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Voll im Trend: Darum darf Tim Kleindienst im DFB-Team vorspielen

Voll im Trend: Darum darf Tim Kleindienst im DFB-Team vorspielen

© dpa/David Inderlied

Voll im Trend: Darum darf Tim Kleindienst im DFB-Team vorspielen

Echte Neuner waren lange fast schon verpönt. Jetzt werden sie händeringend gesucht. Deshalb ist die Berufung von Tim Kleindienst in die Nationalmannschaft nur logisch.

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Wenn eine Mannschaft in einer Saison 67 Gegentore kassiert, so wie Borussia Mönchengladbach im vergangenen Jahr, dann ist ihr größtes Problem recht leicht zu identifizieren. Den Gladbachern jedenfalls war im Sommer bewusst, dass sie sich in der Defensive erheblich verbessern müssen. Deshalb haben sie einen neuen Mittelstürmer verpflichtet.

Hört sich crazy an. Aber dass die Idee nicht ganz so verrückt war, wie sie scheint, ist den Gladbachern Ende voriger Woche von keinem Geringeren als dem Bundestrainer zumindest indirekt bestätigt worden – als nämlich Julian Nagelsmann Borussias neuen Mittelstürmer Tim Kleindienst erstmals in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft berufen hat und seine Wahl mit den Worten begründete: „Er ist defensiv extrem verlässlich, arbeitet viel und ist sehr fleißig.“

Was einem halt so einfällt, wenn man sich lobend über einen Mittelstürmer auslassen will.

Als Frank Wormuth das gehört hat, hat er ein bisschen schmunzeln müssen. Er hat Kleindienst vor zehn Jahren in der deutschen U-20-Nationalmannschaft trainiert und ihn genauso kennengelernt, wie Nagelsmann ihn jetzt beschrieben hat. „Dass der Junge unglaublich marschiert, das war schon damals sein Markenzeichen“, erzählt er am Telefon.

Es ist auch das, was Gerardo Seoane, der Trainer von Borussia Mönchengladbach, an Kleindienst besonders schätzt: „sein Engagement, seine Bereitschaft, seine Energie, die er uns gibt im Spiel gegen den Ball“. Der Stürmer sei als erster Anläufer unermüdlich, gehe keinem Zweikampf aus dem Weg und ziehe so die ganze Mannschaft mit.

Er ist defensiv extrem verlässlich, arbeitet viel und ist sehr fleißig.

Bundestrainer Julian Nagelsmann über Tim Kleindienst

Frank Wormuth war das, ehrlich gesagt, alles ein bisschen zu viel. Er habe immer Neuner haben wollen, die Tore schießen, erzählt der frühere U-Nationaltrainer und Trainerausbilder des DFB. Doch genau daran haperte es bei Kleindienst seinerzeit noch. In zehn Spielen für die U 20 hat er kein einziges Tor erzielt.

Voll im Trend: Darum darf Tim Kleindienst im DFB-Team vorspielen

Eine echte Nummer 9. Tim Kleindienst hat zehn Spiele für die deutsche U-20-Nationalmannschaft bestritten, dabei allerdings kein einziges Tor erzielt.

© imago/Matthias Koch

Das, was er jetzt als Stürmer anbiete, das habe Kleindienst auch damals schon angeboten, sagt Wormuth: ein gutes Näschen für die richtige Positionierung, ein gutes Kopfballspiel. „Aber er war noch nicht der extreme Goalgetter – weil er sich verbraucht hat durch sein Rennen“, glaubt der frühere U-20-Nationaltrainer.

Inzwischen ist das anders: Kleindiensts Beitrag zur Defensive ist weiterhin beachtlich. Seitdem er vor etwas mehr als einem Jahr mit dem 1. FC Heidenheim aufgestiegen ist, hat kein Spieler in der Bundesliga so viele Zweikämpfe bestritten wie er. Keiner ist so viel gesprintet, und keiner hat so viele intensive Läufe absolviert.

In der Vorsaison war er so gut wie Füllkrug

Aber auch seine Statistiken in der Offensive können sich sehen lassen. Für die Gladbacher, die ihn für eine festgeschriebene Ablöse von sieben Millionen Euro verpflichtet haben, hat Kleindienst am Freitag gegen Augsburg im sechsten Spiel sein drittes Tor erzielt; zwölf waren es in der vergangenen Saison für Heidenheim. Genauso viele wie Niclas Füllkrug, den Kleindienst jetzt in der Nationalmannschaft ersetzen soll.

Wegen Achillessehnenproblemen fällt der frühere Dortmunder Füllkrug auch für die beiden Nations-League-Spiele gegen Bosnien-Herzegowina (Freitag, in Zenica) und Holland (kommenden Montag, in München) aus. „Es ist eine gute Gelegenheit, Tim zu testen, und er kann sich auch beweisen“, sagt Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Seine Reaktion am Telefon war schon mal vielversprechend.“ Sehr euphorisch nämlich.

Kleindienst, in Jüterborg geboren und fußballerisch größtenteils bei Energie Cottbus ausgebildet, wird auch als Typ geschätzt. In Gladbach hat er es mit seiner Art innerhalb kürzester Zeit zum Liebling des Publikums gebracht, und auch Frank Wormuth hat ihn vor zehn Jahren als anständigen Kerl und pflegeleichten Menschen kennengelernt, als seriös, bodenständig, intelligent. „Das ist ein guter Junge“, sagt er, „kein Spinner.“

Wer gesehen hat, wie Kleindienst vor einer Woche seinen Mitspieler Tomas Cvancara nach dessen spätem Siegtor gegen den 1. FC Union Berlin körperlich angegangen ist, kann sich halbwegs ausmalen, wie er nach seiner erstmaligen Berufung in die Nationalmannschaft eskaliert sein dürfte. Der Anruf des Bundestrainers war „eines der schönsten Telefonate, das ich jemals hatte“, sagt er. Die Nominierung sei „tatsächlich immer noch sehr irreal“.

Ende August ist Kleindienst 29 geworden und damit genauso alt wie auch Füllkrug bei seinem Debüt für die Nationalmannschaft. Beide profitieren gerade von einem neuen Trend im Fußball, nachdem sie zuvor sozusagen Opfer der vorherrschenden Mode gewesen waren.

Klassische Mittelstürmer, wuchtig, groß, stark in der Ballbehauptung, waren in Deutschland eine Zeitlang fast schon verpönt. Inzwischen aber werden sie wieder händeringend gesucht. „Er ist der Einzige, der das Anforderungsprofil als Neuner hat“, sagt Frank Wormuth über Kleindienst. „Jetzt passt er halt rein.“

Bei ihm hätte Kleindienst schon im Sommer 2015, bei der U-20-WM in Neuseeland, bestens ins Konzept gepasst. Nachdem Davie Selke von seinem Leipziger Klubtrainer Ralf Rangnick keine Freigabe für das Turnier erhalten hatte, war Kleindienst als Mittelstürmer seine erste Wahl.

Die Deutschen galten als Favorit auf den WM-Titel, erzählt Wormuth, und ein erfolgreiches Turnier hätte für Tim Kleindienst, der gerade von Cottbus zum SC Freiburg gewechselt war, zu einem echten Karrieresprung werden können. Im zweiten Training in Neuseeland aber wurde er von Niklas Stark unglücklich umgegrätscht. Kleindienst riss sich das Außenband und fiel für das Turnier aus. Die Deutschen scheiterten im Viertelfinale an Mali.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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