Schweitzer soll auf Dreyer folgen: Wer ist der Mann, der Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz werden soll?

© dpa/Helmut Fricke

Schweitzer soll auf Dreyer folgen: Wer ist der Mann, der Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz werden soll?

Malu Dreyer kündigt ihren Rückzug als Ministerpräsidentin an – und mit Alexander Schweitzer steht schon ein Nachfolger bereit. Schweitzer lebt die gleiche Philosophie wie einst Kurt Beck.

Von Daniel Friedrich Sturm

Wenn in Alexander Schweitzer ein Nachfolger von Malu Dreyer bereits bereitsteht, zeugt das einmal mehr davon, wie geordnet es selbst in diesen Zeiten in der SPD Rheinland-Pfalz zugeht. Stets gab es hier, vom langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Beck maßgeblich gefördert, eine Führungsreserve: So kam Arbeits- und Sozialministerin Malu Dreyer 2013 zum Zuge, als Beck nach fast 20 Jahren das Amt des Regierungschefs abgab. Nun soll Arbeits- und Sozialminister Schweitzer Ministerpräsidentin Dreyer beerben.

Beck hatte unterschiedlichste Köpfe gefördert, höchst verschiedene Profile zugelassen, die einen reibungsarmen Machtübergang erst möglich machen. Alexander Schweitzer, 50 Jahre alt, wurde maßgeblich politisch von Beck geprägt, und dies nicht nur, weil er aus dem gleichen pfälzischen Sprengel stammt wie der Rekord-Ministerpräsident, eine lange Zeit „König Kurt“.

Nein, Schweitzer lebt die gleiche Philosophie wie Beck, und das heißt, man redet nicht über Respekt für die „kleinen Leute“, sondern ist wirklich verwurzelt in der eigenen Gemeinde, im Landkreis, in der Kleinstadt. Das Rezept, für die SPD im konservativ geprägten Rheinland-Pfalz bisher weitgehend erfolgreich: Bei Vereinskultur, Fußball, Fastnacht, Bürgersprechstunde aufsaugen, was die Menschen interessiert und was für sie irrelevant ist. Das bewahrt nebenbei vor lebensfremden Theorie-Debatten um Spiegelstriche in Resolutionsentwürfen.

In Rheinland-Pfalz ist die SPD „nah bei de Leut“

Ohne kulturelle Fremdheit, geschweige denn Dünkel, zu Schlachtfest und Fastnacht, gelingt es der SPD in Rheinland-Pfalz, seit über 30 Jahren Volkspartei im besten Sinne zu sein. Wer so Politik macht, „nah bei de Leut“ (Beck), braucht keine von Beratern erdachte Fußball-Slogans à la „You will never walk alone“.

An anderen Stellen zeigte die Landes-SPD eine zu machtgewohnte Attitüde, Beck etwa vergab Geld recht freihändig, zuweilen naiv (Nürburgring, Flugplatz Hahn, Schlosshotel Bad Bergzabern). Öffentliche Kritik der SPD, von Schweitzer? Nicht zu vernehmen, unüblich in der Landespartei.

Machtübergabe im Januar 2013: Kurt Beck (links) und seine Nachfolgerin Malu Dreyer.

© dpa/Fredrik Von Erichsen

Die CDU Rheinland-Pfalz, einst die Partei Helmut Kohls und anderer kluger Köpfe, aber seit nunmehr einem Dritteljahrhundert orientierungslos in der Opposition, dürfte die Nominierung von Schweitzer mit Sorgen betrachten. Das nämlich zeigt: Die Sozialdemokraten wollen bei der Landtagswahl 2026 mit einem Mann antreten, der es versteht, über das eigene Klientel hinauszugreifen.

Schweitzer muss Dreyers Fehler bei der Ahrtal-Flut auswetzen

Gewiss, Malu Dreyer hat sich die vergangenen fast drei Jahre mehr durch das Amt geschleppt, als dass von ihr noch wichtige Impulse ausgegangen sind. Die Ahrtal-Flut und die Versäumnisse der Landesregierung beim Krisenmanagement haben ihrem Ruf geschadet.

