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Flucht statt Kampf an der Front: So entgehen ukrainische Männer in Berlin dem Krieg

Flucht statt Kampf an der Front: So entgehen ukrainische Männer in Berlin dem Krieg

© REUTERS/Viacheslav Ratynskyi

Flucht statt Kampf an der Front: So entgehen ukrainische Männer in Berlin dem Krieg

Die Ukraine benötigt dringend mehr Soldaten. In Berlin leben viele Ukrainer, die eigentlich wehrpflichtig sind. Zwei dieser Männer äußern sich zu ihren Beweggründen.

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Artem Korolko hat eine sehr lange Autofahrt hinter sich, als er mit dem Tagesspiegel spricht. Der 43-Jährige ist dem Fronteinsatz entgangen. Aus seiner Heimatstadt Riwne in der Westukraine ist er am Vortag nach Berlin gekommen. Er sei müde von der Reise, aber das Gefühl der Freiheit gebe ihm Kraft, sagt Korolko. Nun ist er einer von inzwischen mehr als 250.000 ukrainischen Männern im wehrpflichtigen Alter, die in Deutschland als Kriegsflüchtlinge leben.

In Wirklichkeit heißt der Mann anders, doch er möchte seinen echten Namen nicht veröffentlicht sehen. Seine Ehefrau Ana Korolko (Name geändert) hatte ihn schon beim Bezirksamt angemeldet, bevor er in Berlin ankam. In den kommenden Wochen wird Korolko voraussichtlich eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und sein Auto anmelden können. In die Ukraine wolle er so bald nicht zurückkehren, sagt er.

Das ukrainische Mobilisierungsgesetz schreibt vor, dass Wehrpflichtige im Alter von 18 bis 60 Jahren innerhalb festgelegter Fristen bei den Militärkommissariaten registriert werden müssen. Danach sind sie verpflichtet, jederzeit ihren Wehrpass mit sich zu führen. Wer ohne Pass erwischt wird, muss mit Strafen rechnen.

In den vergangenen Monaten, in denen er in seiner Heimatstadt in einer Mietwohnung lebte, habe er das Haus tagsüber nur sehr selten verlassen, sagt Artem Korolko – aus Angst vor Kontrollen durch Mitarbeiter der Erfassungszentren. Weil er von Beruf Programmierer ist, konnte er von zu Hause arbeiten. Lebensmittel und Kleidung ließ er sich vom Lieferdienst bringen.

Flucht statt Kampf an der Front: So entgehen ukrainische Männer in Berlin dem Krieg

© REUTERS/SERHII NUZHNENKO

Ana Korolko ist beim Jobcenter registriert, lernt Deutsch und besucht Fortbildungskurse. Schon lange habe sie ihren Mann nach Berlin holen wollen, sagt sie. Die Familie sammelte Geld und suchte den Kontakt zu Medizinern, die den Leiter der örtlichen Ärztekammer kennen. Schließlich gelang es, jemanden in der Militärärztekommission zu bestechen.

Artem Korolko erhielt daraufhin eine gefälschte Invaliditätsbescheinigung und einen Aufschub der Mobilisierung. Obwohl er in Wirklichkeit gesund ist, muss er nicht in der Armee dienen. Vor seiner Ausreise habe er sich wegen der Kontrollen an der ukrainisch-polnischen Grenze gesorgt, erzählt Artem Korolko. Doch er durfte passieren.

„Er ist ein guter Programmierer und spricht perfektes Englisch, sodass ich sicher bin, dass er bald Geld verdienen kann“, sagt Ana Korolko. „Er wird nicht in den Krieg ziehen, da er keine Menschen töten kann.“ Sobald die Familie ein stabiles Einkommen habe, werde sie aber Geld für die ukrainischen Streitkräfte spenden, sagt die Frau.

Hochzeit statt Mobilisierung

Während Artem Korolko noch nach einer Möglichkeit suchte, sich der Mobilisierung zu entziehen und aus der Ukraine zu fliehen, hatte der 28-jährige Denys Ryabchiy (Name geändert) schon eine Lösung gefunden. Im Mai hat er eine deutsche Staatsbürgerin geheiratet. Jetzt lebt die junge Familie in einer Mietwohnung in Berlin.

„Sie können mir gratulieren, wir haben bald ein Kind in unserer Familie. Ich bin also praktisch schon ein deutscher Staatsbürger“, sagt er.

Ich liebe mein Land und ich bin bereit, ihm von Deutschland aus zu helfen. Aber ich werde nicht in den Krieg ziehen.

Denys Ryabchiy, geflüchteter Wehrpflichtiger

„Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt und uns wie im Kino ineinander verliebt“, sagt Ryabchiy. „Glauben Sie nicht, dass ich nur wegen der Mobilisierung heirate.“ Nach dem Krieg wolle er mit seiner Frau „auf jeden Fall“ in seine Heimatstadt fahren. „Ich werde sie meinen Eltern vorstellen.“

Der Wind zerzaust sein dichtes, lockiges Haar. Ryabchiy wirkt etwas nervös, als er seine Frisur zurechtrückt. „Ich liebe mein Land und ich bin bereit, ihm von Deutschland aus zu helfen. Aber ich werde nicht in den Krieg ziehen.“ Statistiken zeigten, dass nicht alle Männer in der Lage seien, andere Menschen zu töten, meint er. „Ich bin von Natur aus kein blutrünstiger Mensch.“

Flucht statt Kampf an der Front: So entgehen ukrainische Männer in Berlin dem Krieg

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Pool /Ukrainian Presidentia

Der junge Mann arbeitet seit Anfang 2023 als Programmierer in einem internationalen Unternehmen in Berlin. Er zeigt Fotos von Mini-Modellen ukrainischer und russischer Militärtechnik, die er erstellt hat. „Letzten Sommer habe ich die Gegenoffensive unserer Truppen beobachtet.“ Seitdem sei es sein Hobby, kleine Panzer, Mannschaftstransportwagen und Kanonen herzustellen.

Die ukrainischen Behörden haben Einschränkungen eingeführt für Männer wehrpflichtigen Alters, die ins Ausland geflohen sind. Wer nicht im Wehrregister erfasst ist, erhält zum Beispiel keinen neuen Pass von der Botschaft. Doch Denys Ryabchiy stört das nicht, sein ukrainischer Pass ist noch bis 2028 gültig.

„Ich denke, dass schon im nächsten Jahr der Krieg in der Ukraine vorbei sein wird und ich mir keine Gedanken mehr über Mobilisierungsfragen, ukrainische Militärkomitees und den Grenzübertritt zur Ukraine machen muss“, glaubt er. „Man muss nur ein bisschen warten, dann wird alles gut.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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