Popstar Troye Sivan live in Berlin: Ein Konzert voller Euphorie, Sexyness und schwuler Selbstverständlichkeit

© Getty Images for Live Nation/Pedro Gomes

Popstar Troye Sivan live in Berlin: Ein Konzert voller Euphorie, Sexyness und schwuler Selbstverständlichkeit

Troye Sivan hat im Velodrom den Auftakt seiner Deutschland-Tour gefeiert. Getragen wird die Show der queeren Ikone von zuckersüßer Leichtigkeit, Lust und seiner Liebe für Berlin.

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Viel Schweiß, viel nackte Haut, viel Knutschen. Im Musikvideo zu „Rush“ (übersetzt „Rausch“) feiert Troye Sivan eine betörende Sommerparty in der deutschen Hauptstadt. Denn „wo sollte man hingehen, um Party zu machen, wenn nicht nach Berlin?“ – eine rhetorische Frage. Und somit Legitimation genug, um auch das ausverkaufte Konzert in eine mitreißende Regenbogen-Party zu verwandeln.

Das im Herbst 2023 erschienene Album „Something to Give Each Other“ dreht sich schließlich genau darum: die Erkenntnis, auch jene Berührungen und Intimität zu genießen, die nur einen flüchtigen Moment andauern. Dieses dritte und bisher energetischste Studioalbum des Musikers steht während des knapp 80-minütigen Auftritts im Vordergrund. Den Einstieg macht Sivan mit dem Song „Got Me Started“, der die Inspiration für sein jüngstes Album exemplarisch einfängt.

Berliner Troyboys und Troygirls feiern queere Liebe

Nach einer kräftezehrenden Trennung erinnert sich der 29-Jährige daran, dass das Leben weitergehen muss, und schafft eine musikalische Hommage an die süßen Vorzüge der Ungebundenheit. „Kinda miss using my body“ (Ich vermisse es irgendwie, meinen Körper zu benutzen) singt Sivan begleitet von sanften Beats und ermutigt die Menge, ihm seinen Hüftschwung nachzutun.

Popstar Troye Sivan outete sich 2013 als homosexuell. Seither ist er ein Idol der queeren Community.

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Dass noch kein Jahr vergangen ist, seit er sich das erste Mal an Choreografien herangetraut hat, sieht man nicht – im Gegenteil. Harmonisch fügt sich der Popstar in die Gruppe von Tänzer*innen ein und hat sichtlich Spaß an der sexy Performance. Auch das angenehm reduzierte Bühnenbild und das sparsame Einsetzen von Special Effects tun der Show gut. Passend dazu: die instrumentelle Begleitung, bestehend aus einem einzigen, sehr enthusiastischem Drummer und einer Musikerin, die spielerisch zwischen Gitarre, Bass und Klavier wechselt.

Bei Sivans Show geht es um Körperlichkeit und das Ausleben von Homosexualität. Seine Fans feiern den Star für die sexpositive und provokative Performance.

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Trotz viel Power und rockigen Solos kommt auch der verträumte Synth-Pop, Sivans luftig-leichter Grundsound, nicht zu kurz. Vor allem bei früheren Hits wie „Bloom“ oder den romantischen Ariana-Grande-Features „Dance To This“ und „Supernatural“ erfüllt eine sinnliche Atmosphäre die Halle. Eine fließende Überleitung in den Balladenteil des Konzerts: „Ich könnte weinen, allein schon wenn ich an dich denke“, singt Sivan voller Herzschmerz und strahlt doch tiefe Zuversichtlichkeit aus – „ich weiß nicht, wer ich mit oder ohne dich bin. Aber ich schätze, ich werde es bald herausfinden.“

„Das ist die Show, die ich schon immer machen wollte“

Mit „Heaven“ leitet Sivan den melancholischen Höhepunkt der Show ein. „Versuche mein Gesicht zu wahren und meinem Vater nicht das Herz zu brechen. Wie komme ich in den Himmel, ohne einen Teil von mir zu verlieren?“ – ein Lied, dass der Musiker dem Freiheitskampf der queeren Community gewidmet hat. „Das ist der wichtigste Song, den ich je gemacht habe. In dunklen wie in hellen Zeiten, lasst uns immer lieben“, schrieb Sivan 2015 auf Twitter, heute X. Dass einen Tag später Donald Trumps Amtseinführung als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika stattfand, war kein Zufall.

In einem TikTok-Video erzählt Sivan seinen deutschen Fans über die Dreharbeiten in der Hauptstadt: „Das war eine der besten Wochen meines Lebens.“

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Die Rührung der Zuschauenden, gehüllt in andächtige Stille, ist während der Darbietung von „Heaven“ unverkennbar. Im Jahr 2013 veröffentlichte der Musiker auf YouTube ein Video, in dem er sich erstmals öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Heute hat das Video über neun Millionen Klicks und zahlreiche junge Menschen beziehen sich in ihren Coming-outs auf den Popsänger. Mit seinen Songtexten, genderfluiden Outfits und hemmungslos sexpositiven Musikvideos gibt er ihnen Mut.

„Ihr seid die taffeste Stadt der Welt“, sagt Sivan und begründet so, weshalb jetzt Schluss mit der schwermütigen Musik sein müsse. Nicht, dass das nötig wäre – die wiederkehrenden schnellen, dunklen Bässe, die an Berliner Club-Nächte in schummrigen Bunkern erinnern, rufen der Menge in Erinnerung, worum es an diesem Abend in erster Linie geht: darum, die Freiheit zu feiern.

Meine Erfahrungen in Berlin hatten einen riesigen Einfluss auf das Album. Ich hatte eine magische Zeit in eurer Stadt.

Troye Sivan zu seinen Berliner Fans

Endloser Rausch

Zum Ende ertönt endlich der Song, auf den die gesamte Halle seit Beginn des Konzerts wartet: „Rush“. Troye Sivan erzählt euphorisch von dem Musikvideodreh im Sommer 2023 in Berlin. Der Track erfasst das Entdecken der Berliner Partyszene, das für viele queere Menschen, nicht nur eine durchzechte Nacht, sondern vielmehr ein spirituelles Erlebnis ist.

Befreit von der einstudierten Choreografie, kommt die gesamte Crew des Stars auf die Bühne und tanzt zu „Rush“. „In Berlin hatte ich die magischsten Erfahrungen überhaupt. Das hat mein Leben für immer verändert“, sagt Sivan zu seinen Fans. „Diese eine Woche in eurer Stadt hatte einen riesigen Einfluss auf das ganze Album. Ich habe noch mal eine ganz neue Seite von mir entdeckt.“

Beflügelt und süchtig von dem prickelnden Gefühl des Rausches spielt Troye Sivan diesen für ihn ganz besonderen Song gleich zweimal: „I feel the rush. Addicted to your touch.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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