Koalitionen im Osten: Auch SPD und Grüne halten sich Bündnisse mit BSW offen

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Koalitionen im Osten: Auch SPD und Grüne halten sich Bündnisse mit BSW offen

Um die AfD zu verhindern, könnten SPD und Grüne in Ostdeutschland zu einer Zusammenarbeit mit dem BSW gezwungen werden. Wie bereitet man sich in Sachsen, Thüringen und Brandenburg darauf vor?

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Für Kanzlerverhältnisse war das eine ganz klare Ansage in Richtung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Die Politik, die für den Bund vorgeschlagen wird, ist das Gegenteil von dem, was richtig ist“, sagte Olaf Scholz nach einer Konferenz der Ost-Ministerpräsidenten in Wittenberg. Die Politik des Bündnisses werde „unser Land isolieren, ökonomisch destabilisieren und die Sicherheit unseres Landes gefährden“, fügte er hinzu.

Doch ganz so klar, wie es bei Scholz klingt, ist die Haltung seiner Partei nicht, zumindest nicht in den Bundesländern, gerade im Osten der Republik. Sein Genosse Carsten Schneider, seines Zeichens Ost-Beauftragter der Bundesregierung, äußerte sich daher beim selben Termin auch zurückhaltender. „Wir schließen eine Koalition aus, das ist die AfD.“

In Sachsen, Brandenburg und Thüringen, wo im Herbst gewählt wird, könnte eine Koalition mit dem BSW für die Sozialdemokraten anstehen – und womöglich auch für die Grünen. Die politische Lage dort ist unübersichtlich, die beiden Koalitionsparteien (mit Ausnahme von der SPD in Brandenburg) sind maximal als Mehrheitsbeschaffer denkbar.

Ein Blick in die Länder zeigt Offenheit – die will auch der Parteivorstand explizit erhalten. „Die Entscheidung über Bündnisse liegt nach jeder Landtagswahl bei den Landesverbänden, die diese mit großer Ernsthaftigkeit und vor dem Hintergrund der Gegebenheiten in den Ländern treffen“, teilt eine Sprecherin der Partei mit. Bei den Grünen will man lieber gar nichts sagen. Kein Kommentar, heißt es nur aus der Bundesgeschäftsstelle.

Brandenburg

Die SPD stellt hier mit Dietmar Woidke den Regierungschef – und will das Amt verteidigen. Das BSW kommt laut aktuellen Umfragen aber auch hier auf mehr als zehn Prozent, bei der Europawahl wurden es 13 Prozent. Die Partei könnte für ein Regierungsbündnis notwendiger Mehrheitsbeschaffer werden, wenn es nicht für eine Fortführung der bisherigen Kenia-Koalition reicht – zum Beispiel dann, wenn die Grünen aus dem Landtag fliegen.

Das BSW ist für uns wie ein Blick in die Glaskugel. Es gibt bisher keine Landesliste und kein Programm. Wir haben aber keine Anzeichen, dass die Partei in Brandenburg nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht.

David Kolesnyk, Generalsekretär der SPD in Brandenburg

In der Brandenburger SPD wird eine Koalition mit dem BSW daher nicht ausgeschlossen. Am liebsten aber würde man gar nicht so viel über die Partei reden. „Das BSW ist für uns wie ein Blick in die Glaskugel“, sagt David Kolesnyk, Generalsekretär seiner Partei, dem Tagesspiegel. Es gebe keine Landesliste und kein Programm. „Wir haben bisher aber keine Anzeichen, dass die Partei in Brandenburg nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht.“

In Brandenburg wird der BSW-Landesverband von einem ehemaligen SPD-Politiker geführt, viele andere waren Mitglieder der Linkspartei. Mit ihr hat die SPD in der Mark ohnehin schon regiert. Landespolitik, heißt es im Landesverband, sei keine Bundespolitik, natürlich habe man zu Russland eine andere Haltung, aber darum gehe es auf dieser Ebene nun mal nicht.

Die Grünen stellen inhaltliche Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit der neuen Partei in den Mittelpunkt. „Bei Landesthemen herrscht Fehlanzeige. Konkrete Vorschläge für Brandenburg fehlen komplett“, sagt Antje Töpfer, Spitzenkandidatin der Grünen in Brandenburg, dem Tagesspiegel. Das BSW nehme Klimaschutz, die Transformation der Wirtschaft und die Integration nicht in den Fokus. Ob das ohne AfD und BSW aber überhaupt möglich ist, wird sich erst nach den Wahlen zeigen.