Die schweren Fehler während der Ahrtal-Flut waren eine Zäsur für die Landes-SPD, die die Folgen der Katastrophe zunächst unterschätzte, hier eben nicht „nah bei de Leut“ war. Zuweilen, etwa bei kritischen Fragen zur Causa Ahrtal, wirkte die Ministerpräsidentin noch zwei Jahre später merklich angefasst.

Dreyer hat all das nicht mehr korrigieren können. Schweitzer wird jetzt die Hauptaufgabe haben, diese schweren Fehler auszuwetzen. Mit ihm dürfte es künftig in der Landespolitik etwas weniger gefühlig, aber dafür etwas handfester zugehen.

Wie schon Dreyer muss Schweitzer nun bewiesen, dass eine Ampel-Koalition funktionieren kann. Schweitzer ist als langjähriger Fraktionschef und nach Arbeit in den Koalitionsverhandlungen mit den Stärken und Schwächen aller beteiligten Parteien und Personen vertraut. Er repräsentiert eine Landespartei, die weiß, wie man mit kleineren Partnern umgeht, wie man Koalitionen pflegt.

Mit Wissing ist Schweitzer schon lange per Du

Vielleicht funktioniert die Ampel im Vier-Millionen-Einwohner-Land Rheinland-Pfalz auch deshalb, weil die führenden Köpfe sich kennen, einander vertrauen.

Mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist Schweitzer seit jeher per Du, einst besuchten beide Männer das Städtische Gymnasium Bad Bergzabern. Wissing, damals Landesminister in Mainz, verkörpere „geradezu idealtypisch die FDP als bürgerlich-liberale Partei“, sagte Schweitzer schon vor vielen Jahren, „er ist sehr seriös und zuverlässig.“

Seine Kindheit hat Schweitzer, Jahrgang 1973, auf den Flüssen Europas verbracht, sein Vater war Binnenschiffer. Im Jahre 1989 ging er zu den Jusos, motiviert von einem ziemlich SPD-kritischen Auftritt des damaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler.

Schweitzer blieb nach den vielen Fahrten durch Europa nach dem Abitur 1993 dem kleinen Rheinland-Pfalz treu, er studierte Jura in Mainz, absolvierte das erste Examen, machte aber vor allem Politik. Bodenständig (wie Beck) nicht etwa nur bei den Jusos, sondern recht rasch auch im Vorsitz eines SPD-Ortsvereins, im Gemeinderat, im Kreistag. Auch hier: Nicht bloß Papiere schreiben!

Im Landtag in Mainz saß er von 2006 bis 2009 und wieder seit 2013. Er war Staatssekretär, Minister, SPD-Generalsekretär. Dreyer wünschte ihn sich als Fraktionschef, er verlor über „Malu“ kein böses Wort, auch nicht üblich in anderen SPD-Landesverbänden.

Marx-Büste im Büro – aus Heimatverbundenheit

Wo Dreyer präsidierte, gab Schweitzer den Haudrauf, im Umgang mit der CDU den Polemiker. Wer Schweitzer zu dieser Zeit in seinem Landtagsbüro besuchte, stieß dort auf eine rote Büste von Karl Marx. Wenn man Schweitzer etwas kennt, weiß man, dass das mehr zu tun hat mit heimatlicher Verbundenheit als mit dem Hang zu utopischem Überschuss.

Seine Körpergröße von 2,06 Meter versuchte er da ganz gern ironisch zu brechen: „Schauen Sie mich an“, rief er im Wahlkampfendspurt den Anhängern seiner Partei zu, „ich eigne mich nicht als Vorsitzender einer kleinen Fraktion.“ 

Dass Schweitzer nach der Landtagswahl 2021 erneut Minister wurde, nun für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, legte nahe, dass er für die Nachfolge Dreyers gehandelt wurde und gehandelt werden wollte. Jetzt soll es bald so weit sein.

Eine ganz kleine, aber doch symbolisch wichtige Frage wird Alexander Schweitzer bald für sich klären müssen, ist er erst einmal zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt: Wird er dann sein WhatsApp-Profilbild austauschen?

Schweitzer präsentiert hier nicht etwa sich selbst, sondern einen Mann in jungen Jahren, mit vollem schwarzem Haarschopf und Schnurrbart, auf einem SPD-Wahlplakat: Kurt Beck.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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