Mehr Geld in der Backstube: Betriebe ködern Nachwuchs mit deutlich höherem Gehalt

© Andreas Klaer

Mehr Geld in der Backstube: Betriebe ködern Nachwuchs mit deutlich höherem Gehalt

Nicht nur im Handwerk fehlt es an Nachwuchs. Viele Arbeitgeber sind deshalb bereit, Auszubildenden wesentlich höhere Entgelte zu zahlen. Doch jeder zweite Betrieb in Deutschland kann nicht alle Stellen besetzen.

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680 Euro im Monat lösen nicht das Nachwuchsproblem, weshalb sich die Arbeitgeber im Bäckerhandwerk auf einen neuen Tarifvertrag für Azubis eingelassen haben: Im ersten Ausbildungsjahr gibt es nun 860 statt 680 Euro und vom kommenden Januar an sogar 930 Euro. Für die Bäckerlehrlinge im dritten Jahr erhöht sich die Vergütung von 885 auf 1155 Euro.

Die Bäcker stehen exemplarisch für eine höhere Zahlungsbereitschaft, mit der Branchen und Betriebe um junge Leute werben. Während die Tarifentgelte für die Beschäftigten insgesamt in den letzten fünf Jahren um etwa 15 Prozent gestiegen sind, lag der Zuwachs der Ausbildungsvergütungen deutlich darüber, hat die Böckler-Stiftung des DGB ermittelt. In sieben Wirtschaftsbereichen erhöhten sich die Ausbildungsvergütungen sogar um 40 bis 50 Prozent.

Die höchsten Steigerungsraten gab es im Backhandwerk mit einem Plus um 52 Prozent zwischen 2019 und 2023. Denn die Not ist groß in den Backstuben: 235.000 Personen arbeiten in den Betrieben, aber nur knapp 10.000 Azubis – zu wenige, um den Schrumpfungsprozess zu stoppen. Vor 60 Jahren gab es in der Bundesrepublik 55.000 Backbetriebe, im vereinigten Deutschland sind es heute 9240.

Die Unternehmen legen vermehrt Wert auf flache Hierarchien, attraktive IT-Ausstattung, finanzielle Anreize, Auslandsaufenthalte oder neue Lern- und Lehrkonzepte.

Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Im vergangenen Jahr begannen 479.900 Personen eine duale Berufsausbildung, das waren rund 35.000 weniger als 2019, dem letzten Jahr vor Corona. Dabei war 2019 bereits ein schwaches Jahr, die Nachfrage der Jugendlichen nach einem Ausbildungsplatz fiel erstmals unter 600.000. Und es wird immer schlimmer. Die Hälfte der Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammern konnte im vergangenen Jahr nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. 

Für junge Menschen sei „ein moderner Arbeitsalltag im Ausbildungsbetrieb“ wichtig, heißt es beim Dachverband der IHKs. „Deshalb legen die Unternehmen vermehrt Wert auf flache Hierarchien, attraktive IT-Ausstattung, finanzielle Anreize, Auslandsaufenthalte oder neue Lern- und Lehrkonzepte“, um die Schulabgänger zu einer beruflichen Ausbildung zu bewegen. Auch mit Geld oder Goodies, wie bisweilen die Übernahme der Kosten für den Personennahverkehr.

Die deutliche Anhebung der Vergütungen für die Nachwuchskräfte ist eine echte Zukunftsinvestition.

Stellungnahme der Bank-Arbeitgeber

Seit einigen Jahren steigen die Ausbildungsvergütungen überproportional und mit zunehmender Tendenz – nicht nur im Handwerk. Die privaten Banken zum Beispiel erhöhen die Entgelte in den kommenden zwei Jahren um bis zu 22 Prozent, im ersten Jahr gibt es dann 1400 statt zuletzt 1150 Euro, im dritten Ausbildungsjahr sind es 1640 Euro. „Die deutliche Anhebung der Vergütungen für die Nachwuchskräfte ist deshalb eine echte Zukunftsinvestition“, heißt es bei den Bank-Arbeitgebern.

Die Banken gehören zu den wenigen Wirtschaftsbereichen, in denen es bundesweit einheitliche Ausbildungsvergütungen gibt: Backhandwerk, Druckindustrie, Deutsche Bahn, Gebäudereinigung, Öffentliche Dienst und Versicherungsgewerbe. Doch ganz überwiegend wird in Ost und West unterschiedlich bezahlt.

Die zuletzt starken Entgeltaufschläge erklärt die Böckler-Stiftung denn auch neben dem Azubimangel mit der Ost-West-Angleichung: Mit Ausnahme der Süßwarenindustrie in NRW „handelt es sich ausschließlich um ostdeutsche Tarifbereiche, in denen überdurchschnittliche Erhöhungen notwendig waren, um die Ausbildungsvergütungen an das Westniveau anzupassen“.

Für Branchen ohne Tarifvertrag gilt seit 2020 eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung, die, analog zum gesetzlichen Mindestlohn, zunächst politisch festgelegt wurde und seit 2023 jährlich entsprechend der durchschnittlichen Erhöhung der tarifvertraglichen Ausbildungsvergütungen angepasst wird. In diesem Jahr bewegt sich der Mindestbetrag zwischen 649 Euro pro Monat im ersten und 909 Euro im vierten Ausbildungsjahr.

Zu den Tarifbranchen mit noch immer niedrigen Ausbildungsvergütungen von unter 900 Euro gehören die Landwirtschaft (Mecklenburg-Vorpommern: 873 Euro, Nordrhein: 830 Euro), das Backhandwerk (860 Euro) und die westdeutsche Floristik (800 Euro). Das Schlusslicht bei den von der Böckler-Stiftung untersuchten Tarifbranchen bildet mit 710 Euro das Friseurhandwerk in Nordrhein-Westfalen. 

Die höchsten tarifvertraglichen Ausbildungsvergütungen werden im ersten Ausbildungsjahr mit 1341 Euro für die Pflegekräfte gezahlt, die unter die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes für Bund und Kommunen fallen; an zweiter Stelle steht das Bankgewerbe mit 1300 Euro und auf Platz drei die baden-württembergische Textilindustrie mit 1245 Euro.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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