraben müsste?

Ein Argument stellt diese Gedankenspiele, aber auch die interne Kritik an Merz in den Schatten: „Das Wichtigste für alle ist: kein erneuter Streit.“ Der Satz eines CSU-Vorstandsmitglieds führt in Kombination damit, dass Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei am Sonntag erneut auf „das erste Zugriffsrecht“ des CDU-Chefs verweist, eben doch wieder zu Friedrich Merz.

Ein Mitglied des CDU-Bundesvorstands sieht ihn daher „weiter klar in der Pole-Position“. Das Mitglied der bereits erwähnten Präsidiumskreise geht sogar noch weiter: „Für mich ist die Sache klar: Der Kanzlerkandidat der Union wird Merz heißen.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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