Ein Sender zum Abschalten: Nur Lea Streisand hält mich noch bei Radio eins

© Mario Heller/Tagesspiegel/Mario Heller

Ein Sender zum Abschalten: Nur Lea Streisand hält mich noch bei Radio eins

Weil sie häufig Reaktionäres und Sexistisches bei dem Sender hört, würde unsere Kolumnistin ihn am liebsten gar nicht mehr einschalten. Doch es gibt dort eine Kollegin, die ihren Tag besser macht.

Eine Kolumne von

Ich bin mit morgendlichem Radiohören aufgewachsen und bis heute habe ich das Gefühl, es ist leichtsinnig, aus dem Haus zu gehen, ohne zu wissen, was in der Welt passiert. Genau gesagt, bin ich mit morgendlichem Radio-eins-Hören aufgewachsen.

Tragischerweise ist der Slogan „nur für Erwachsene“ genau wie der Sender selbst schlecht gealtert. Denn inzwischen gibt es zwei erwachsene Generationen, die weitestgehend nicht im Programm von Radio eins mitgedacht werden. Und auch ich muss jedes Mal ausschalten, wenn Dietmar Wischmeyer seine wöchentliche Sendezeit mit rassistischen und sexistischen Texten füllt, AfD-Kandidaten zum Gespräch eingeladen werden oder Moderator*innen heterosexistische Kommentare zu Albumcovern queerer Künstler*innen machen.

Es wird behauptet, es lohne sich nicht, Radio für Millennials wie mich oder gar Gen Z zu machen, weil wir kein Interesse mehr an Radio hätten. Die Wahrheit ist, dass Radio unser Interesse nicht verdient hat, wenn das Angebot nicht nur nicht für uns ist, sondern explizit die Werte aufs Korn nimmt, für die unsere Generationen stehen. Deswegen wurde das tägliche Radiohören bei mir zum Radio-Aushalten, schließlich zum Nachrichten-Abpassen.

Ost-Berliner Perspektive

Und wahrscheinlich hätte ich dem Radio und vor allem Radio eins längst vollends abgeschworen, wäre da nicht Lea Streisand! Solange Lea Streisand dort ihre Kolumne „War Schön Jewesen“ hat, kann ich meine App eben doch nicht löschen. Ich muss schließlich Lea Streisand nachhören (6:20 Uhr ist einfach viel zu früh!), muss natürlich einschalten, wenn sie ihr Buch vorstellt. So ganz kann ich Radio eins noch nicht das Existenzrecht absprechen.

Lea Streisand: breite Berliner Schnauze, witzig und so real! Eine jüdische, behinderte Kolumnistin … klingt bekannt?! Ein wesentlicher Unterschied zwischen uns: Sie ist in Ost-Berlin aufgewachsen. Eine Perspektive, die ich als Wessi nicht mitbringe.

Jedes Mal, wenn Lea Streisands Stimme durch meine Lautsprecher kommt, ist mein Tag so viel besser. Und das ist halt Radio eins: 60 Prozent problematisch und reaktionär, 39,9 Prozent weltfremd, 0,1 Prozent die wundervolle und witzige Lea Streisand. Immer die gleichen 0,1 Prozent, für die ich mein Herz gebe!

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  • Schlamasseltov

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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