Thüringen

Die Grünen haben ohnehin gerade im Osten eher andere Sorgen. In Thüringen landeten die Grünen bei 4,2 Prozent bei der Europawahl. Bei den Landtagswahlen geht es ums politische Überleben, ähnlich sieht es dort für die SPD aus. Für eine Fortsetzung des bisherigen Regierungsbündnisses mit der Linkspartei dürfte es nur noch durch ein Wunder reichen.

Die Grünen sehen ihr Heil offenbar in Abgrenzung: „Wir haben uns das Wahlprogramm angeschaut: nur Populismus, keine Lösungen“, sagt Madeleine Henfling, Spitzenkandidatin der Grünen. Gerade in der Migrations- und Rundfunkpolitik lägen Welten zwischen Grünen und dem BSW. Zudem sei die neue Partei noch in den Kinderschuhen und deshalb kaum regierungsfähig.

4,2Prozent holten die Grünen bei der Europawahl in Thüringen.

Das liege auch am Personal, denn außer der Erfurter Oberbürgermeisterin Katja Wolf (ehemals Linke) gebe es viele Unbekannte auf der BSW-Liste. „Die Partei ist ähnlich wie die AfD in ihren Anfangstagen ein Sammelbecken der Unzufriedenen“, sagt Henfling. Doch ausschließen will sie nichts: „Mein oberstes Ziel ist, dass die AfD in Thüringen keine Macht bekommt.“

Wir haben uns das Wahlprogramm angeschaut: nur Populismus, keine Lösungen.

Die Spitzenkandidatin der Grünen in Thüringen, Madeleine Henfling, kritisiert die Inhalte des BSW.

Bei der SPD hält man sich ein Bündnis dagegen explizit offen, dafür plädiert der Ostbeauftragte Schneider, der selbst aus Thüringen stammt. Man schließe nur die AfD aus. „Und ansonsten versuchen wir, so stark wie möglich zu werden und in Thüringen eine regierungsfähige Mehrheit für das Land zu stellen“, sagt Schneider. Ähnlich hatte sich auch der Thüringer Spitzenkandidat Georg Meier bereits geäußert.

In Thüringen steht das BSW laut einer neuen Umfrage bei 21 Prozent. Die SPD kommt auf sieben Prozent. Sie kann sich Hoffnungen machen – allerdings vor allem auf ein mögliches Dreierbündnis, etwa mit der CDU und dem BSW.

Sachsen

In Sachsen regieren SPD und Grüne zusammen mit der CDU. Beide kratzen auch hier an der Fünf-Prozent-Hürde. Das BSW erreicht laut letzten Umfragen zweistellige Prozentwerte. Schafft eine der Parteien den Einzug in den Landtag, könnte ein Bündnis mit CDU und BSW nötig werden, um eine Mehrheit gegen die AfD zu erreichen.

Ich schließe nichts aus, außer eine Koalition mit der AfD und anderen Rechtsextremisten. Alles andere muss man sehen, wenn es so weit ist. Zentral ist am Ende, Landesregierungen zu haben, die auch handlungsfähig sind.

Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD in Sachsen

Sachsens SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping will sich deshalb keine Optionen verbauen: „Ich schließe nichts aus, außer eine Koalition mit der AfD und anderen Rechtsextremisten“, sagt Köpping dem Tagesspiegel. „Alles andere muss man sehen, wenn es so weit ist. Zentral ist am Ende, Landesregierungen zu haben, die auch handlungsfähig sind.“ Ihr Ziel sei eine stabile Regierung, sagt Köpping. „Deswegen braucht es eine starke SPD.“ Darauf konzentriere sie sich jetzt.

Die Grünen dagegen greifen das BSW scharf an: „Aus unserer Sicht ist das BSW eine populistische, antiliberale und antieuropäische Partei“, sagt die sächsische Landesvorsitzende, Marie Müser. „Was Wagenknecht propagiert, ist ein Ausverkauf nationaler und europäischer Interessen an Putin.“ In ihrem eher linken Landesverband kann man sich eine Zusammenarbeit mit der Wagenknecht-Truppe nicht vorstellen.

„Gerade auf kommunaler Ebene erleben wir, dass das BSW-Personal absolut fortschritts- und modernisierungsfeindlich unterwegs ist“, sagt Müser und betont, dass sie am liebsten die Koalition mit CDU und SPD fortsetzen würde. Komplett ausschließen will Müser ein Bündnis mit dem BSW aber auch nicht. Gerade in Sachsen und Thüringen könnten die Politiker wohl froh sein, wenn sich noch stabile Mehrheiten gegen die AfD finden – da käme eine voreilige Bündnisabsage ungelegen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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