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Was will die SPD beim Wehrdienst?: Parteichef Klingbeil setzt „vor allem auf Freiwilligkeit“

Was will die SPD beim Wehrdienst?: Parteichef Klingbeil setzt „vor allem auf Freiwilligkeit“

© dpa/Christian Charisius

Exklusiv Was will die SPD beim Wehrdienst?: Parteichef Klingbeil setzt „vor allem auf Freiwilligkeit“

Hat die SPD ihren Verteidigungsminister düpiert? Lars Klingbeil widerspricht und betont die Rückendeckung für Boris Pistorius. Eine echte Wehrpflicht will der Parteichef nicht – allerdings bleibt eine Hintertür.

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Boris Pistorius fühlt sich missverstanden. Der Bundesverteidigungsminister wies am Mittwoch bei einem Truppenbesuch Berichte zurück, wonach sein Vorstoß für einen neuen Wehrdienst allein auf Freiwilligkeit beruhe. Entsprechende Informationen waren aus einer Sitzung des Präsidiums der SPD am Montag nach außen gedrungen. „Jemand hat aus der Sitzung geplaudert“, sagte Pistorius säuerlich, „aber davon stimmt nur ein Teil, ein anderer nicht“.

Die SPD-Parteispitze hat bisher geschwiegen zu der Debatte um Wehrdienst und Wehrpflicht. Auch, weil intern der Ärger groß ist über die mutmaßliche Indiskretion. Das Durchstechen von heiklen internen Informationen an die Presse wollte die Partei eigentlich überwunden haben.

Nun spricht erstmals Parteichef Lars Klingbeil: „Wir hatten am Montag eine sehr gute Diskussion mit Boris Pistorius. Dort ist klar geworden, dass der Verteidigungsminister eine große Unterstützung erfährt.“ Das sagte Klingbeil dem Tagesspiegel.

Klingbeil gibt der SPD die Richtung vor

Der SPD-Chef gibt aber auch eine Linie für die anstehende Entscheidung für einen möglichen Wehrdienst vor: „Für mich geht es dabei vor allem um Freiwilligkeit und darum, dass wir für den Aufwuchs der Bundeswehr mehr Anreize schaffen, wie Vorteile für ein Studium oder für den Führerschein.“

Für weitere Details verwies Klingbeil darauf, dass Pistorius seine Pläne bald vorstellen werde. „Zur Zeitenwende gehört, dass die Bundeswehr auch personell bestmöglich aufgestellt ist, um für unsere Sicherheit zu sorgen“, sagte Klingbeil. „Fünf Unionsminister haben Chaos hinterlassen, das Pistorius Stück für Stück aufräumt.“ Aber was will der sozialdemokratische Verteidigungsminister wirklich?

Was will die SPD beim Wehrdienst?: Parteichef Klingbeil setzt „vor allem auf Freiwilligkeit“

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei einem Truppenbesuch in Litauen.

© Imago/Funke Foto Services

Wahr ist wohl: Der Minister hätte sich deutlich weitgehendere Modelle vorstellen können, als jenes, das er offenbar am Montag im Präsidium der SPD vorstellte.

Wahr ist auch: Eine echte Wehrpflicht ist mit den derzeitigen Koalitionspartnern, den Grünen und der FDP, nicht zu machen. Und auch in der SPD sind weite Teile der Partei gegen einen Pflichtdienst. So sagte etwa der Co-Vorsitzende der SPD-Parteilinken DL21, Jan Dieren, dem Tagesspiegel nach der Sitzung am Montag: „Ich bin froh, dass wir jetzt nicht mehr über einen verpflichtenden Dienst diskutieren.“

Pistorius hält Debatte für noch nicht beendet

Wichtig sind allerdings zwei Worte in dem Statement von Parteichef Klingbeil: „vor allem“. Denn es könnte auch einen Pflichtteil geben, und zwar bei der Wehrerfassung. Das deutete Pistorius bei seinem Truppenbesuch am Mittwoch an. „Es ist völlig klar geregelt, dass die Wehrpflicht im Verteidigungsfall sofort wieder aktiviert wird“, sagte er. Deutschland könne derzeit aber gar nicht einziehen, weil man gar nicht mehr wisse, wer die jungen Männer seien. „Deshalb ist der Wiederaufbau der Wehrerfassung ein erster Schritt.“

Dies entspricht einem von drei Modellen, die im Bundesverteidigungsministerium diskutiert werden. Der Tagesspiegel hatte darüber berichtet. So könnte die Bundeswehr künftig alle jungen Erwachsenen anschreiben. Auch eine Pflicht zum Antworten auf die Musterungsfragebögen könnte es geben. Eine wirkliche Wehrpflicht bestünde wie bisher schon nur im Kriegsfall. So wäre allerdings gewährleistet, dass die Bundeswehr zumindest einen Überblick über musterungsfähige Personen hätte.

Bleibt eine Hintertür für die Zukunft offen?

Nach Tagesspiegel-Informationen wurde bei der Sitzung des SPD-Präsidiums am Montag kein fertiges Wehrdienstmodell vorgestellt. Allerdings einigte man sich über die gemeinsame Linie. Generalsekretär Kevin Kühnert skizzierte diese in einer Pressekonferenz im Anschluss der Sitzung.

Der Bundesverteidigungsminister deutetet am Mittwoch an, dass er sich durchaus weitergehende Regelungen vorstellen könnte und noch Gespräche geführt werden. In Zukunft könnte etwa die Frage diskutiert werden, was passiert, wenn trotz neuer Anreize die erforderliche Zahl an Nachwuchs bei der Bundeswehr nicht erreicht wird. Die Zahl der Soldaten soll schließlich bis Anfang 2030 auf rund 200.000 anwachsen.

Selbst zu der jetzt von Klingbeil erklärten vorsichtigen Haltung der SPD, „vor allem“ – aber wohl nicht ausschließlich – auf Freiwilligkeit zu setzen, dürfte es harte Debatten mit den derzeitigen Koalitionspartnern geben. Die Grüne Jugend wetterte am Mittwoch schon gegen „eine Musterungspflicht für unsere Generation“.

Verteidigungsminister Pistorius wirkt in diesen Tagen allerdings nicht so, als lasse er sich davon beirren.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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